Fragmente einer GroßstadtMauern – Wenn Schutz zur Gefahr wird

Kristina Wedel Filter Kolumne Mauern

Mauern bedeuten Schutz, vor allem aber: Abgrenzung, die jedes Vertrauen zerstört, jegliche Sympathien hemmt. So wird der eigentliche Schutz zur Gefahr für das friedvolle, gesellschaftliche Miteinander.

„Wir wollen eine Mauer bau’n,
Wir brauchen eine Mauer im Kopf.
Wir müssen eine Mauer errichten,
Eine Mauer der Liebe.
Komm, lass uns eine Mauer bau’n!
Wir brauchen eine Mauer im Herz.
Wir müssen uns zu Mauern trauen,
Dann sind wir alleine.“

Rocko Schamoni – Mauern, 2013.

Eine Mauer bedeutet Schutz. Schutz vor fremdem Eindringen in die eigene Sphäre. Dieses Fremde kann ein Mensch sein, ein Tier, ein Krankheitserreger, der Schall, oder Worte, Emotionen, Meinungen. Nach Schutz sehnt man sich immer dann, wenn eine Gefahr droht. In Gefahr kann etwas sein, in dessen Besitz man emotional, mental, körperlich oder materiell ist. Selbst bei objektiver Gefahrlosigkeit neigt der Mensch zum Schutz – aus subjektiv empfundener Angst. Sie entspringt der Ungewissheit und kann zur kollektiven Angst werden, wenn sie verbreitet wird. Auf diesem Wege beschwört Angst eine Gefahr herauf, wo keine ist.

Um sich zu schützen, baut man eine Mauer. Die ist zuerst imaginär, existiert nur im Kopf, aber erfüllt ihren Zweck: Sie verursacht mentalen Abstand zur scheinbaren Gefahrenquelle, bis auch Herz und Körper schließlich diesen Abstand wahren. Irgendwann ist die imaginäre Grenze so groß und immanent, dass sie unüberwindbar scheint. Das Fremde wird fremder und die Mauer im schlimmsten Fall sogar physisch real. Wie in Perlach zum Beispiel.

Diese Mauer macht dann auch dem Fremden auf der anderen Seite Angst. Vertrauen und Sympathie haben infolge grundloser Abgrenzung keine Chance mehr. Dann wirkt die Abgrenzung beiderseitig. Das ist gefährlich.
Mögen wir alle weniger Angst haben. Möge die Mauer in Perlach niedergerissen werden und nichtmehr Geflüchtete von Stadtbewohnern trennen. Möge Trump niemals eine Mauer zu Mexico errichten. Hören wir doch lieber (auf) Rocko Schamoni.

Kristina Wedel ist freie Illustratorin und lebt in Berlin-Neukölln. Wo andere ihre Smartphones mit nie wieder angesehenen Fotos füllen, hält sie ihren Stift – vorzugsweise einen einfachen, schwarzen Muji-Pen – bereit und zeichnet jene Eigenarten des urbanen Alltags, die sich nicht so leicht ablichten lassen. Für Das Filter erzählt sie jeden zweiten Mittwoch die Geschichten hinter ihren Bildern.

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