Review: Lossless Audio mit den Apple AirPods MaxSind Kabel doch die bessere Lösung?

AirPods Max mit USB-C am MacBook Air M3

Bessere Audio-Qualität und geringere Latenz dank Firmware-Update. Apple verspricht neue Superkräfte für die AirPods Max.

Es gab eine Zeit, in der sich Apple das „cord-cutting“ auf die Fahnen geschrieben hatte. Das ist lange her, darum eine kleine historische Einordnung: Wer früher, also richtig früher, einen Desktop-Rechner im Einsatz hatte, musste sich auch immer mit vielen Kabeln herumschlagen. Ob Monitore, Tastaturen, Mäuse, Drucker, externe Festplatten, CD-ROM-Laufwerke, Scanner, Modem: Sämtliche Peripherie benötigte Kabel. Amtliche Kabel, die oft genug (SCSI!) so dick und unbeweglich waren, wie die Tiefseeleitungen, die heute Französisch-Guyana ans Internet anbinden. Apple war dieser Kladderadatsch ein Dorn im Auge, weil Ästhetik und so. Mit dem iMac, dem All-in-one für die Massen, und USB als einheitliche Verbindung für externe Geräte lichtete sich langsam der Kabelsalat. 1999 bracht Apple dann erstmals WiFi – und wurde wieder ein Kabel los. Meine Güte, ich vermisse dieses UFO.

Der Rest ist sozusagen Geschichte. WiFi ist Standard. Und Apple verwendete den Begriff des „cord-cutting“ als Metapher, um die generelle Design-Philosophie des Unternehmens voranzutreiben. Die Geräte sollten immer leichter und dünner werden, ein Ansatz, der vor allem bei Laptops und iPhones, später auch bei iPads zur Maxime werden sollte. In Sachen Audio (und Eingabe-Peripherie) half und hilft der Bluetooth-Standard. Der ist mittlerweile so gut, dass Ton immer verlässlicher und auch in besserer Qualität übertragen wird. Apple hatte und hat an dieser Entwicklung entscheidend mitgewirkt. Einerseits technisch – mit den H-Chips, die in den hauseigenen AirPods (und einigen Beats-Produkten) für gute Verbindung sorgen. Und andererseits natürlich und mal wieder im popkulturellen Mainstream, weil AirPods mittlerweile in jedem zweiten Paar Ohren stecken.

Verbindungen mit Kabeln sind im Alltag heute schon fast ungewöhnlich. Oldschool. Fast ein bisschen lästig. Aber: Manchmal – gerade in Sachen Audio – sind sie in bestimmten Zusammenhängen eben immer noch unerlässlich. Zum Beispiel, wenn man Musik unkomprimiert, also nicht als MP3 oder AAC hören und streamen möchte. Dass das wirklich von vielen Kund:innen nachgefragt und eingefordert wird, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, die Diskussion wird aber seit Jahren geführt – das Feature gilt als milestone, den Musik-DSPs einfach anbieten müssen. Dass zum Beispiel Spotify hier nachbessert, wird seit Jahren erwartet. Aber: Wenn sich Kopfhörer, die vor allem auf drahtlose Übertragung ausgelegt sind, eben auch per Kabel anschließen lassen und noch dazu viel Geld kosten, lassen die sich ja nicht nur dafür verwenden, unterwegs Ski Aggu zu ballern. Sondern beispielsweise auch im Studio bei der Produktion verwenden. Und genau für dieses Szenario hat Apple die AirPods Max jetzt fit gemacht.

Im Studio – ob Remix, Spatial-Audio-Mastering, Beats machen oder Podcast schneiden – spielt neben der Audioqualität noch ein weiterer Punkt eine Rolle – ist fast noch wichtiger: die Latenz, also die Verzögerung, die entsteht, wenn ein Audiosignal vom Rechner drahtlos an Kopfhörer übertragen wird. Hier ist zum Glück sehr viel vorangekommen, die Zeiten, in denen YouTube-Videos komplett out of sync waren, sind noch nicht lange her. Bei der Audioproduktion kommt es aber auf Millisekunden an. Und diese Genauigkeit liefert nur eine Kabelverbindung. Auch beim Gaming ist diese genauigkeit sehr wichtig. So begibt es sich, dass Apple im Jahr 2025 ihren eigentlich drahtlosen Kopfhören AirPods Max per Software-Update genau diese Features spendiert, die sich nur nutzen lassen, wenn man die OverEars per Kabel verbindet. Augen fertig gerollt? Schauen wir uns die Gemengelage an.

AirPods Max mit USB-C in der Nahaufnahme

Äußerlich sind die AirPods Max (2024) praktisch unverändert. Einzig der Anschluss wurde mit USB-C aktualisiert. Das Kabel ist stoffummantelt.

Hello Kabel, my old friend

Die AirPods Max sind mit seit knapp vier Jahren mein treuer Begleiter. Diese erste Iteration der OverEars hat einen Lightning-Anschluss: für Strom, aber auch – wenn es denn nötig ist – für Audio. Wer das entsprechende Audiokabel separat kaufte (45 €), konnte und kann die Kopfhörer „miniklinken“. Warum das eine gute Idee ist? Außer dem Wunsch, die Kopfhörer mit Geräten zu verbinden, die kein Bluetooth haben, gibt es kein Argument. Es mag für einige Menschen hinreichend sein – in Sachen Audioqualität ergeben sich dabei aber keine Vorteile bzw. Gewinne: Die Wiedergabe hochauflösender Files ist nicht vorgesehen. Der Grund dafür muss wohl sein, dass der Lightning-Standard und das dazugehörige Kabel die anfallende Datenmenge nicht gewuppt bekommt. Ist auch egal: Lightning ist Geschichte, USB-C ist der neue Standard-Anschluss im Apple-Universum.

Die AirPods Max nahmen von Beginn an eine Sonderrolle im Apple-Portfolio ein. Sehr guter Klang, ja, aber eben auch ein unfassbar hoher Preis – und wenig Produktpflege. Erst im Herbst 2024 kam Version 2, die nun auch in der Redaktion vorliegt. Bis vor wenigen Wochen war die neuen Schnittstelle – USB-C – die einzige Veränderung, Neuerung und Verbesserung. Nicht einmal der bereits erwähnte H1-Chip wurde gegen den aktuellen H2 getauscht. Nun aber, dank eines Software-Updates, bieten die AirPods Max mit USB-C latenzfreie Wiedergabe und das Playback verlustfrei komprimierter Streaming-Files – nur mit Kabel, aber immerhin. Aus Apples Sicht macht das natürlich Sinn: Warum sollte sich das Flaggschiff des Kopfhörer-Lineups nicht auch im Studio nutzen lassen? Denn natürlich empfehlen sich die AirPods Max nun auch für die Medienproduktion. Um die neue Funktionalität nutzen zu können, müssen alle Geräte auf dem neuesten Stand sein: Die Kopfhörer benötigen die Firmware 7E101 (kommt automatisch). Mac, iPhone und iPad die jeweils aktuellsten OS-Versionen: macOS 15.4, bzw. iOS oder iPadOS 18.4.

Eingestöpselt

Für die eigene Erdung habe ich zunächst den Blindtest von npr für den Vergleich verschiedener Audioformate gemacht – und meistens verloren. Lossless vs. komprimiert: Das ist eine schwierige Kiste – und für die allermeisten, wie bereits angedeutet, im Alltag absolut vernachlässigungswürdig. Das hat nichts mit über die Jahre verdorbenen Ohren zu tun, sondern ist eher ein Argument für die Algorithmen. Ja, ein 128er-MP3 sticht immer noch negativ hervor, aber AAC vs. FLAC? Zumindest unterwegs fast schon egal. Für das Musikhören sind die neuen Features aus meiner Sicht also kein Argument bei einer etwaigen Verkaufsentscheidung für die AirPods Max. You mileage may vary. Ja, die bessere Auflösung ist vielleicht hörbar und natürlich auch gern genommen. Ein Paradigmenwechsel klingt aber anders.

Im Studiobetrieb sind die Vorteile der neuen Firmware dann schon ausgeprägter. Kabelgebunden am MacBook Air und mit Logic Pro sinkt die Latenz spürbar. Und zwar so spürbar, dass die Arbeit an einem Audioprojekt mit den AirPods Max nicht nur endlich möglich wird, sondern sich auch gut anfühlt und noch besser klingt. Auch Dolby-Atmos-Mischungen funktionieren mit den AirPods Max ziemlich überzeugend: Die anfallenden Daten werden bei der Binauralisierung perfekt vorbildlich an die Apple-Kopfhörer angepasst. Und so entsteht tatsächlich ein Setup, das sich gerade für den mobilen Einsatz am Laptop und unterwegs bestens eignet.

Dolby-Atmos-mixing in Logic Pro

Spatial-Mixing in Logic Pro

Ich betone „unterwegs“ und „mobil“, weil es natürlich auch Einschränkungen gibt. Die mögen nur wenige als störend empfinden, für mich sind sich aber unbedingt erwähnenswert: Das UBS-Kabel ist sehr noisy. Stichwort Trittschall. Gerade bei ruhigeren und vergleichsweise leisen Projekten sind die Kabelgeräusche dann doch recht prominent und störend. Das hat nichts mit dem mitgelieferten Kabel per se zu tun (was mit einer Länge von 1,2 Metern sehr knapp bemessen ist), sondern ist eher dem Noise-Canceling-Design und den integrierten Mikrofonen der Kopfhörer geschuldet. Mein Versuchsaufbau ist ein MacBook Air mit M3-Prozessor. Die beiden USB-Ports sind an der linken Seite des Laptops untergebracht, die USB-Buchse der Kopfhörer jedoch auf der rechten. So baumelt das Kabel nicht nur über dem Keyboard, sondern ist ob seiner Kürze auch mit relativ wenig Spiel versehen. Das ebenfalls neue USB-C-auf-Miniklinke-Kabel (49 €) ist auch nur 1,2 Meter lang. Wer einmal eine komfortable Position gefunden hat für die Produktion, mag damit zurechtkommen – mich irritieren die so hervorgerufenen Geräusche. Es ist vielleicht auch Gewöhnungssache. Keine Gewöhnungssache ist hingegen, dass Lossless bei den AirPods Max eine Grenze hat – und die liegt bei 48 kHz. Das dürfte Studio-Profis mitunter nicht gefallen.

Macht das Kabel alles besser?

Ich erwähnte bereits, dass die AirPods Max im Kopfhörer-Lineup von Apple eine Sonderrolle einnehmen. Da ist einerseits der Preis, andererseits aber auch das Design. Auch wenn viele Menschen mit OverEars durch die Gegend laufen: InEars sind für die meisten doch die erste Wahl. Dass man in den vergangenen Monaten immer mehr Menschen mit „AirPods Max“ auf der Straße sieht, bedeutet nicht, dass sie plötzlich besonders populär geworden sind: Es sind schlichtweg Fälschungen, die sich meistens für das geschulte Auge schon an der glänzenden statt der beim Original matten Oberfläche erkennen lassen. Tolle Kopfhörer sind sie dennoch – die Originale. Und dass die nun neue Features und Möglichkeiten bekommen, ist toll und wird Producer:innen auch mitnehmen. Ihr Nischendasein werden die AirPods Max – These – aber behalten. Mich hält das nicht davon ab, meinen eigenen Lossless-Beweis widerlegen zu wollen. Komprimierung kann und darf doch nicht die neue Realität werden. MiniDisc haben wir doch auch überlebt.

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