Ein Mann des SüdensÜber das Phänomen Matthew McConaughey

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Matthew McConaughey 2012 in Cannes via Shutterstock

Lange Zeit als muskelbepackter Frauenschwarm verlacht, gehört Matthew McConaughey spätestens seit seinem Oscar-Gewinn für Dallas Buyers Club zur ersten Garde der Hollywood-Schauspieler. Daniel Moersener schaut auf die Karriere des gebürtigen Texaners.

Matthew McConaughey hat sich für Dallas Buyers Club der öffentlichen Selbstkasteiung unterzogen, die mit der massiven Ab- oder Zunahme von Gewicht für eine Rolle einhergeht. Das masochistische Fasten oder Zunehmen in der Tradition des „method acting“ ist ein kultisches Opfer für das Gelingen des Scheins, ein Spektakel im Zeichen von Echtheit, das heutzutage bloß noch als ästhetischer Hilferuf bemühter Problemfilme wiederkehrt. Matthew McConaughey misst ihm allerdings nicht besonders viel Bedeutung bei. Es scheint, als habe nicht er diese Tortur über sich ergehen lassen, sondern eher, als habe das Fasten einen unbeeindruckten Matthew McConaughey über sich ergehen lassen müssen. Er lässt sich zu keinerlei Bonmots hinreißen, wenn er nach der Erfahrung des Gewichtsverlusts gefragt wird. Wo andere die körperliche Veränderung in den Dienst der Sache gestellt hätten, antwortet McConaughey, er hätte seinen Freunden gesagt, dies sei eine gute Gelegenheit, um ihn im Ringkampf zu besiegen. Wer ist dieser Matthew McConaughey, der sich zuerst in Nischenproduktionen der frühen 1990er Jahre hervortat, dann kurz in der Mainstreamsphäre erschien, sich danach als blonder Surferboy und Frauenschwarm labelte und nun mit Darstellerpreisen für ernsthafte Rollen überhäuft wird?

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McConaughey bei der 86. Oscar-Verleihung. Foto: Joe Seer via Shutterstock

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McConaughey 2012 bei der Magic Mike Premiere in London. Foto: Steve Vas via Shutterstock

##„Alright, alright, alright.“
Erste Aufmerksamkeit erregte der junge McConaughey im Jahre 1993 in Dazed and Confused, Richard Linklaters nostalgischem Blick auf eine texanische Jugend in den 1970ern. Er spielte dort die Nebenrolle des Wooderson, ein blonder Proll mit Muscle Car und Zigarettenschachtel im Ärmel. Schon lange von der High School abgegangen, hängt er vornehmlich in einem jüngeren Freundeskreis ab, stellt dort Mädchen nach und raucht Cannabis. Sein großer Wunsch ist es, Aerosmith in Houston live zu sehen und auf einer Party verliebt er sich in eine rothaarige Intellektuelle, die auf den ersten Blick so gar nicht zu ihm passen mag. Sein erster Onscreen-Satz ist ein langgezogenes „Alright, alright, alright.“
Im Jahr 1999 verhaftete die Polizei den abgebrochenen Jurastudenten, nachdem sie ihn, durch eine Lärmbeschwerde von Nachbarn alarmiert, auf seinem texanischen Anwesen nackt vorfanden — Bongo spielend, unter THC-Einfluss und mit einer Bong neben sich. Um die Nullerjahre herum versank McConaughey in einem Pfuhl romantischer Komödien, bis er 2010 in William Friedkins Killer Joe als Charakterdarsteller Beachtung fand. Für seine Beziehungskomödien schämt sich McConaughey, der einmal Janet Jackson datete, aber keineswegs. Manche möge er durchaus, sagt er und andere habe er wegen der sonnigen Drehs am Strand in Badehose in guter Erinnerung. Und obwohl er sich mit Dallas Buyers Club zweifellos einem Problemfilm mit sozialer Message verpflichtet hat, bleibt er zurückhaltend, wenn er zu jenem „good cause" befragt wird. Im Gegensatz zu notorischen Lautsprechern wie dem Filmproduzenten Harvey Weinstein, der mit großen Gesten The Imitation Game im diesjährigen Oscar-Rennen pushte, äußert sich McConaughey nicht exaltiert kritisch über all das, was nicht richtig ist. Er betont vielmehr die Hoffnung, die er in die Möglichkeit zum Dialog und zum Wandel setzt. Er vermeidet es, anders als liberale Exponenten des Mainstreams vom Schlage einer Lena Dunham, z.B. Fragen der Geschlechterpolitik mit zwanghaftem, lutheranisch-exhibitionistischem Gestus zu verhandeln.

##Last Man Standing
Die totalitäre Vermengung von Privatem und politischer Öffentlichkeit ist McConaughey zuwider. Genauso sprach er sich gegen eine Umbenennung seines favorisierten Football Teams aus, der Washington Redskins. Deren Emblem, ein indianischer Federschmuck, faszinierte ihn schon immer, er stehe nun einmal darauf. Eine Namensänderung aus Respekt vor den amerikanischen Ureinwohnern könne er nachvollziehen, aber würde sie persönlich betrauern. In einer Zeit, in der Tabak und Alkohol drohen, durch die Selbstoptimierungsideologie der „conscious consumers" verfemt zu werden, mimt McConaughey in True Detective mit Hingabe und auf dem schmalen Grat zur Karikatur einen kettenrauchenden, stark trinkenden Ermittler. Dessen Dialoge driften zwar in pseudophilosophische Untiefen ab, werden aber durch die ostentative Lust seines Charakters an Untergang und am eigenen Verfall wieder wettgemacht. Auch sein breites Texanisch spricht Bände: McConaughey sieht sich seiner Heimat, die er Hollywood vorzieht, noch immer eng verbunden. In seiner Oscar-Rede 2014 dankte er Gott, seiner Familie und seinen Eltern. Seinen verstorbenen Vater sah er im Himmel vor Gumbo und Miller Lite Bier sitzen.

Ist der Gedichte schreibende McConaughey mit der wellenförmigen Karriereentwicklung und dem sich beinahe von der Zunge ablösenden, verselbstständigenden Dialekt nun ein tendenziell reaktionärer Texaner oder ein verrückter Stoner, der gerne, wie er sagt, ab und an eine Woche in die Wüste abhaut? Möchte man ihn einreihen zwischen große Namen, so scheint er ein Konglomerat aus Paul Newman und dem ambivalenten Charlton Heston zu sein. McConaughey, der in seiner Filmographie wie kein anderer den Eigenheiten der Südstaaten ein Gesicht gibt, schlägt eine Brücke zum liberalen Hollywood und doch bleibt er, sein Dialekt im besonderen, eine Unabhängigkeitserklärung an die Zwänge des liberalen Mainstreams. Hinter einer scheinbaren Eindimensionalität gelingen ihm die gebrochenen amerikanischen Helden um so leichter. Ihre verdrehten, abgehalfterten Profile positionieren sich, wie er selbst, seltsam widerständig in der aktuellen Filmwelt. McConaughey ist gleichermaßen Western-Verschnitt, Noir-Held, Halbstarker und delirierender, anarchischer Ermittler in der Tradition Edgar Allan Poes. Es gibt also gute Gründe dafür, in Matthew McConaughey den letzten wirklichen amerikanischen Hollywood-Star zu sehen. Seine Oscar-Rede schloss er übrigens mit den gleichen Worten, mit denen er die Kinoleinwände betrat: „Alright, alright, alright.“

Leseliste: 1. März 2015 - andere Medien, andere ThemenJobinterviews bei Apple, der Terror des IS, digitale Zukunft, Justine Sacco

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