Von Patina erdrücktGuy Maddins „The Forbidden Room“ eröffnet das Berlinale Forum

The Forbidden Room - lead

Alle Bilder: Galen Johnson

Eine U-Boot-Besatzung, Waldmenschen, ein Förster, ein Vulkan und Charlotte Rampling: Das Forum der Berlinale startet eigentümlich. Christian Blumberg hat den Film bereits gesehen.

„Experimentalfilmer“ will ja niemand mehr genannt werden. Außer vielleicht Guy Maddin, schließlich bemüht er die visuellen Signaturen des Experimentalfilms immer wieder ausgiebig: Auch der Vorspann zu seinem jüngsten Feature-Film „The Forbidden Room“, der heute das Forum der Berlinale eröffnet, ereignet sich in weiten Teilen vor den Aufnahmen mehrerer von Hitze versehrter Zelluloidstreifen – ein motivischer Klassiker des experimentellen Films älterer Schule. Man kann an diesem Vorspann schon erkennen, dass Guy Maddin streng genommen überhaupt nicht zum Experiment neigt, sondern vornehmlich zur Nostalgie. Das war im Fall Maddins auch nie wirklich anders und ist mutmaßlich sogar der Grund, warum seinen Filmen trotz ihrer mitunter sperrigen Ästhetik auch regelmäßig kommerzieller Erfolg beschieden war – zuletzt mit „My Winnipeg“, davor mit „The Saddest Music In The World“.

„The Forbidden Room“ ist eine Nummern-Revue aus narrativ verbundenen Geschichten: eine dem Tod geweihte U-Boot-Besatzung, die von einem seltsamen Waldmensch überrascht wird. Ein Förster, der eine Cabaret-Sängerin aus der Gewalt einer kultischen Gemeinschaft von Wolfsmenschen retten will. Eine karibische Insel, deren höchster Vulkan sich auch von den seltsamsten Opfergaben nicht besänftigen lässt: Verkettungen von Absurditäten. Aber auch die Verkettung stereotyper Sujets der Filmgeschichte, begleitet von einigen gelungenen Gags, den Auftritten von Udo Kier, Charlotte Rampling und Geraldine Chaplin und einem unangenehmen Hang zum Herrenwitz.

The Forbidden Room 02

Maddins Retro-Overkill ist inzwischen jeglicher Novelty-Effekt abhanden gekommen.

Der Clou des Films aber ist freilich die Visualisierung: Fast jede Szene soll aussehen, als sei sie einem vergessenen Film entnommen. Die Viragierungen des Stummfilms werden ebenso nachempfunden wie Low-Key-Beleuchtung oder die Modellbauten eines B-Movies der 50er-Jahre. Alles ist voller Anspielungen, sie reichen bis zu den Rechtschreibfehlern in den unzähligen Zwischentiteln. Unangenheme Filmauskenner werden werden hier quasi im Sekundentakt befriedigt. Dazu permanentes Bildrauschen, Collagierungen und andere Signaturen des Analogen. Hier herrscht so viel Vergangenheit, das jener Moment, der im Zusammenhang mit Guy Maddin gerne als „Poesie“ beschrieben wird, unter einer zentnerschweren Patina-Decke ersticken muss. Zudem ist 2015 – und Maddins Retro-Overkill inzwischen jeglicher Novelty-Effekt abhanden gekommen. Was eine charmante filmhistorische Fingerübung hätte werden können, gerät hier zur quälenden Gewahrwerdung darüber, dass das Kino aus sehr viel Vergangenheit besteht, aber nur aus sehr wenig Zukunft. Dass „The Forbidden Room“ ausgerechnet die Festivalsektion eröffnet, die sich dem jungen Kino und seinen neuen Formen widmen soll, ist also entweder eine hintergründige Mahnung des Auswahlkomitees oder aber eine Bankrotterklärung.

The Forbidden Room, Kanada, 2015, 128 min.
Regie: Guy Maddin, Co-Director: Evan Johnson

Screenings während der Berlinale:
Freitag 06.02., 18:00: Delphi Filmpalast
Samstag 07.02., 22:00: CineStar 8, Potsdamer Platz
Montag 09.02., 13:30: Akademie der Künste (Hanseatenweg)
Freitag 13.02., 22:15: Cubix 9, Alexanderplatz

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