Wie man mit Humor Geld verdientBVG-Jokes, lustige Listen und gute Klischees: Ein Gespräch mit dem Autor und Gag-Schreiber Peter Wittkamp

Peter Wittkamp Alt Start

Ob Designer, DJ, Blogger, YouTuber, Kurator oder Yoga-Lehrer. Heute – so lautet die vermeintliche Losung – kann jeder aus seinem Talent einen selbstständigen Job machen. Freelancer prägen nicht nur in Großstädten wie Berlin seit Jahren das Bild der Arbeit jenseits der Festanstellung in Coworking-Spaces und WLAN-Cafés. Aber wie kann man Geld verdienen, indem man witzig ist? Dass dies selbst in der Humorwüste Deutschland blendend funktioniert, beweist der Autor, Werbetexter und Gag-Schreiber Peter Wittkamp, der den meisten vor allem durch den mittlerweile berühmt-berüchtigten Twitter-Account der BVG („Weil wir dich lieben“) bekannt sein dürfte. Aber auch für Formate wie „heute show online“ und früher auch „Neo Magazin Royal“ schreibt er Pointen und Gags im professionellen Akkord. Wir wollten von ihm wissen, wie das geht und was das Geheimnis seiner Arbeit ist.

Peter, wie wird man professionell witzig? Was hast du eigentlich zuvor gemacht?
Ich habe in Bamberg Soziologie studiert, komme aber eigentlich aus Bonn. Ich habe im Rahmen meines Studiums in Berlin ein Praktikum bei Universal Music gemacht. Zu der Zeit habe ich auch aufgelegt, weil ich mich sehr für Musik interessiere, habe dort aber eher Marktforschung betrieben. Und ich habe zu der Zeit angefangen zu twittern (@diktator). Das lief ganz gut und ich wurde von mehreren Seiten gefragt, ob ich Werbetexter sei. Dabei war ich ja gar keiner. Daraufhin wollte ich es probieren. So bin ich bei der Agentur TLGG gelandet, habe dort im Bereich Social Media gearbeitet, weitere witzige Dinge gemacht und den Blog auslisten.de gestartet. Dort ging es um Listen in jeder möglichen Form, der Verlag KiWi hat sich bald die Buchrechte gesichert und mein erstes Buch „Die fünf schlechtesten Antworten auf „Ich liebe dich!“ – und weitere lebensrettende Listen“ herausgebracht.

Wie ging es dann weiter?
Über das Buch habe ich Leute von der „heute show online“ kennengelernt, die hatten mein Buch gelesen und haben mich gefragt, ob ich nicht mal Gags für die schreiben will.

Die BVG-Kampagne „Weil wir dich lieben“ und vor allem der Twitter-Account haben schnell und über die Stadtgrenzen hinaus viel Resonanz bekommen. Wie sieht da die Arbeit aus?
Die Arbeit läuft über die kleine Agentur GUD.berlin in Berlin-Mitte, die schon länger für die BVG arbeitet. Da waren wir anfangs noch zu zweit und das lief auch schon, bevor die Sache groß wurde. Seitdem es so populär geworden ist, sind wir zu viert. Wir treffen uns einmal die Woche, besprechen Neuigkeiten und die Inhalte der Woche. Praktisch betreut jeder einen Tag in der Woche. Das geht von Facebook, Twitter bis Instagram. Nebenbei machen wir bei anderen Themen wie Busbeschriftungen oder auch Pitches für andere BVG-Kampagnen mit.

Ab wann war dir klar, dass du mit Humor dein Leben bestreiten kannst?
Als das Buch rauskam und ich dafür Geld bekommen habe, war das schon ein Indiz. Als es später mit der „heute show online“ losging und ich viel gebucht wurde, dachte ich: Das könnte klappen. Da gibt es einen Markt für und der ist gar nicht so klein. Im Fernsehbereich sind Leute, die gut schreiben können, durchaus gefragt.

Wie kommt man da rein?
Wie so oft über Empfehlungen. Aber bei der „heute show online“ haben wir beispielsweise einen Gag-Schreiber-Pool, der komplett über Twitter gecastet wurde. Ein wunderbares Bewerbungsverfahren. Man schaut sich witzige Twitter-Accounts an und da ist es egal ob alt, jung, Mann oder Frau – Hauptsache die Person hat lustige Tweets geschrieben. Wir kontaktieren die und so kommen einige eben zum Gagschreiben.

Und das klappt?
Erstaunlich gut.

Was macht Witzigkeit aus, wenn man damit arbeiten muss? Wie misst man Humor objektiv?
Ich habe ein Gespür dafür. Man kann Dinge mittlerweile gut abschätzen. Um einen Gradmesser zu haben, ist natürlich die Social-Media-Reaktion wichtig, sprich Like-Zahlen. Bei der BVG landen wir mit einem guten Scherz schon mal bei 10.000 Likes bei Facebook, was für ein Unternehmen natürlich großartig ist. Ich schreibe aber auch selten alleine. Beim Fernsehen gibt es immer Leute, die noch mal drauf schauen und auch bei uns im BVG-Team gibt es Feedback. So kann man gute Sachen recht gut filtern. Wir streiten auch gerne über Witze. Da muss man teilweise um Nuancen kämpfen. Jemand, der in dem Business aber richtig gut ist, weiß es schon oft vorher, ob was klappt oder nicht.

Wie ist es, dabei auch mainstreamig zu denken? Eine gewisse Massentauglichkeit im Blick zu haben? So richtig nerdige Witze klappen eben auch nur bei Wenigen.
Bei der BVG führen wir ständig Dialoge. Wenn sich beispielsweise ein Gamer beschwert, dann kann man ganz andere Scherze mit ihm machen. Wenn so eine Person lamentiert, dass der Bus wieder Verspätung hatte, dann können wir ihm erstmal gratulieren, dass er überhaupt vor die Tür gegangen ist. Es macht Spaß, die Eigenarten der Leute jeweils zu berücksichtigen.

Was für eine Rolle spielen Klischees bei der Arbeit?
Die sind schon wichtig. Auch weil sie ein gemeinsames Wissen abbilden. Wenn du einen Scherz machst, müssen die Leute wissen, worum es geht. Wenn ich meiner Mutter die Sache mit dem Gamer erzähle, würde sie das ja erstmal nicht verstehen. Gerade bei der „heute show online“ müssen wir immer abwägen. Es gibt Themen, über die man sprechen muss, es aber schwierig ist, darüber Scherze zu machen, weil ein Großteil die Hintergründe und Details gar nicht so gut kennt. Bei Erdogan weiß jeder, was gerade los ist. Manchmal macht man dann zwar für die Randgruppe der belesenen Leute Witze, aber eigentlich will man ja größtmöglich verstanden werden. Es ist einfach wichtig, dass die Leute wissen, worüber du sprichst.

„ Dass die Engländer witziger sind, hat bis heute noch keiner wirklich beweisen können. “

Wie war deine Auseinandersetzung bislang mit dem ominösen „deutschen Humor“?
Ich habe das nicht untersucht. Die Angeberantwort wäre ja: Der britische Humor ist subtiler und schwärzer und so weiter. Aber es gibt ja keine empirischen Studien, was genau einen Humor ausmacht, warum die Leute in Deutschland über so was lachen und die Engländer über etwas vermeintlich anderes. Dass die Engländer witziger sind, hat bis heute noch keiner wirklich beweisen können. Dann kommen natürlich die amerikanischen Stand-ups und Late-Night-Shows – ich hätte auch gerne einen John Oliver in Deutschland, wobei der ja auch wieder Brite ist. In Amerika leben aber auch viel mehr Leute und es gibt daher ganz andere Budgets. Was hat das für Auswirkungen? Das darf man nicht vergessen. Zudem war in der Medienwelt schon immer cool, was aus Amerika kommt. In Deutschland gibt es aber auch viele tolle Sachen.

Man denkt ja immer auch an Mario Barth.
Genau. Die RTL-Comedians: Cindy aus Marzahn, Bülent Ceylan und so weiter. Das ist definitiv Mainstream und ist auf die große Masse aus. Für unsereins ist das eher naja. Aber es gibt tolle Stand-up-Comedians, großartige Liedermacher. Ich glaube nicht, dass sich Länder heute noch diesbezüglich so groß unterscheiden.

Ausnahmen wie „Tatortreiniger“ bestätigen dann die Regel?
Kürzlich habe ich „Jerks“ mit Christian Ulmen gesehen und das fand ich total gut geschrieben. „Pastewka“ ist für mich auch eine schöne Serie.

BVG IFA

Bild: BVG/Facebook

heute show regensommer

Bild: heute show online/Facebook

BVG Wahl

Bild: BVG/Facebook

Lass uns über Kreativität reden. Wie gehst du mit einem schlechten Tag um?
Die Arbeit ist sehr kreativ. Aber so richtig schlechte Tage gibt es eher nicht. Ich merke natürlich, wenn ich besonders gute Laune habe und richtig Bock habe, dann ist man schon mal witziger. In der Werbung und auch beim Gags schreiben greift man auf viele Mechanismen zurück. Zum Beispiel: Wie kann man eine Sache umdrehen? In einen anderen Kontext setzen? Man kann vergrößern und verkleinern. Parallelen zu anderen Themenbereichen suchen oder auch Unterschiede ausmachen. Mit diesen Techniken kommt man in der Regel fast automatisch zum Witz. Schreibtalent hilft dabei natürlich auch. Am Ende ist es viel Handwerk.

Wie sieht das Handwerk im Vergleich zur Fotografie oder Grafikdesign aus?
Man hat Abläufe im Kopf. Wie beim Auflegen, wenn man auch schon vorher einen ungefähren Plan hat, wie der Abend verlaufen soll. Man hat die Woche zuvor gemerkt, dass zwei Tracks besonders gut zusammen gepasst haben. Das merkt man sich. Man achtet auf das Gefühl im Raum. Wann füllt sich der Saal, wer tanzt? Das sind alles Faktoren, die eine Rolle spielen. Das lernt und verinnerlicht man. Beim Schreiben ist das nicht anders.

Was bedeutet guter Humor für dich?
Im Idealfall ist er nicht zu platt. Man macht sich nicht über andere Leute lustig, es sei denn sehr gut.

Peter Wittkamp 01

In den USA gehört es ja mittlerweile dazu, dass man als Minderheit Witze über sich selber machen darf. Als Asiate mach' ich mich über Schlitzaugen lustig. Als Jude darf ich Judenwitze machen. Als Afroamerikaner schimpft man über Nigger, Bitches und so fort. Gibt es da ein Konzept?
Es gibt ja zwei ganz wichtige Grundprinzipien. Die Fragen: „Warum?“ und „Was wäre wenn?“. Damit kann man eigentlich alles schreiben. Man schaut sich die Welt an und fragt sich: Warum ist das jetzt eigentlich so? Dann ergeben sich Perspektiven und dann stellt man die Frage: Was wäre wenn? Ein Beispiel: Nimm eine Familie. Die ist an sich nicht so witzig. Aber dann fragt man sich: Was wäre, wenn ein Außerirdischer dazu kommt? Was wäre, wenn jemand aus einer ganz anderen Kultur dazu kommt? Was wäre, wenn die Frauen weg sind? Das kann man dann skalieren. Das ist ja genau das Erfolgsrezept von Serien wie „Alf“, „Two and a half men“, „Modern Family“, „Der Prinz von Bel Air“ – da gibt es immer Familien und dann kommt etwas Ungewöhnliches dazu wie ein Außerirdischer wie bei „Alf“. Bei „Two and a half men“ nimmst du die Frauen aus der Familie weg. Eigentlich supereinfach. So funktioniert das aber sehr oft. Am Ende kannst du den Großteil aller Gags auf diese beiden Prinzipien runterschrauben. Es gibt nur wenige, die anders funktionieren.

Wie witzig bist du im Alltag?
Super funny (lacht).

Hast du einen Lieblingswitz?
Das ist verrückt, dass sie einem nie einfallen. Aktuell ist … das darf ich dir ja gar nicht erzählen!

Warum? Na komm, jetzt erst recht.
Was ist der Unterschied zwischen Asiaten und Rassismus?

Ich hab keine Ahnung.
Der Rassismus hat viele Gesichter.

Autsch … aber ja, der ist gut.

Peter Wittkamp und zahlreiche andere renommierte Content Creators gestalten die Content Creation Week, die erstmalig vom 11. bis zum 14. September in der Blogfabrik in Berlin-Kreuzberg stattfindet. Es gibt spannende Workshops, Panels und Vorträge. Natürlich steheh hier aber auch das Netzwerken von kreativen Freelancern und der Austausch hier im Fokus. Weitere Informationen zum kostenlosen Rahmenprogramm, sowie Tickets findet ihr hier:

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