Leseliste 24. Februar 2019 – andere Medien, andere ThemenSpotify, Desinfektion to Go, Bolsonaro und hässliches Essen

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Spotify-Börse

Foto: Redaktion

Planet Spotify

In den vergangenen Wochen gab es reichlich Neuigkeiten aus dem Hause Spotify. Zum einen überraschte das Unternehmen mit einem positiven Geschäftszahlen, die sich erstmals nicht nur durch noch mehr kostenpflichtige Abonnements, sondern auch durch Gewinn auszeichneten. Gleichzeitig nahm man viel Geld in die Hand, um Gimlet, die erfolgreiche Produktionsfirma von Podcast-Formaten, und Anchor zu übernehmen – eine App, mit der sich Podcasts schnell aufnehmen und online stellen lassen. Die Strategie zeigt, wohin die Reise bei Spotify zukünftig gehen wird. Die schwedische Firma wandelt sich vom klassischen Streaming-Anbieter zur Audio-Plattform, auf der selbst produzierte Inhalte immer wichtiger werden und das Geld bringen sollen. Die Maxime: die User dazu zu bringen, so viel Zeit wie möglich auf Spotify zu verbringen, dabei aber immer weniger Musik zu hören – das spart Kosten. Aber das Prinzip Spotify hat auch Einfluss auf die Musik. Filter-Autor Kristoffer Cornils zeichnet hinter der Bezahlschranke von groove.de ein detailreiches und umfassendes Bild des Streaming-Dienstes und dessen Einfluss auf Gebaren und Kultur in der Musik. Zwischen Tantiemen, Label-Ambitionen, Algorithmus-getriebener A&R-Arbeit und dem Push in Richtung Gig-Economy.

„Wir sollten auch deshalb genau hinschauen, in welche Richtung sich Spotify bewegt, weil geistiges Eigentum, zu dem das Gros der Musikproduktionen zählt, zum Kapital der Zukunft werden könnte.“

konkrit: Spotify For Artists? Spotify Against Artists!

Desinfektion to Go

Bei DM und Rossmann gibt's diese kleinen Desinfektionsgels seit einiger Zeit samt kleiner Gummischlaufe zur Befestigung an Rucksack oder Tasche. Und tatsächlich: Was Zeit-Autor Alexander Krex aufgefallen ist, lässt sich zumindest im großstädtischen Berlin bestätigen. Immer öfter sieht man die Dinger an Rucksäcken baumeln. Immer öfter auch, wie sie ohne ersichtlichen Grund hervorgeholt werden. Vorgeblich zur Bekämpfung von Bakterien, maßgeblich zur Bekämpfung eines eingebildeten Ekels. Krex hat darüber einen kurzen, pointierten Text geschrieben, der Schmunzeln lässt und voll großartiger Sager, Metaphern und Meta-Wahrheiten steckt.

„Tuben oder Flaschen in Handgepäckgröße, herstellerseitig mit Befestigungsschlaufe in neonfarben ausgestattet, Geruch Grapefruit. In einer Zeit, in der Krankheiten nicht mehr als Strafe Gottes verstanden werden, kann man die Dinger als säkulare Form des Rosenkranzes begreifen.“

Die Angst in den Poren

Jair Bolsonaro

Der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro ist nun seit fast zwei Monaten im Amt. In dieser kurzen Zeit häuften sich bereits die Skandale und politischen „Irritationen“ derart an, dass es „unmöglich sei, alle zu überblicken“. Die Journalisten Andrew Fishman und Alexandre de Santi haben dennoch versucht, die ersten Wochen für „The Intercept“ analysiert. Sie berichten vom Einfluss Steve Bannons in Brasilien, ekelerregenden Mauscheleien und dem Aufkommen eines neuen Polizeistaats.

„Rio de Janeiro’s new governor, Wilson Witzel, is not waiting for any vote in Brasília to put the philosophy into practice — and there is a body count to prove it. Witzel supported Jair Bolsonaro during the campaign and took a similar line on police-involved killings, promising to greenlight the “slaughter” of anyone seen carrying a rifle and the use of police snipers. He even floated the possibility of policing with armed drones. Last month, three unarmed civilians in the Manguinhos favela were shot seemingly at random, and two of them died. One of the victims, a 22-year-old bricklayer’s assistant, was hit in the back while buying a coconut for his daughter. Family members and witnesses say the bullets came from a tower in the nearby police headquarters, and initial investigations have found holes punched into the walls that could be used to fire a rifle. Witzel hasn’t uttered a word on the subject.“

Jair Bolsonaro’s first 53 days as president of Brazil have been an resounding, scandalous failure

Hässliches Essen

Instagrammable muss Essen, genauer: Food heute sein – rund, quadratisch, mit klar konturierten Farben und bitte mit Avocado on top. Muss? Wie jeder Trend erzeugt auch dieser einen Gegentrend, und dieser spült anderes Essen, andere Rezepte an die Oberfläche – historische Speisen, die verpönt oder gar verboten waren, die visuell abstoßend, aber gustatorisch anziehend sind, die in einem Teil der Welt als Delikatesse gelten und in einem anderen als ekelhaft. Die Netflix-Serie „Ugly Delicious“ hat dem Ganzen gar ein TV-Format gegeben, dass Hässlichkeit als soziales Konstrukt enttarnt (Überraschung!). Und in Malmö gibt es seit einiger Zeit ein „Museum of Disgusting Food“, das die Grenzen des (guten) Geschmacks herausfordernde Spezialitäten aus aller Welt präsentiert. Dieser Beitrag fasst das Thema kompakt zusammen.

„The dish belongs to a category of food that compels us in part by repelling us — and draws us now perhaps more than ever, in an age when we’re relentlessly inundated with images of gorgeous food, when social media’s fantasy record of the way we eat is a ceaseless slide show of ingredients arrayed and lit down to the last centimeter.“

How So-Called ‘Ugly Food’ Is Challenging Notions of What We Crave

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Döll, Powder und Simon Scott

Mitgehört: Musik aus dem Filter-SchwarmHeute: Dag Rosenqvist, Musiker