Leseliste 28. Juni – andere Medien, andere ThemenPush-Backs, Dönerlogo, Protest-Pop, Kevin-Prince Boateng

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Push-Backs im Mittelmeer

Es geht um Push-Backs. Seit vielen Jahren wird über die Aktionen im Mittelmeer berichtet. Es beginnt beim absichtlichen Erzeugen von Bugwellen entgegen der Fahrtrichtung von Flüchtlingsbooten. In Interviews wird von bewaffneten Überfällen erzählt, bei denen maskierte Männer Motor und Radar von Flüchtlingsbooten entwenden und die Menschen faktisch in Seenot zurücklassen. Die Kritik prallt bislang an EU und Frontex ab. Von Behörden gehe das nicht aus, niemals, außer wenn es mal doch so sei. Lighthouse Reports, ARD und Spiegel haben sich einer kurzen Videoaufnahme eines jüngst geschehenen Überfalls angenommen, um die Täter zu identifizieren. Das Ergebnis: Es handelt sich um Schlauchboote der griechischen Küstenwache, daran kann kein Zweifel bestehen. Gräueltaten, anders kann man diese Geschehnisse nicht nennen. Der Weg der Recherche in allen Details:

While the RHIB’s equipment is fairly standard, the pyramidal metallic structure mounted on its deck is a feature unique to this specific class of boat: it was applied to facilitate the deployment of the RHIB into the water from its mothership.

Masked Men On A Hellenic Coast Guard Boat Involved In Pushback Incident

dönerlogo

Woher kommt das Döner-Logo?

Cihan Anadologlu kennt sich mit dem Döner aus – siehe unser Interview mit ihm. Aber diese eine Frage thematisiert auch sein umfassendes Buch nicht: Woher kommt eigentlich das ikonische Logo auf den Döner-Papiertüten, die in nahezu jedem Imbiss verwendet werden? Jonas Jansen ist der Frage für die FAZ nachgegangen und hat sich im Markenregister, bei Papierherstellern, Werbeagenturen und sogar beim ATDID (Verein türkischer Dönerhersteller in Europa) umgehört. Ob seine Recherche ein Erfolg war? Lest selbst.

Nun ist das Dönermann-Logo zwar kein ikonisches Meisterwerk wie der Swoosh von Nike oder der Apfel von Apple. Aber es wird doch jemanden geben, der dafür Anerkennung verlangt.

Jäger des verflixten Dönerlogos

POp und Corona

Photo by Maria Oswalt on Unsplash

Pop und Corona

Klaus Walter fragt in der taz, was eigentlich aus der Rebellion der linken Popmusik in Zeiten von Corona geworden ist. Gemotzt und attackiert wird von rechts. Wer links ist, hat wenig zu sagen bzw. zu besingen – die Vernunft bestimmt den Habitus. Oder warum heißt der aktuelle Tocotronic-Song „Hoffnung“ und klingt laut Walter, als könne „er es an Hilflosigkeit und Tristesse mit Silbermond aufnehmen“. Hoffnungslos ist das alles nicht, im Gegenteil. Es zeigt lediglich, dass Rock’n’Roll-Klischees nicht für immer gelten und sich die „Fuck You“-Attitude überlebt hat.

Was ist mit der allfälligen Rede von der Krise als Chance? Als Chance für eine Pop-Blüte im Namen von Liberté, Egalité & Beyoncé?

Der Sieg der puren Vernunft und seine Folgen

LL2806 Fußball

Kevin-Prince Boateng

Dass Opfer von Rassismus über ihre Erlebnisse sprechen ist für die Betroffenen nie einfach. Denn es hat auch viel mit Stolz und Würde zu tun, in einer weiß dominierten Gesellschaft nicht als weich oder schwach oder gar als „Opfer“ zu gelten. Der Fußballprofi Kevin-Prince Boateng hat sich in der männlichen, harten Fußballwelt international durchgesetzt und auch in seiner Karriere spielte Rassismus stets eine Rolle. Ob als Kind auf Turnieren in Ostdeutschland oder als Profi beim AC Mailand. In seinem Artikel „To My White Brothers and Sisters“ berichtet er über seine Erfahrungen, sein Engagement und er appelliert an seine weißen Freunde und all jene, die in verantwortlichen Positionen sind, gemeinsam etwas gegen den strukturellen und systemischen Rassismus in der Welt zu unternehmen. Und dass Kevin-Prince auch hierzulande immer als der heißspornige, unangepasste Rowdie galt, der 2010 auch noch die verpasste WM vom deutschen „Capitano“ Michael Ballack zu verantworten hatte und dafür viel Schelte einstecken musste, spricht in diesem Zusammenhang Bände. Ein eindringliches und lesenswertes Stück.

I was so … confused. I had only heard that word like maybe in a song or a movie or something, but I knew it was something against my colour. I felt so alone. I felt as if I was in a place where I was not supposed to be — but this was only a six-hour drive from Berlin. How could they love me in one part of the country and hate me in another just because I’m a different colour? As a kid, you don’t understand that. I had never spoken to anyone about how to deal with a situation like that. So on the bus back to Berlin, I burst into tears. My teammates started crying, too. None of us understood what had happened. I never told my mum about it. I just ignored it and kept going. I thought, It’ll go away.

To My White Brothers and Sisters

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Jack Chrysalis, Lucy Railton, Una Vida de Barrio

App der Woche: Max Richter – SleepFür mehr Fokus