Auf den Dackel gekommenWestkorn aus der Eifel will die Schnaps-Revolution

Matthias Heger und Deniz Günal verfolgen seit drei Jahren eine Schnapsidee: Sie wollen der vermutlich uncoolsten aller Spirituosen wieder zu neuem Ruhme verhelfen – dem Korn.

Mit Matthias Heger, einem der beiden Gründer von Westkorn, spreche ich über Skype. Er lebt nämlich schon seit fünf Jahren in China. In Peking berät er das Bundeswirtschaftsministerium bei der Zusammenarbeit im Energiebereich. Das wäre auch ein spannendes Thema, über das wir sprechen könnten, aber wir sind verabredet, um über seinen zweiten Job zu reden: einen Korn, den er zusammen mit seinem Kompagnon Deniz Günal bei einem Traditionsbrenner in der Eifel herstellen lässt.

Nicht nur geographisch, auch thematisch ziemlich weit voneinander entfernte Tätigkeiten, oder? Heger klärt auf: „Ich habe an der Kölner Uni Chinesisch studiert und dann immer sehr unterschiedliche Jobs gemacht – an die kam ich eigentlich immer über die Sprache.“ Leuchtet ein. Einer seiner ersten großen Aufträge war es, für einen deutschen Spirituosenhersteller, der Korn macht, aber auch Wodka und andere Produkte, Neutralalkohol und Weizenfeindestillat für die Produktion einzukaufen. „Dabei fiel mir auf, dass für Korn immer ein wesentlich besserer Grundstoff verwendet wird als für Wodka.“ Für Korn muss, damit es Korn ist, nämlich Getreide genommen werden. Wodka lässt sich aus vielen Dingen herstellen: In der Edelvariante aus bolivianischem Bio-Fairtrade-Quinoa steht es in den Top-Shelfs, in der Billigversion aus Zuckermelasse, einem Nebenprodukt der Zuckerherstellung, wartet es mit Fruchtgeschmack „geflavoured“ ganz unten im Supermarktregal auf seine Vorglühverwendung.

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Korn-Gründer: Deniz Günal und Matthias Heger

##Korn filtern

Die Beobachtung des Beraters interessierte das Unternehmen nicht weiter, ihn selbst ließ sie nicht mehr los. Zurück in Köln, berichtete er seinem damaligen Mitbewohner und heutigem Mitgründer Deniz davon. Schnell war die gemeinsame Mission klar: Wir machen Korn wieder sexy. Durch Verfeinerung des Destillats sollte er auf ein Niveau gehoben werden wie ein guter Wodka. Und das erreicht man, wie bei gutem Wodka, vor allem durch Filtern. (Yes! We like!) „Unser erster Filter war ein Brita-Wasserfilter“, so Heger. „Und schon der hat als Ergebnis einen weicheren Geschmack hervorgebracht.“ Die beiden filterten mit Milch und mit Aktivkohle, die Ergebnisse machten sie mutig: „Das ziehen wir professionell auf.“

Das sollte mit Hilfe eines Experten geschehen, einem Destillateur aus dem Umland. So jedenfalls die Idee. Die ersten Gespräche ergaben jedoch „ein ziemlich trauriges Bild“, berichtet Heger: „Die meisten Kornbrenner machen eigentlich kein Geschäft mehr, haben ihre Betriebe entweder stillgelegt oder brennen etwas anderes. Der Preisdruck ist zu stark. Das können nur die Großen machen, für die Kleinen bleibt nichts übrig, weil Du eben gute Zutaten verwenden musst.“ Diese Logik gilt aber nur, wenn man ein Standardprodukt herstellen will. Wer ein Premiumprodukt mit besonderen Qualitätseigenschaften macht, kann über den höheren Verkaufspreis auch den in kleinen Mengen teuren Einkauf der Zutaten wirtschaftlich kalkulieren.

Nur: Wer macht das mit? Einen Partner für ihr Unterfangen fanden die beiden mit Klaus Hermann von der Brennerei Neuerburg aus Rockeskyll (das liegt in der Eifel und nicht, wie der Name vermuten lässt, auf den Äußeren Hebriden). Hermann kommt aus einer Traditions-Destillateurfamilie, die ihre Brennanlagen selbst herstellt, arbeitete lange als Lebensmittelchemiker und kaufte dann, um die Familientradition wieder aufleben zu lassen, einen Teil der Brennerei in der Eifel. Ohne zu wissen, dass deren historische Anlagen von seinem Großvater gebaut worden waren. Neuerburg stellt vor allem Obstbrände für die gehobene Gastronomie her, hier versteht man also was von Qualität. Der hier produzierte Kornbrand ist die Grundlage für Westkorn und wird in zwei Schritten verfeinert: Kupferkatalyse in einer historischen Distille reinigt das Produkt von ungewünschten Geschmacksbestandteilen und gibt ihm eine elegante Vanillenote, Eisfiltration rundet das Aroma ab.

Am Ende steht ein reines Produkt, das man auch in Cocktails und Longdrinks verwenden kann - zum Beispiel in einem Twist der Moscow Mule mit Korn statt Wodka, was mit Standard-Kornbrand wegen des unerwünschten Beigeschmacks ein zweifelhaftes Vergnügen wäre.

Westkorn-Flaschen

500 Flaschen hat man im vergangenen November abgefüllt und mit einem Dackeletikett beklebt, das zweite Batch ist gerade in der Mache. Zurzeit gibt es Westkorn in Kölner Bars und übers Internet. Bald will man in allen großen deutschen Städten die Korn-Renaissance vorantreiben, an der auch Startups in Hamburg (The Ostholsteiner) und Berlin (Das Korn) arbeiten. Das Feedback aus dem Markt sei sehr gut, erklärt Heger. Auf Dauer könnte es dann für ihn etwas schwierig werden, in China Energie zu beraten und in Deutschland Schnaps herzustellen. Aber das nennt man dann wohl ein Luxusproblem. Zumal: Wer über solche Connections ins Reich der Mitte verfügt, hat besten Zugriff auf einen gigantischen Markt. Er habe neulich eine Flasche zu einem Treffen mit einer Wirtschaftsdelegation mitgenommen, erzählt Heger, die Herren hätten sich riesig gefreut, auch weil die chinesische Regierung das Bestellen von Schnäpsen bei solchen Anlässen aus Kostengründen gekappt habe.

Dann werden die beiden sicher auch diese Frage oft beantworten müssen, die uns abschließend interessiert: Wie kommt der Dackel aufs Etikett? Aus zwei Gründen. Erstens: „Der ist für uns das Symbol der deutschen Piefigkeit, für den auch Korn steht, der Dackelbesitzer, der in die Eckkneipe geht und sich ein Herrengedeck bestellt“, erklärt Heger. Und zweitens: Die Familie ihres Brenners stellt nicht nur seit Generationen Schnaps her, sondern jagt auch seit Urzeiten und züchtet diese putzige Kleinausgabe des Jagdhundes. „Wenn ein Dackel in den Spiegel blickt, dann sieht er einen Löwen.“, soll der Großvater gesagt haben.

Alles Ansichtssache.
Westkorn

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