Gärten der Welt – #1Streifzüge durch die musikalischen Peripherien

Gärten der Welt 01 lede

Foto: Christian Blumberg

Die Welt ist eine Scheibe und ganz am Rand, an der unscharfen Peripherie, blüht der Sound bunter, überraschender und kompromissloser. Das kann mal so, mal so klingen. In seiner neuen Kolumne „Gärten der Welt“ unternimmt Christian Blumberg fortan regelmäßige Streifzüge durch genau diese Peripherien. Dieses Mal im Garten: Lucrecia Dalt, Kali Malone, Kagami und Berko.

Lucrecia Dalt - Artwork

Lucrecia Dalt – Anticlines

Nachweislich in einem Garten musiziert hat bereits Lucrecia Dalt, und zwar in dem von Gudrun Gut, die die Künstlerinnen ihres Labels Monika Enterprise letztes Jahr zu einer Großkollaboration auf ihren Uckermärkischen Landsitz lud. Dalt, die mal als Ingenieurin in Kolumbien im Bereich der Geotechnologie gearbeitet hat, lebt inzwischen in Berlin und tut, was in Berlin eigentlich alle tun: an Modularsynthesizern rumfummeln. Dalt aber kann man das verzeihen: Ihre minimalen und zum Teil wirklich ganz betörenden Patches geraten streng und vergleichsweise kühl. Die musikalischen Traditionslinien scheinen hier eher vom Post-Punk und New Wave her zu laufen. Dazu passt dann auch Dalts unnahbar performter Sprechgesang. „Anticlines“ ist eine leise, klanglich ganz und gar unmoderne Angelegenheit, deren Zeitlichkeits-Marker eher im Thematischen sitzen. Ihre Texte handeln von geologischen Phänomenen ebenso wie von Erzählungen aus indigenen Mythologien: aber nicht im Gegenspiel, sondern in einem Mit- bzw. Nebeneinander, bis die Dichotomien wanken.

Garten-Breaker
Kali Malone - Artwork

Kali Malone – Cast Of Mind

Musikalisch noch strenger hält es Kali Malone. Auf „Cast Of Mind“ spielt der Synthesizer (hier ein Buchla 200) oft nur die Nebenrolle. Im Zusammenspiel mit Holz- wie Blechbläsern droht er streckenweise fast zu verschwinden. Malone legt mit dieser Platte eine Art semi-akustische Kammermusik vor, die der Minimal Music genauso verpflichtet ist wie dem Kosmos des Mikrotonalen und der Drones. Die vier hier versammelten Tracks (im Genresprech: „Movements“) sind jedenfalls eher Landschaften denn Gärten.

Garten-Breaker
Kagami - Artwork

Kagami – s/t

Viel leichter ist dagegen die Musik von Kagami, die man zunächst auch für eine popmusikalische Ausgrabung aus Japan halten könnte. Polyrhythmische Percussion, schwebende Pads und pentatonische Melodien treffen auf die 80er lustvoll affirmierenden Drumcomputer – manchmal grüsst die sonische Hauntology des frühen Oneohtrix Point Never, aber in gut gelaunt. Dennoch bietet das Album nicht nur Anlass zur Freude: Wie man hört, soll es sich hier bedauerlicherweise um die letzte Veröffentlichung des Labels Root Strata handeln.

Garten-Breaker
Berko - Artwork

Berko – Help

Tatsächlich tragisch geht es bei Andrew Wilson aka Berko zu. Wilson folgt hier einer (ihm selbst offenbar nicht ganz geheuren) Faszination für YouTube-Videos, die Unglücke und Unfälle aller Art zeigen. Diese liefern das klangliche Ausgangsmaterial für Ambient-Musik, die überraschend schöngeistig klingt. Doch das Wissen um den durchaus morbid anmutenden Produktionsprozess bildet sozusagen den Stachel unter der friedfertigen Klangflächen von „Help“. Das Album erscheint bei Edições CN, dem Label von Lieven Martens, der übrigens - programmatischer Fun Fact - schon fast jeden botanischen Garten dieser Erde besucht hat.

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