Wochenend-WalkmanDiesmal mit Demdike Stare, Bruce und Connan Mockasin

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Brandneu, wieder entdeckt oder aus der Geschichtskiste ausgebuddelt. Heute mit Demdike Stare, Bruce und Connan Mockasin.

Demdike Stare Passion WWalkman 27102018

Demdike Stare – Passion

Thaddeus: Die Musik von Miles Whittaker und Sean Canty war von Beginn an schwer in Worte zu fassen. Zumindest für diejenigen, die in ihren Besprechungen nicht die überhitzten Buzzwords der hauntologischen Referenzmaschine einbauen wollten, die sich ob der generellen Überforderung natürlich als Fluchtweg angeboten hätten. Es geht um Sound. Vielmehr: So war es früher. Mit ihrer „Testpressing“-Reihe schulterten die beiden Briten später das Hackebeil und schmetterten es mit Effet in die Überbleibsel der Dance Music: wunderbar hoffnungslos. Ungefähr an dieser Stelle knüpft das neue Album an – neun Tracks, in die man so ziemlich alles hineinimaginieren kann, was man selbst in den vergangenen drei Jahrzehnten im Traum auf dem Dancefloor miterlebt hat. Demdike Stare spannen spindeldürre Fäden zwischen all den Tiefkellern, in denen genau diese Tanzflächen früher aufgebaut waren, Genre-übergreifende Mash-ups der Musikgeschichte, getarnt als Wasserstoffbomben eines auf Krawall gebürsteten Überfallkommandos mit fluoreszierenden Sturmmasken. Dabei ist es dem persönlichen Hintergrund der beiden Musiker geschuldet, dass die so große wie auch sehr offensichtliche Geste alles noch größer und alles andere als offensichtlich gerät. Vertrackte Details stoßen in jedem Track Türen in längst vergessene Momente auf, deren Sogwirkung früher viel wichtiger waren, als die vorne tänzelnden Beats. Es ist keine neue Idee, all diese Dinge von damals bis vorgestern neu zusammen zu denken und miteinander zu verwirken. Es kann nur eben niemand außer Demdike Stare. Denn um genau dies zu bewerkstelligen, braucht es Haltung, die schon längst verloren gegangen ist. Fast überall.

bruce sonder somatic walkman

Bruce – Sonder Somatic

Benedikt: Das vergangene Wochenende dürfte an diesem Walkman-Pick nicht ganz unschuldig sein. Ein recht kurzer Besuch bei der „Mannequin x Pan“-Nacht im Berghain, die Sets von Interstellar Funk und Objekt auf den Ohren, reichten jedenfalls aus, um mir irgendwie den Glauben an Techno zurückzugeben. Nicht, dass ich ihn je verloren hätte, aber trotzdem… Länger als 10 Minuten hielt an jenem Abend kein Vierviertel durch. Ein ständiges Brechen mit dem Vorherigen, mit den Erwartungen, mit der Konstanz, die Techno doch sonst zu versprechen versteht. So ein Sound ist natürlich auch anstrengend, für den sich im gebrochenen Rhythmus bewegenden Körper und Geist gleichermaßen. Deshalb findet so etwas dann auch nur am Freitag statt und hat keinen Platz im Rahmen der niemals enden wollenden Klubnacht am Samstag/Sonntag. Nach drei Stunden war bei mir jedenfalls Schluss. Ein glückliches Ende, dessen leichte Trübung nur dadurch zustande kam, dass ich weitere 1,5h an der Bar totschlagen musste, um auf den Kumpel mit dem Autoschlüssel zu warten, weil in dessen Karre mein Hab und Gut die Zeit überbrückte. An diesem Wochenende wird der letzte Freitag nun mit Bruce auf sanfte Weise fortgeführt. Dessen Album „Sonder Somatic“, gerade auf Hessle Audio erschienen, dockt nämlich ganz gut am Sound eines Objekt oder auch Arca und Batu an. Techno durch und durch und dekonstruiert, aber ebenso im UK Bass und Grime verwurzelt. Eiskalt von vorn bis hinten, treibend und auf den Leads die Schmerzgrenzen erprobend, aber mit durchgehendem Spaß an Rhythmik und Drum-Patterns. Echt. Toll.

Connan Mockasin Jassbusters Cover

Connan Mockasin – Jassbusters

Ji-Hun: Der aus Neuseeland stammende Musiker Connan Mockasin brauchte fünf Jahre, um einen Nachfolger für seinen Langspieler „Caramel“ zu produzieren. Eigentlich ist „Jassbusters“ aber als Soundtrack für den fünfteiligen Film „Bostyn ‘n Dobsyn“ konzipiert. Der Film basiert wiederum auf Comics und Kurzfilmen, die Mockasin vor über 20 Jahren gemacht hat. Und plötzlich erscheint diese Musik schon wieder in so vermeintlichen Gesamtkunstwerk-Kontexten, was es aber gar nicht braucht. Gerade der Umgang mit R’n’B, Prince und Soul gelingt ihm als Kiwi-Trockentoast wie kaum einem zweiten. Jassbusters heißt auch die Band in der fiktiven Filmserie, die wiederum von Connan Mockasin und seinen Bandkollegen gespielt wird. Alles so meta und verschwurbelt, und alles in allem eine sehr lässige und empfehlenswerte musikalische Angelegenheit. Jetzt müsste man nur noch den Film irgendwo finden und sehen.

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