Leseliste: 21. Juni 2015 - andere Medien, andere ThemenDie Wahrheit der Musikpiraterie, Stephen Curry, Die Toten kommen und Silicon Blues

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Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

Stephen Witt

Bild: Chad Griffith

##How Music Got Free
Es gibt ein neues Buch zur Geschichte der Musikpiraterie. Mal wieder. Stephen Witt, Journalist, versucht in „How Music Got Free“ das aufzuschreiben und zu kontextualisieren, woran zahlreiche andere Autoren in den vergangenen Jahren gescheitert sind. Warum begab sich die Musikindustrie wirklich auf Talfahrt? Wer war dafür verantwortlich? Oder was? Welche Technologien, welche Zufälle und welche Strategien? Witt wählt für sein Buch keine kulturtransformatorische Meta-Ebene aus Ausgangspunkt, sondern baut seine Version der Geschichte um drei Menschen: Doug Morris, Chef der Universal, Karlheinz Brandenburg, Erfinder der MP3-Kompression und Dell Glover, der über Jahre aus einer CD-Fabrik in den USA unveröffentlichte Alben mitgehen ließ und sie dann online stellte. Drei Menschen, die auf den ersten Blick nichts oder wenig miteinander zu tun haben, deren Entscheidungen sich aber immer wieder begegnen. Auch in Stephen Witts Leben. Die Buchbesprechung im Guardian bringt das Kuddelmuddel auf den Punkt.

„Die meiste Musik, die ich aus dem Netz zog, habe ich nicht einmal angehört.“

How Music Got Free

Stephen Curry Grantland NBA LL

##Über den neuen NBA-Star Stephen Curry
Die diesjährigen Finals in der NBA haben die Golden State Warriors aus Kalifornien gewonnen. Überragender Spieler der Mannschaft war dabei der 27-jährige Stephen Curry. Bei Stephen Curry steht zur Zeit die Basketball-Fachwelt Kopf. Der 1,91 m große Point Guard gilt als Erneuerer des Sports und seiner Helden. Das, was Lionel Messi für den Fußball ist, das ist Curry gerade für den Basketball. Dabei macht Curry keine spektakulären Dunks, sieht nicht hünenhaft wie ein Space-Jam-Monster aus und ist sonst auch das Gegenteil von Glam. Dafür macht er Dinge, die man zuvor noch nie gesehen hat und auch nach mehrmaliger Zeitlupe nicht versteht – ganz wie Messi. Dazu gehört vor allem seine unfassbar schnelle und präzise Schusstechnik. Der Sportjournalist Kirk Goldsberry hat sich die Bewegungsabläufe und Statistiken von Steph Curry genauer angeschaut und kommt dabei zu hoch trabenden Erkenntnissen:

„In the same way John Steinbeck built masterpieces from everyday language or Robert Rauschenberg constructed artwork out of popular culture signifiers, Curry is taking the familiar mechanics of shooting to incredible new heights, and he’s turning the basketball court inside out as he does it.“

Outsider Artist: Understanding the Beauty of Steph Curry’s Jumper

zfps

Videostill aus dem Crowdfunding-Video des Zentrums für Politische Schönheit

##The subaltern cannot speak
Wenn man mit Aktionen Diskurse über etwas schafft, das sonst nicht diskutiert würde, was aber wichtig ist, dann ist das erstmal gut. Dass es ohne Dramatik nicht geht in der Aufmerksamkeitsgesellschaft, hat Greenpeace schon in den 1980er-Jahren verstanden. Das „Zentrum für Politische Schönheit“ nutzt das Mittel der Dramatik für „sein“ Thema Flucht und Tod an der EU-Außengrenze sehr effektiv - „die Toten kommen“ bringt die individuelle Tragik von Flüchtlingsschicksalen auf die Agenda, wie es sonst nur noch Rekord-Flüchtlingszahlen schaffen. Doch so, wie diese Berichte Flüchtlinge immer nur in großen Gruppen, in Kameravorbeifahrten zeigen, geben auch die Aktionen des Zentrums ihnen und Angehörigen der Toten, die nach Berlin gekommen sind, keine eigene Stimme: Sie bleiben stumme Statisten, kritisiert Thomas Vorreyer. Eine am Ende doch typisch westliche Inszenierung?

„»Die Toten kommen« – das könnte genauso gut für eine neue Staffel von The Walking Dead oder Game Of Thrones über die Stadt tapeziert werden.“

Grenzen des Zynismus

##Hinterhof eines Mythos
Das gängige Bild des Silicon Valley: Sonnenlicht, das sich in großen Glasfronten vor dem Eingangsbereich weltbekannter Unternehmen widerspiegelt. Innovation, Erfolg. Das unbekannte Bild des Silicon Valley: die Schattenseiten, die dunklen Ecken, der Hinterhof. Nicht in Fernost, wo die Produkte, die hier für Milliardenumsätze sorgen, montiert werden, sondern mittendrin: Viele Menschen, die hier leben, können sich das Leben hier nicht mehr leisten. Das Auto wird zum Ersatzhaus, Notunterkünfte quellen über, und wer noch einen Job als Busfahrer bei Facebook hat, pendelt täglich stundenlang von der anderen Seite der Bucht, damit das Geld irgendwie reicht. Der Audiobeitrag „Silicon Blues“ blickt hinter Fassaden des Zentrums des digitalen Kapitalismus.

„Der soziale Abstieg kommt mitunter rasant: Eine Trennung, eine Firmenpleite oder ein Unfall können auch einen Aktienmillionär über Nacht zum Sozialfall machen.“

Silicon Blues

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Stars Of The Lid, Couch und Emika

„Pop steht uns“Im Interview: Funkstörung sind wieder da