We need to talk about dronesÜber das kommende Zeitalter der Drohnen

Spaxels 01

Foto: Christopher Sonnleitner

Drohnen, ob als Spielzeug oder Kriegsinstrument, sind schon heute kaum noch wegzudenken. Ferngesteuerte Flugroboter spielen in der Unterhaltungsindustrie und der Forschung eine immer größere Rolle, könnten aber auch dabei helfen, abgelegene Regionen der Welt ans Internet anzuschließen. Martina Mara, Medienpsychologin und Robotik-Forscherin am Ars Electronica Futurelab in Linz, erforscht die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine. Vor allem geht es ihr um die psychologischen Aspekte der Interaktion zwischen Robotern und Menschen. Und Drohnen sind für eine völlig neue Dimensionen in diesem Themenkomplex verantwortlich, über die gesprochen und diskutiert werden muss, meint sie. Denn anders, als viele denken, ist das Eindringen von Drohnen in unseren Alltag keine Zukunftsmusik mehr.

Am Ars Electronica arbeitet ihr seit einiger Zeit an einem eigenen Drohnen-Projekt namens Spaxels. Erzähl uns kurz, was ihr da genau macht.
Spaxels sind mit Leuchtdioden ausgestattete Quadcopter, die in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden können. Wir nennen sie von vornherein nicht Drohnen. Auch weil der Begriff bereits eng mit militärischen Anwendungen und Überwachung assoziiert wird. Damit wollen wir erstmal nichts zu tun haben. Vielmehr wollen wir alternative, auch schöne Einsatzgebiete von Quadcoptern/Drohnen aufzeigen. Wir experimentieren im künstlerischen Bereich, aber auch in der Forschung, verfolgen also verschiedene Entwicklungsstränge. Zum Beispiel haben wir spektakuläre Formationsflüge realisieren können. In London gab es zum Start des letzten Star-Trek-Films „Into Darkness“ eine Flugformation, die über den Nachthimmel flog. Die Quadcopter waren beleuchtet und so ist ein gigantisches Star-Trek-Logo zur Earth Hour neben der Tower Bridge über die Themse geflogen. Für uns ist das eigentlich eine Weiterentwicklung von Display-Technologien. Daher kommt auch der Name Spaxels. Es handelt sich um fliegende LED-Pixel, die im dreidimensionalen Raum funktionieren.

Wie viele Drohnen lassen sich denn zusammen organisieren?
Momentan bis zu 60 leuchtende Quadcopter gleichzeitig, nächstes Jahr sollen es mehr als 100 werden. Damit lassen sich faszinierende Figuren und Bewegungsabläufe im Himmel darstellen. Das gilt auch für Computerspiele, Pac Man haben wir schon ausprobiert. Spannend wird es, wenn das Ganze noch interaktiv wird. Daran arbeiten wir. Außerdem können Spaxels im Bereich Stadtplanung und Architektur genutzt werden. Bei einem geplanten Brückenbau könnten so bereits verschiedene Designs vor Ort visualisiert und ausprobiert werden. Ein letztes Thema wäre dann noch die Landwirtschaft. Durch den Einsatz von Quadcoptern können punktgenau Samen oder Düngemittel ausgestreut werden. Das könnte die Kultivierung von Feldern verändern, da man mit wenig Aufwand viel genauer und vielleicht auch komplexer und diversifizierter Ackerbau betreiben kann.

Wie muss man heute über Drohnen sprechen?
Die Entwicklung ist heute ja bereits deutlich fortgeschrittener, als es die breite Öffentlichkeit weiß. Ich beschäftige mich regelmäßig mit den Akzeptanzproblematiken, die bei humanoiden Robotern auftauchen können. Da ist es ganz ähnlich. Für die meisten ist es einfach Science Fiction, dabei gibt es bereits so viele Roboter, die prototypisch für unterschiedliche Anwendungen getestet werden. Die Investitionen sind hoch, es werden Fördermittel vergeben, wir brauchen dringend einen umfangreicheren Diskurs darüber. Was möchte man mit den neuen Technologien eigentlich? Wie kann man diese positiv nutzen? Und wollen wir das überhaupt?

Im Moment ist es wichtig herauszufinden, wie man im öffentlichen Raum mit Drohnen interagieren und kommunizieren kann. Dass in Zukunft immer mehr Drohnen auftauchen werden, liegt auf der Hand. Woher weiß ich also, wohin eine Drohne fliegt? Sieht sie mich? Kann ich durch Gesten mit autonomen Robotern „reden“? Oder ist die verbale Kommunikation vielleicht besser? Das sind Fragen, die uns ebenfalls beschäftigen.

Portrait Martina Mara

Geht auch ohne Drohne: Martina Mara mit einem sogenannten Telenoid. | Foto: Dominic Gigler

Drohnen sind sehr vielseitig nutzbar. Man kann sie für Filmaufnahmen genauso einsetzen wie für die polizeiliche Überwachung. Drohnen sind in der Logistik-Branche genau so ein Thema wie als Spielzeug. Facebook und Google forschen daran, Internet-Verbindung an entlegenen Orten zur Verfügung zu stellen. Gibt es irgendeinen Bereich, der nicht durch Drohnen „infiziert“ werden könnte? Kürzlich gab es den ersten Drohnen-Porno. Man müsste doch vom Zeitalter der Drohnen sprechen.
Das zeigt ja nur, wie schwierig und komplex das Thema ist. Es gibt wirklich kaum einen Lebensbereich, in dem man sich keine Drohnen vorstellen könnte. Das gilt zum Beispiel auch für zu Hause: Dazu muss man wissen, dass Drohnen in sehr unterschiedlichen Größen auftauchen können. Es gibt Konzepte von Mikro-Drohnen, die als Schwarm in Wohnungen unterwegs sind, um zum Beispiel Staub von den Decken zu holen. Wie ganz viele, kleine, fliegende Putzerfische muss man sich das vorstellen. Oder man hat eine größere Drohne, die dir hilft, den Einkauf nach Hause zu tragen. Im Moment gibt es noch einige technische Limitierungen. Belastung spielt da genauso eine Rolle wie die maximale Reichweite, sprich Batterielaufzeiten oder die fehlende Präzision. Aber auch solche Probleme wird man bald beheben können. Firmen wie Amazon werden sich ihre Gedanken machen müssen, wenn sie auch schwerere Pakete an ihre Kunden liefern wollen. Das dürfte aber alles nur eine Frage der Zeit sein.

Was auf jeden Fall neu wäre, ist die neue Vernetzung des Luftraums. Vielleicht kann man sogar von einer Demokratisierung des Luftraums sprechen. Darüber hat sich noch niemand so richtig Gedanken gemacht, oder?
Das ist ein sehr spannender Ansatz. Die Welt lässt sich nicht in Schwarz und Weiß aufteilen und wie bei allen neuen Medien tauchen neue Diskurse auf. Zunächst hat auch die Drohne keine festgeschriebene Intention, ganz wie bei anderen Medien auch. Wie definiert man den Einsatz von Drohnen? Für den Einzelnen könnte man es als eine Art Körpererweiterung betrachten. Das impliziert gänzlich neue Perspektiven, auch im wörtlichen Sinne eines neuen räumlichen Blicks. Es geht aber auch um Ermächtigungsstrategien, Zugang zu Bereichen, zu denen ich bislang eigentlich keinen Zugriff hatte. Sei es der Hof hinterm Supermarkt, um zu sehen, wie viel wirklich am Tag an frischen Lebensmitteln weggeworfen wird, aber auch Gefängnisse oder Kraftwerke.

Mit einer Kameradrohne in Gegenden hineinzufliegen, wo du normalerweise nicht hin dürftest, würde dich also reizen?
Ja. Dich nicht?

Durchaus. Wobei man sich dabei natürlich fragen muss, ob einem das selbst auch recht wäre. In so einer Art und Weise beobachtet zu werden.
Darum geht es ja. Das ist die Problematik.

Wie kann ich wissen, was welche Drohne am Himmel gerade genau macht? Ist es eine private Drohne, eine die mich überwacht oder eine, die gerade Pizza liefert? Oder gar die, die mich unter der Dusche ausspähen will?
Genau deshalb ist es so wichtig, darüber zu sprechen. Es geht um die psychologische Perspektive. Auch bei den Experimenten mit unseren Spaxels stellen wir immer wieder fest, dass die Menschen einerseits fasziniert sind, andererseits die schwarmgesteuerten Lichter am Himmel aber auch etwas gruselig finden, wenn sie nicht wissen, was dahintersteckt. Drohnen werden mitunter als unheimlich empfunden. Und es ist in der Tat schwierig zu sehen, welche Intention eine Drohne hat. Solche Unsicherheiten sind für Menschen schwierig zu handhaben. Eigentlich möchte ich auf dem ersten Blick wissen, was gerade passiert. Benutzt man zum Beispiel farbige Codes als Erkennungsmerkmal?

In der Psychologie gibt es Experimente mit Insekten und Spinnentieren. Wieso sind gerade Spinnen so furchteinflößend? Oft tritt nämlich das Gefühl der Angst ein, wenn man keine Erwartungshaltung ausbilden kann. Wenn man nicht weiß, was das Tier eigentlich gerade vor hat, in welche Richtung es sich bewegen wird. Bei Drohnen ist das ähnlich. Steuert ein Mensch die Drohne? Wenn ja, wo ist der? In der Nähe der Drohne oder vielleicht am anderen Ende der Welt oder fliegt sie gar autonom? Bei autonomen Autos gibt es das Problem auch, dort allerdings sind die Anwendungsgebiete homogener. In Zukunft wird es also um Normierungen und Codierungen gehen. Dinge, die man öffentlich diskutieren muss. Wie kann so ein Regelwerk aussehen? Ab wann machen Restriktionen Sinn? Was darf die Polizei, was darf man als Einzelperson? Das ist alles noch nicht ausformuliert.

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Spaxels in Aktion. Jeder der einzelnen Lichtpunkte ist eine autonome Drohne | Foto: Tom Mesic

Sollte man erstmal eine Laissez-faire-Politik fahren?
Das kann ich nur persönlich beantworten, da ich auch weder Juristin noch Politikerin bin. Aber ich denke an die Anfangszeit des Internets, wo auch vieles nicht reguliert wurde. Aber vielleicht gilt es herauszufinden, was Menschen mit so einer Technologie zunächst machen oder machen würden. Wie nutzen Maker, Hacker und die DIY-Community Drohnen? Dabei kann viel Positives und Konstruktives entstehen. Ob man im Gegenzug der Politik und dem Staat einen Freifahrtschein für die Nutzung von Drohnen überlassen will, wage ich hingegen zu bezweifeln. Da würde ich mir eine schnelle Regulierung wünschen. Es kann ja nicht sein, dass die Polizei beim leisesten Verdacht eine Drohne in mein Schlafzimmer schickt.

Jetzt haben wir schon oft den Vergleich mit dem Internet bemüht. Ich sehe aber einen Unterschied darin, was die Fehlbarkeit von Technologien anbetrifft. Wenn bei mir das Netz für eine Stunde nicht funktioniert, ist es unter Umständen verkraftbar. Wenn aber eine Drohne ausfällt, abstürzt und meinetwegen einer alten Dame auf den Kopf fällt oder einen Verkehrsunfall verursacht, dann dürfte auch die Politik anders reagieren.
Ähnliche Diskussionen gibt es bei autonomen Autos. Hersteller sorgen sich darum, was passiert, wenn das System doch mal ausfällt und einen Unfall verursacht. Ob es dann nicht schnell wieder mit selbstfahrenden Autos vorbei sein könnte. Dabei könnte man ja statistisch belegen, dass autonome Autos sicherer fahren. Das ist bei Flugzeugen ja nicht anders. Bei solchen Diskussionen ist wichtig, dass man alle Bereiche solcher Medien berücksichtigt. Drohnen können zum Beispiel in Katastrophensituationen wichtige Dienste leisten. Solche Aspekte und Potentiale müssen in der Bewertung auch eine Rolle spielen.

Wie siehst du die Tendenz, dass sich die großen Technologie-Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon verstärkt in den Sektor einkaufen? Google hat einen riesigen NASA-Hangar gepachtet, um mit Drohnen experimentieren zu können. Auch Boston Dynamics, eine Roboterfirma, die bislang dem US-Militär gehörte, wurde von ihnen übernommen.
Gerade die Übernahme von Boston Dynamics durch Google wurde viel zu wenig rezipiert. Als Medienpsychologin möchte ich nicht alleine beurteilen, was man zulassen darf und was nicht. Disziplinen wie Ethik allerdings spielen momentan noch so gut wie keine Rolle und das sollte sich ändern. Mich persönlich erschreckt es aber schon, wenn so große Firmen militärassoziierte Unternehmen übernehmen und möglicherweise auch vorhaben, in dieser Richtung weiter zu forschen. Zwar wird argumentiert, dass man solche Technologien für Logistik und Distribution nutzen will. Wirklich wissen tun es im Moment die Wenigsten.

Oder wird der Luftraum zu leichtfertig hergegeben? Mich erinnert das bisweilen an das Fracking-Phänomen in den USA, wo riesige, unterirdische Landstriche an Firmen wie Shell verkauft werden. Die Menschen, die darüber wohnen, wissen zumeist nichts von ihrer Situation.
Da kann ich wieder nur mit der Ermächtigung solcher Technologien argumentieren. Es wird immer Möglichkeiten geben, alternative Einsatzgebiete zu schaffen. Es geht aber auch darum, dass andere Situationen der Sichtbarkeit geschaffen werden. Durch Drohnen könnten sich Menschen anders verhalten, da man nie sicher weiß, ob man gerade beobachtet wird oder nicht. Solch eine Situation könnte eine Art voreiligen Gehorsam herbeiführen. Nur nichts falsch machen, es könnte schließlich beobachtet werden. Ein Phänomen, das in ähnlicher Form bereits Michel Foucault mit der Theorie des Panoptikums von Jeremy Bentham geschildert hat. Drohnen schaffen außerdem eine Sicht von Oben, eine Art Gottesperspektive. Das könnte andere Implikationen schaffen, als wenn man auf Augenhöhe durch Google Glass getrackt wird. Der neue Beobachtungswinkel erzeugt quasi eine Art Dehumanisierung. Bei Groß-Events, die mit Drohnen gefilmt werden, sieht man das ganz gut. Das sind neue, fast unheimliche Bilder. Wenn Menschenansammlungen eher als Schwarm oder als Muster abgebildet werden.

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