Tumblr-Harfen mit DopplereffektGrouper, Beach House, Eartheater – drei Alben, drei Meinungen

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Die laute Stille von Grouper, der im Wurmloch der Geschichte feststeckende Indie von Beach House und die irritierend mäandernde Suche nach der Körperlichkeit im Digitalen von Eartheater – was soll da schon schiefgehen? So schnallen sich Blumberg, Cornils und Herrmann Hand in Hand auf der Abschussrampe der Weltabgewandtheit fest, verfransen sich in den French-Touch-Presets des Magix Music Makers, raffen ihre Teenager-Träume zusammen und landen schließlich leicht taumelnd in einem Ausstellungskatalog des Unfertigen.

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Grouper, Grid Of Points, ist auf Kranky erschienen.

Grouper – Grid Of Points

Kristoffer: Okay, jetzt sitzen wir hier alle – übermüdet, gestresst, vom Leben gebeutelt und draußen regnet’s auch noch. Ist doch eigentlich perfekt, oder? Liz Harris macht ja seit jeher Balsam-Musik. Ich muss mich ja von Anfang an als befangen erkenntlich geben: Grouper kann alles machen, ich find’s geil. Und ihr so?

Thaddeus: Befangene Kollegen sind mir die allerliebsten, gerade wenn es um Musik geht. Ich kann in diese Platte auch ganz wunderbar reinköppern. Dazu muss es gar nicht regnen – ich mag die sehr. Bisschen kurz! Aber vielleicht liegt darin ja genau der Reiz. Eine ultrakonzentrierte Ansage, ohne dabei besonders konzentriert zu sein. Und natürlich auch keine Ansage. Dinge, die raus müssen, kommen eben irgendwann raus.

Christian: Seit Harris’ erstem Album „Way Their Crept“, das aus Hall und vokalen Überlagerungen bestand, höre ich Grouper immer eher als Produzentin von Ambient denn als Songwriterin – auch jetzt noch, wo sie doch schon lange eindeutig Songs schreibt. Ich verstehe bei ihr nach wie vor fast keine Textzeile. Das ist vielleicht auch ein Segen und Grund, warum Grouper für mich fast immer funktioniert. Es gibt ja inzwischen einige Copycats, bei denen mir dieses Ätherische und der viele Hall – also eigentlich Grouper-Trademarks – ganz schnell auf die Nerven geht. Bei Harris nicht. Aber warum ist das so?

Kristoffer: Was Harris hinbekommt, ist die Ausgewogenheit zwischen dem Ätherischen einerseits und brachialer Intimität andererseits. Songstrukturen sind in ihrem Werk nicht erst seit gestern zu hören, und auch auf der letzten, ganz grandiosen Platte für kranky – „Ruins“ – waren dann doch mal zwei längere Geräuschtracks dabei. Das macht sie eben aus. Sie verfolgt keinen Entweder/Oder-Existenzialismus, sondern findet im Und die Mitte. So auch hier: 21 Minuten ist das Ding lang, in anderthalb Wochen oder so geschrieben und aufgenommen, wenn ich mich recht an den Pressetext erinnere. Sehr salbungsvoll alles, aber gleichzeitig sehr roh.

Thaddeus: Du sprichst von der Ausgewogenheit zwischen dem Ätherischen und der Intimität. Das sind ja zwei Dinge, die sich auf den ersten Blick oft bedingen, zumindest fühlt es sich so an. Aber du differenzierst da?

„Grouper entzieht sich beständig, ist aber dennoch wunderschön gespenstisch nah dran.“

Kristoffer: Ja! Ich meine ätherisch hier im Sinne von flüchtig und denke, dass Christian dasselbe meinte. Denn tatsächlich: Diese Musik fließt, floss schon immer an mir vorbei. Ich könnte keine einzige Zeile aus dem Grouper-Gesamtwerk zitieren, selbst von meinen eher Song-orientierten Lieblingen – mir fällt gerade nicht mal ein Titel ein! Grouper entzieht sich beständig, ist aber dennoch wunderschön gespenstisch nah dran. Das erlaubt eine merkwürdige Bindung zu ihrem Werk als Künstlerin, hinter welcher die Person jedoch total verschwimmt. Und was ich ja sowieso glaube: Die meint so manches nicht ernst. Gerade nämlich das Eso-Gehabe, das so viele der Copycats oder ähnlich gelagerten Acts verfolgen, wird durchaus mal durcheinandergeworfen. Das eben ist es auch, was ich mit dem Ätherischen meine.

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Liz Harris. Foto: Yellow Electric

Christian: Gespenstisch, ätherisch – da steckt ja auch eine gewisse Weltabgewandtheit drin oder etwas Unnahbares. Dass das Unnahbare dann aber trotzdem auch so intim gerät, scheint mir bei Grouper sehr besonders. Übrigens toll, dass wir uns jetzt eigentlich über sprachliche Feinheiten unterhalten, obwohl die Sprache bei Grouper keine Rolle spielt.

Thaddeus: Wer aus dem Hall zu uns spricht … sollte man dem trauen oder eher nicht? Frage ich mal so in die Runde. Zuerst möchte aber, dass Kristoffer die Copycats droppt. Wir sind doch hier unter uns.

Kristoffer: Puh, Schall und Rauch! Ich erinnere mich da an so Gruppen wie Slaves oder Acts auf Helen Scarsdale eventuell, die schnell mit Ähnlichem um die Ecke kamen. Oder Birds of Passage auf Denovali etwa, da wird mit relativ ähnlichen Stilmitteln gearbeitet. Drone Pop, Drone Folk, ist das ein Genre? Nein. Und ja, ich würde Harris aus dem Hall raus vertrauen, weil sie mir ja gar nichts verspricht. So sehr mich diese Musik immer wieder reinzieht, sie fordert nichts und gibt nichts vor. Da herrscht eine große, schöne Unverbindlichkeit. Das lässt sich als weltabgewandt interpretieren, ich finde das aber allein in Hinsicht auf die Verwendung von Field Recordings so gar nicht. Da wird immer viel Welt mit reingenommen und das nicht auf die effekthascherische Art. Der ganze Tröpfelregensound, der in solcher Musik schnell mal die Atmo stellen soll, das ist bei Grouper nicht sonderlich oft zu finden. Diese Platte hier endet zum Beispiel auf einem Zug, der durch die Gegend dopplereffektet. Das ist auf seine Art zwar auch sehr on the nose, wirkt aber nach dem emotionalen Dauer-Close-Up doch sehr kathartisch. Da wird sich im Abfahren wieder auf etwas zubewegt. Das ist doch eine schöne Geste!

Thaddeus: Bevor wir uns in den zwar wichtigen Details verlieren, warum uns diese Platte hier nun so berührt und wo die wirklich entscheidenden Details zu ähnlichen Entwürfen liegen, die wir gemeinschaftlich als lapidar und eben copy-cattig abtun würden, schwenken wir lieber rüber zu Beach House. Die machen ja nun seit Jahren immer die gleiche Platte.

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Beach House, 7, ist auf Bella Union erschienen.

Beach House – 7

Thaddeus: Ihr erwischt mich ja in meiner Cocteau-Twins-Phase, konkret „Heaven Or Las Vegas“ höre ich zur Zeit rauf und runter. Und auch wenn beide Bands eigentlich gar nichts miteinander zu tun, sind sie auf schwer zu definierende Art und Weise der gleichen Tradition verpflichtet. Zudem passt es noch an einer anderen Stelle: Das Label „Bella Union“ wird vom Cocteau Twin Simon Raymonde gemacht. Dieses Album hier, das ist wie ein Megamix der britischen Indiekultur der letzten 30 Jahre aus einer ganz bestimmten Richtung. Ich war da lange unterwegs und fühle mich hier pudelwohl. Auch wenn ich die Produktion ein bisschen mau finde.

Kristoffer: Du denkst an den Megamix, ich eher an „Bravo Hits“.

Thaddeus: Das kulturell falsch verstandene, weil importierte Best-of?

Kristoffer: Ja, auch. Klar: Das sind keine Original-Brits. Und da steckt nebenbei natürlich noch – meine ich zumindest – ein bisschen M83-Stadionanspruch mit drin. Air lugen ums Eck. Ein kleiner French Touch ist da in jedem Fall zu hören, allein schon in den teilweise mal französischen Lyrics. Natürlich: Ich liebe Cocteau Twins, Slowdive, My Bloody Valentine und so weiter – alle hier Blaupause – auf ihre Art ebenso. Aber wo ich eine Slowdive-Reunion anno 2017 beziehungsweise 2018 noch irgendwie gutheißen kann, weil dann Simon Scott endlich wieder genug Kohle für weirden Solo-Kram hat, weiß ich hier halt echt nicht, was das soll. Ich erinnere mich, schon mal Beach-House-Alben gut gefunden zu haben. Dieses hier aber nicht. Es erscheint mir unzusammenhängend und vor allem viel zu lang. Das dauert doch drei Stunden, sich das durchzuhören!

„Für mich steht „7“ auf eine eher ungute Weise aber auch paradigmatisch für den überwiegend desolaten Status von Indierock.“

Christian: Mindestens. Dieser Eindruck ist aber wohl gewollt, schließlich hat hier jedes Stück das gleiche Tempo und auch die gleiche, äh, Stimmung. Für mich steht „7“ auf eine eher ungute Weise aber auch paradigmatisch für den überwiegend desolaten Status von Indierock. Der hat sich ja in seiner sozusagen postmodernen Phase in den Nullerjahren – als er so durchlässig wurde für andere Musiken und Klänge – als Genre quasi selbst wegtranszendiert. Was übrig blieb – also das, was sich heute immer noch als Indierock verschlagworten lässt – ist oft eine ziemlich durchkonventionalisierte Retro-Veranstaltung. Da sind musikalische Ideen, die seit 20, 30 Jahren in der Welt sind und einfach immer wieder neu umgesetzt werden. So ist es eben auch bei Beach House. Kristoffer hatte ja schon Referenzen gedroppt. Bei einem gefühlt dreistündigen Album mutet das schon recht ideenlos an.

Thaddeus: Ist in diesem Fall aber dennoch schlüssig, wie ich finde. Das allein ist schon viel wert. Ob man nun immer wieder die gleiche Platte hören will (wir) oder aufnehmen muss (die), das sei mal dahingestellt. Aber ich finde es hier fast besser, dass sich die Band so entschieden hat und gar nicht erst versucht, mal aus einem anderen Fenster zu schauen. Ey: Die haben ja nicht mal die Einstellungen am Mischpult in den letzten fünf Jahren verändert. Die Referenzen, die gefallen sind, die verstehe ich, kann sie nachvollziehen, höre sie aber tatsächlich nicht. Und genau das macht für mich den Reiz an diese Platte aus. Reiz. Großes Wort, aber doch: Ich höre da auch einen Trademark-Sound nach dem nächsten, Produktionstechniken, Ideen in den Mixes: Das haben Beach House alles nicht erfunden, aber doch zu einem irgendwie geartetem Eigenen verwoben. Ist doch schön.

Beach House Porträt

Alex Scally & Victoria Legrand. Foto: Liz Flyntz

Kristoffer: Da stand ein Mischpult im Raum, als die das aufgenommen haben? Für mich klingt das streckenweise nach Magix Music Maker. Ernsthaft, sorry, Thaddi – geht’s dir gut?

Thaddeus: Diese Snaredrum ist ganz doll furchtbar. Sonst geht’s so geht so hier, danke!

Kristoffer: Gut zu hören. Ich glaube, ich weiß aber, was du meinst: Da wird schon was versucht, deswegen aber klingt das Album recht heterogen im Gesamten. Lässt sich bestimmt mögen, erweckt bei mir aber eher den Eindruck von Zerrissenheit. Dem Retro-Vorwurf von Christian will ich allerdings auch nicht so recht zustimmen. Das erscheint mir etwas genügsam. Vor allem, wenn die Arctic Monkeys wieder da sind, was ja weitaus schlimmer ist. Ich finde diese Referenzverwertung jetzt nicht unbedingt verwerflich. Aber ich weiß auch nicht so recht, was das alles soll. Da wird für mich keine Haltung formuliert, wo eine sein sollte, oder wo sie zumindest angedeutet wird. Hin und wieder gibt’s so Gude-Laune-Passagen in den Lyrics, die sind aber bestimmt nicht komplett ernst gemeint. Allerdings weiß ich dann wiederum nicht, wie viele Layer Ironie dort drauf pappen. Sind die jetzt schlecht drauf, oder wie?

Christian: Ist das Ironie, wenn man alle zwei Jahre die gleiche trantütige Platte aufnimmt? Übrigens gefiel mir „Teen Dream“ 2010 wahnsinnig gut, aber seitdem laufen sich Beach House für mein Gefühl ständig selbst hinterher.

Thaddeus: Erinnert ihr euch nicht mehr an das letzte Album? Mit diesen schweren – in diesem Fall stimmt die Referenz – MBV-Verwerfungen, die dann von so pseudo-trappigen Snare-Triolen abgelöst wurde? Das war gruselig.

„Beach House haben für mich etwas Erdrückendes.“

Kristoffer: Ich hab’s gehört, ganz sicher. Aber ich erinnere mich gar nicht dran, so wie ich mich hier auch schon beim zweiten Song nicht mehr an den ersten erinnere. Im Grunde geht es mir mit Beach House ähnlich wie mit Grouper, nur geht das Rezept – das durchaus nicht unähnlich ist, oder? – für mich nicht auf. Weil Beach House für mich etwas Erdrückendes haben. Ich sehe da schon, allein im Bandnamen, ein gewisses Angebot formuliert, und das lautet Eskapismus. Klar, das klingt wieder brutal wertend, so ist es allerdings nicht gemeint. Eskapismus kann ja klasse sein. Nur kann ich hiermit nirgendwohin fliehen, scheint mir. Es gibt aus dieser Musik, mit dieser Musik keinen Ausweg. Aber vielleicht versteh ich’s auch falsch? Vielleicht geht’s mir nicht gut und denen schon und deshalb klappt’s nicht?

Thaddeus: Lass uns schnell zum P.A.-Verleih flitzen und einen Moonflower holen und aufstellen. Vielleicht schnackelt es ja dann, wenn der Strand so regenbogig wabert.

Kristoffer: Ich wünschte, ich hätte solche Assoziationen zu dieser Musik! Habe ich aber nicht. Leg nochmal die „Heaven or Las Vegas“ auf, bitte, da lässt’s sich besser zu wegträumen.

Thaddeus: Das auf jeden Fall.

Kristoffer: Und wovon träumt Christian?

Christian: Hmm?

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Eartheater, IRISIRI, ist auf Pan erschienen.

Eartheater – IRISIRI

Christian: Ich versuche es mal mit einem Bild. Das Album von Beach House kann man sich wie eine Landebahn vorstellen, „IRISIRI“ wäre dagegen eher eine schmale Serpentinenstraße. Das hier ist eine komplett am Rechner produzierte Platte, da ist mal eine seltsame 40er-Jahre-Soundtrackhaftigkeit reinemuliert, alles glänzend und glatt. Und dann scheppert es auf einmal los und wird streckenweise zu einer Art Mumblecore-Adaption. Hier ist alles wahnsinnig offen und ungeklärt. Und das imponiert mir.

Kristoffer: Harfen, Streichersülze, Liturgy-Samples mit Björk zusammengebracht – ja, äh, ambitioniert. Dabei aber manchmal ein bisschen übers Ziel hinaus, oder? Ich will dieses Album mögen von seiner Idee her, finde es aber merkwürdig outdated. Es ist eine Platte, die musikalisch sehr tumblr-mäßig vorgeht und dennoch ihren ganz eigenen Ansatz verfolgen möchte. Das finde ich in seinem Versuch toll, die Ausführung lässt mich aber über weite Strecken kalt. Kurzum: inhaltlich-konzeptuell geil, sonst naja, hm, schwierig. Schade eigentlich, ich hatte mir recht viel erhofft.

„Ein sehr meta-mäßiger Witz, der wahrscheinlich nicht mal witzig und schon gar nicht meta gemeint ist.“

Thaddeus: Wie jetzt zum Beispiel bei „Not Worried“ plötzlich so abstrahierte Clicks’n’Cuts durchfahren, die aber in diesem Moment einfach gar keinen Sinn machen. Das ist ja mitunter sehr erfrischend: Dinge, an die sich niemand mehr erinnert, noch extra zu dekontextualisieren und etwas Neues damit anzustellen. Aber auch ein sehr meta-mäßiger Witz, der wahrscheinlich nicht mal witzig und schon gar nicht meta gemeint ist. Ich finde das Album über weite Strecken einfach überambitioniert. Das ist neutral genug.

Kristoffer: Christian, ich hatte eigentlich gedacht, die Platte könnte was für dich sein. Sie erinnert mich streckenweise an Hype Williams, von denen du ja großer Fan warst und bist.

Christian: Finde die auch super. Ich würde vorschlagen, sie zunächst gar nicht auf Meta-Ebenen hin zu hören, sondern erstmal als den Prozess eines musikalischen Formulierens zu begreifen. Das ist eben unfertig, vielleicht auch nicht schlüssig, deshalb interessiert die mich erstmal per se. Ganz banal: Es wäre beispielsweise schlicht unmöglich, sich eine passende Situation zum Hören dieser Platte auszumalen. Man muss da quasi mitarbeiten beim Hören.

Kristoffer: Aber zwingt uns das nicht auf die Meta-Ebene?

Thaddeus: Nicht, wenn wir uns das im weich gepolsterten Kosmos der kulturgeförderten Installations-Szene auf 7.1 im Dunkeln anhörten. Dann nicht. Nein.

Eartheater Porträt

Foto: Samantha West

Kristoffer: Okay. Dennoch würde ich zumindest aber mal auf die inhaltliche Ebene gehen: Ich denke, auf „IRISIRI“ geht es Drewchin um das, was Jenny Hval – deren Performance-basierten Ansätze mir hier und dort widerhallen zu scheinen – als „no-bodies“ bezeichnet hat. Wenn ich die Lyrics richtig im Kontext der Musik verstehe – und wann tue ich das schon –, dann will hier aus einer feministischen Perspektive im digitalen Überschwall etwas zurückgewonnen werden. Körperlichkeit vor allem. Eartheater-Konzerte sollen toll sein. Allerdings glaube ich im selben Zug auch nicht, dass hier eine Graswurzel-Bewegung verfolgt werden soll. Eher eine Synthese auf unsicherem Grund. Körperlichkeit, vor allem Weiblichkeit, im cleanen Raum des Digitalen neu definieren – die Richtung. Bestimmte Instrumente wie die immer wieder einsetzende Harfe sind ja beispielsweise extrem weiblich konnotiert. Alice Coltrane, Joanna Newsom, Marry Lattimore, um mal kurz die Pop-Geschichte dazu abzureißen. Ich denke, das soll konfrontiert, vielleicht transformiert werden. In der Hinsicht macht zum Beispiel auch dieses Björk-Sample – ich glaube, es ist eins – gegen Ende Sinn, das gegen ein Sample von – wieder: ich glaube – der Black-Metal-Band Liturgy gestellt wird. Da werden viele neue Konzepte aufgerufen und gegen eine bestimmte Traditionslinie quergestellt. Was wiederum nicht unbedingt ein neues Verfahren ist. Wie gesagt: In konzeptueller Hinsicht finde ich das geil. Nur anhören brauche ich es mir nicht unbedingt. Reich’ mir doch mal jemand den Ausstellungskatalog!

„Hier wird Unbehagen formuliert.“

Christian: Nochmal zurück zur Harfe. Es gibt hier zwar Textzeilen, in denen man die „body politics“ eigentlich nicht überhören kann – leider sind die Texte an mir dennoch ziemlich vorbeigegangen, vielleicht wegen Drewchins lautmalerischen Umgangs mit Vocals. Aber es funktioniert auch rein klanglich. Diese Süßlichkeit, dazu gehört ja diese Harfe, das ist ja etwas, in dem man eine traditionelle Vorstellung von Weiblichkeit erkennen könnte. Diese Elemente werden aber ständig gebrochen, etwa durch sehr schnelle und harte Bassdrums, durch Disharmonie, durch Sirenen. Es wird sofort erkennbar, dass sich hier ein Unbehagen formuliert.

Kristoffer: Ja, das ist durchaus ein Gefühl, das sich einstellt. Das finde ich tatsächlich auch sehr gut, es rüttelt etwas gegen die eigene Hörbequemlichkeit auf. Dennoch: Der geilste Track hier ist für mich das Moor-Mother-Feature, eben weil es genau das hat, was vielen der konzeptuell ausgelegten Stücke abgeht – Flow. Moor Mother könnte vermutlich auf Warteschleifenmusik rappen und ich würd’s kaufen. Aber irgendwie finde ich das schade: Der einzige Track, der für mich funktioniert, läuft noch nach relativ klassischen Standards ab. Womöglich bin wieder nur ich allein das Problem.

„Drewchin wagt hier eine ganze Menge. Dass das nicht konstant aufgeht, ist vielleicht gar keine Überraschung.“

Thaddeus: Ich habe dieses Gefühl immer wieder auf der ganzen Platte. Manchmal stimmt dann plötzlich alles, da passt alles zusammen und es ergibt Sinn. Dabei habe ich gar nicht die eher wohltönenden Passagen im Kopf, eher im Gegenteil. Drewchin wagt hier eine ganze Menge. Dass das nicht konstant aufgeht, ist vielleicht gar keine Überraschung. Mich überrascht eher, dass sie das bewusst so laufen lässt und nicht ab und an gegensteuert. Sie hat schon einen Plan, würde ich attestieren.

Kristoffer: Unbedingt, und das allein ist schon bewundernswert! Diese Konsequenz, mit der sie diese Platte durchzieht, die findet sich anderswo kaum. Vielleicht bei Grouper, aber natürlich auf komplett anderer Ebene. Nur habe ich zu der Ebene, auf der Drewchin sich bewegt, selten Zugang. Und fast glaube ich, dass das Problem dabei tatsächlich bei mir liegen könnte. Entweder bin ich zu konservativ, oder ich erwarte einfach noch viel mehr, viel zu viel.

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