Wochenend-WalkmanDiesmal mit Dial Records, Renaat Vandepapeliere, Low Budget Aliens

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Dial Records, Renaat Vandepapeliere, Low Budget Aliens.

DIAL 2020 I Cover

Various Artists – DIAL 2020 (I)

Ji-Hun: Es gibt für mich kein elektronisches Label, das ich so sehr mit der Stadt Hamburg verbinde wie Dial. Dank Dial habe ich verstanden, dass House und Techno nicht nur zeitlose Deepness und Eleganz als ständige Maxime haben können, sondern dass das alles auch politisch sein kann. Dass Tanzen mit Antifa, moddigen Anoraks, zugeknöpften Hemden, Golden Pudel und Punk wie bei den Goldenen Zitronen oder einem Label wie L’Age d’Or zusammengehen kann. Das Label hat die Musik und die Szene sehr geprägt, auch wenn der Output in den vergangenen Jahren weniger wurde und Lawrence (Pete Kersten) und Carsten Jost (David Lieske) sich mehr Themen wie der Kunst (Mathew Gallery) widmeten. Wer weiß, ob es Clubs wie das IfZ oder ://about blank ohne jene Pionierarbeit so geben würde. Nun feiert Dial 20-jähriges Bestehen. Was für eine schillernde Ewigkeit. Herzlichen Glückwunsch, und danke für die viele tolle Musik und wichtigen Momente. Artists wie Efdemin, John Roberts, Pantha du Prince und Roman Flügel wurden hier groß. Dann wären auch noch die Sublabes Laid und Skywalking – und Smallville ist auch nicht weit weg. Im Jubiläumsjahr passiert im Hause Dial, das seit Jahren in Berlin sitzt, wieder eine Menge. Erst erschien das Album „Genuine Silk“ von Soela. Nun der erste Teil der Compilation DIAL 2020. Im September wird zudem das Debüt-Album von XDB erscheinen. Die Tracks sind auf Teil 1 von Lanoche, Molly, Joey Anderson, XDB, Mary Yalex und DDrhode. Alle unprätentös reduziert, deep im Ansatz und wenn auch die üblichen Verdächtigen nicht dabei sind, ist ab Sekunde 1 klanglich klar, in wessen Haus wir uns befinden. So etwas nennt sich dann Legacy.

Renaat Vandepapeliere RV Trax 5 Cover Walkman

Künstler und Labels wertschätzen, Platte bei Bandcamp kaufen.

Various Artists – RV Trax Vol. 5

Benedikt: Am 19. Januar 2018 veröffentlichte R&S-Gründer Renaat Vandepapeliere die erste Ausgabe von „RV Trax“. Die Idee: Eine Serie, die den Sound seiner DJ-Sets einfängt – und den Fokus auf unbekannte Künstler abseits von Hypes und Hymnen legt. Auf der ersten Platte waren es nur drei Tracks. Hermetics, von dem hier der Opener stammt, war damals auch schon mit dabei. Aus drei Tracks wurden vier und nun – Volume 5 – braucht's die volle LP- bzw. Compilation-Länge, um den den Ansprüchen der belgischen Label-Legende gerecht zu werden. Das Bedürfnis gute Musik zu veröffentlichen – und am Stück aufzulegen – ist auch im Alter von gut 60 Jahren ungebrochen. Ich finde, dass kann man ruhig betonen, die Geschichte immer wieder erzählen. Bei uns im Interview vor gut 2 Jahren beschrieb er seine musikalische Neugier als die eines „sechs Jahre alten Kindes.“ Bei allem derzeitigen Musikkultur-Pessimismus, den vielen offenen Fragen der Finanzierung, dem Schwelgen in kürzlich oder längst vergangenen, besseren Zeiten, bin ich gerade sehr glücklich darüber, dass dieses Release mich an die ungebrochen optimistische und der Zukunft zugewandten Haltung von Vandepapeliere erinnert. Und die Platte: Ist vom feinsten.

Low Budget Aliens Artwork

Low Budget Aliens – Junk DNA

Thaddeus: Der Breakbeat ist ein ebenso integraler Bestandteil unserer Musikkultur, wie die gerade Bassdrum – nur eben so viel variabler, spannender und intensiver. Ob kompromisslos im Vordergrund oder als ergänzendes Element für komplexere rhythmische Konstrukte. Alles keine neuen Erkenntnisse, aber wenn ein Album bei einem landet, das genau diesen Beweis erneut antritt und dabei alles richtig macht, genehmige ich mir auch schon nachmittags beherzt eine Schorle. Der Tipp kam vom Kollegen Christian Blumberg – er schrieb im Slack (es ist Datenschutz und Privatsphäre betreffend hoffentlich ok, das hier zu zitieren): „Das ist das erste "Club"-Album seit sehr langer Zeit, das ich mir gerne von Anfang bis Ende angehört habe.“ Ansage! Und einmal durchgerauscht, verstehe ich sofort, warum. Die Tracks der Low Budget Aliens – das sind D. Tiffany und uon – kommen mit einer gewissen Trockenheit daher, geben sich hier und da sperrig, zeichnen die wildesten Automationskurven in den BPM-Algorithmus der DAW, täuschen an, lassen dann wieder gnandenlos rollen, täuschen Electro ebenso an wie ambiente Strukturen. Bevor die Breaks immer wieder alles geraderücken, zusammenhalten und schwuppdiwupp wieder dekonstruieren. Auch die Trockenheit ist nur permeabler Bühnenvorhang. Schnell entwickelt sich ein darkes, und doch buntes Sound-Verständnis, das nicht nur den querschlagenden Beats in die Karten spielt. Denn der Breakbeat ist nicht nur integraler Bestandteil unserer Musikkultur, sondern auch eine abstrakte Größe, die hier kongenial in einen Science-Fiction-Soundtrack eingebettet wird.

Heimkino: Death DriverDie Masken des Ryan Gosling

Leseliste 24. Mai 2020 – andere Medien, andere ThemenAntikapitalismus, Spargel Ritter, Streaming und Mark Zuckerberg