Wochenend-WalkmanDiesmal mit Rone, Mr. Scruff und LGoony

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Rone, Mr. Scruff und Lgoony.

Rone Room With A View Artwork

Rone – Room With A View

Thaddeus: Rone – der Franzose Erwan Castex – war schon immer ein Meister darin, die kleinen Bedürfnisse des Alltäglichen in große musikalische Form zu gießen, einen Champagner-Wasserfall mit Beats und Sounds. Sein fünftes Album bedeutet für ihn den Rückstoß zu den Anfängen. Allein mit Maschinen hat er so seine vielleicht besten Tracks bislang produziert. Über „Room With A View“ hängt der Begriff der „Collapsologie“, der genau für das steht, was man sich darunter vorstellt. Rone wäre aber nicht Rone, wenn das dunkle Thema zu einer ebenso dunklen Platte geführt hätte. Im Gegenteil. Die Stücke fluffen allesamt, sind von einer Leichtigkeit durchzogen, die unter normalen Umständen auf dem Dancefloor die Welt für einen Moment besser machen würde. Tanzen ist und bleibt jedoch das entscheidende Stichwort. Denn das Album ist nicht nur Album, sondern auch der Soundtrack zu einer Tanztheater-Performance, in Auftrag gegeben vom Théâtre du Châtelet in Paris, umgesetzt von Rone und dem dem Choreographie-Kollektiv (LA) HORDE aus Marseille. Alle Vorstellungen in Paris waren ausverkauft, die letzten konnten nicht mehr stattfinden. Rones Umgang mit weiten Pad-Melodien und vor allem in Hall getränkte Arpeggios verströmen auch auf „Room With A View“ eine fast schon romantisierende Interpretation französischer Popmusik, die mithilfe unterschiedlichster Vehikel und Verstärker Teil des großen globalen Ganzen geworden sind. Es scheint angebracht, dafür ein bisschen dankbar zu sein, dass es dort, heute, jemanden gibt, der diesen Stil vor der Verkitschisierung bewahrt und stattdessen immer wieder neu kleidet, am Leben erhält. Denn es sind die kleinen Dinge des Alltäglichen, die uns heute und zukünftig weitermachen lassen.

Mr Scruff DJ Kicks Cover

Mr. Scruff – DJ Kicks

Ji-Hun: Man kann davon ausgehen, dass das DJing sich in der nächsten Zeit neu definieren wird. Es wird niemand mehr in den nächsten Monaten eine heiße Mainstage-Festivalperformance für 40.0000 abliefern müssen, geile Moves und Drops draufhaben. DJs werden sich ihre Räume selbst schaffen müssen, wie auch immer sie aussehen werden. Das ist für Sounds, die sonst nur Bass, Peaktime und auf die Fresse kennen natürlich schwieriger als zeitloses, technisch meisterhaftes Mixen, Kuratieren und Kompilieren. Kurz, das das Mr. Scruff (Andy Carthy) seit über 25 Jahren tut wie kaum ein anderer. Kerri Chandler fiele da einem noch ein. Aber jene Herrschaften spielen seit jeher in einer sehr eigenen Liga und ohne großen Festivaldruck macht diese DJ Kicks plötzlich auch viel Sinn und Freude. Die Mixreihe feiert dieses Jahr ihren 25. Geburtstag. Und die englische DJ-Legende macht ein Stück weit das, was er immer tut. Beats, Stile und Genres aus diversesten Jahrzehnten mixen, als hätten sie schon immer auf einer Too-Hot-To-Handle-WG-Insel zusammen gelebt. Kaum Fortschritt, viel mehr Neubesinnung – aber das ist ja key derzeit. Mr. Scruff ist ohne Frage ein DJ’s DJ. Der Dancefloor, der hier aufgemacht wird, ist aber auch ohne chronischen Diggismus eine wohltuende, kommunizierende, hoffnungsvolle und fein gemachte Sache.

LGoony Frost Forever Cover

LGoony – Frost Forever

Benedikt: Die Ahnung, dass Lgoony diesen kurzen Autotune-Soundcloud-Rapper-Hype von vor ein paar Jahren überdauern wird, war schon immer da. Anhören konnte ich mir die Sachen trotzdem nie, bei „Grape Tape“ (2015) habe ich mich einfach nur gefragt: Wer ist da für das Abmischen der Stimme verantwortlich? Was soll das? Gibt's da niemanden, der weiß, wie man diese Vocalspur vom Schmerzfaktor befreit? Aaaaargh. Auch die Folge-Alben waren nie mehr als das kurze Durchskippen wert – unaushaltbarer Tonalität sei Dank. Doch seit ein paar Wochen werden neue Singles gedroppt. Mit „Allein gegen Alle“ und „Audemars“ hat Lgoony mich gekriegt. Beide Tracks laufen seit Release rauf und runter. Es stimmt nämlich nicht bloß die Stimme – endlich. Neben der astreinen Attitüde auf erstgenannter Single bekommt der fein ironische Blick auf die eigene Kunst und die Deutschrap-Klischees einen neuen Stellenwert. Ob das nun der eigene „Baby-Yoda-Swag“ („Demo“) ist oder der Background-Comment ein „ist das stumpf“ („Audemars“) attestiert. Auch die kleinen Bites in Richtung deutschrappendes Umfeld machen Spaß. So wird aus Shindys „Ein, zwei Millionen Streams sind für kein Hype“, bei LGoony „Ein, zwei Millionen Euro sind für mich nicht reich.“ Und während anderen Rappern von anderen Rapper nach eigenen Angaben ständig der Schwanz gelutscht wird – Gruß von Anis – heißt es hier: „Ich hab' den LGoony-Swag-Swicky-Swag / Deutsche Rapper häng'n an meinem Sääck, Sicky-Sääck.“ Ich lach mich tot. Und mein es trotzdem ernst: Dies Mixtape ist großartig, macht derbe Spaß und gute Laune.

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Leseliste 26. April 2020 – andere Medien, andere ThemenDDR-Pandemieplan, Atomkraft, Tschernobyl brennt und Corona-Szenarien