Wochenend-WalkmanDiesmal mit Pariah, Bjørn Torske und der Compilation „Music Activists #1“

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Pariah, Bjørn Torske und der Infiné-Compilation „Music Activists #1“.

Pariah Here From Where We Are Cover

Pariah – Here From Where We Are

Ji-Hun: 2010 veröffentlichte Arthur Cayzer/Pariah zwei EPs auf R & S Records, die wie ein Meteor einschlugen. „Detroit Falls/Orpheus“ und „Safehouses“ waren zwei Perlen der kreativen und hoch produktiven Post-Dubstep-Ära in England und Pariah war plötzlich in der Presse ein ähnlich großer Hoffnungsträger wie James Blake und Hudson Mohawke. Während die aber mittlerweile mit Kanye West im Studio abhängen, ist Pariah 2012 nach seinem letzten Release „Rift“mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden. Musikalisch untätig schien er aber nicht gewesen zu sein, denn nun ist sein erstes Album erschienen. „Here From Where We Are“ kommt auf Houndstooth heraus und zeigt einen Musikentwurf, der sich zunächst von allen Club-Kontexten befreit. Es gibt keinerlei Beats. Kein Techno, kein Garage, Dubstep oder gar zeitgenössischer Rap, dessen Triolen-HiHats auch schon gefühlt den halben Warp-Katalog infiltriert haben. „Here From Where We Are“ ist puristische Synthesizer-Musik. Musik, die ihre Schönheit aus simplen, aber durchdachten Chord-Progressionen zieht. Arpeggien und dezente Loops auf eine Berglichtung setzt, um ihnen besonders viel Luft zum Atmen zu geben. Man könnte es klassizistisch nennen. Die Referenzen sind nicht in feingliedrigen Underground-Nischen zu suchen. Es sind die ganz großen Manifeste der elektronischen Musik. Stockhausen, Brian Eno, Jean-Michel Jarre, Pink Floyd, Boards of Canada. Und ähnlich wie bei „Phantom Brickworks“ von Bibio (um einen aktuellen Verweis zu bemühen), liegt hier auf den ersten Blick etwas Unscheinbares vor, das sich beim Vertiefen indes als kluges Meisterwerk herausstellt. Großartig.

Bjorn Torske Byen Walkman 20180714

Bjørn Torske – Byen

Benedikt: Die elektronische Musiklandschaft Skandinaviens hat dem Norweger Bjørn Torske nicht wenig zu verdanken. Er steht gleichermaßen für das Disco-Revival aus dem Norden wie Prins Thomas und Todd Terje. Ob man das nun skandinavischen Nu-Disco, Cosmic oder Space Disco nennt, spielt eigentlich keine Rolle. Fest steht, dass die leichtgängigen, runden Bassläufe, der balearische Einschlag und die sanfte, sich teils endlos wiederholenden Chord-Progressions bis heute die Tanzflächen des Nachmittags über das reine Sonnenlicht hinaus erwärmen. Bjørn Torske, der zwar in den letzten Jahren nicht weg war, sondern die EP Kokning veröffentlichte und erst letztes Jahr an einer [Platte von Prins Thomas] mitarbeitete, entfernte sich aber zunehmend von der discoiden Eingängigkeit, die ihn so bekannt machte. Naja, irgendwo kann selbst ich nachvollziehen, dass sich die Kreativität beim Schaffen solcher Musik früher oder später erschöpft. Das repetitive Gedudel muss halt auch echt gut gemacht sein, um nicht als genau solches in der Senke der Bedeutungslosigkeit und damit vom Horizont zu verschwinden. Weil Bjørn Torske ein Profi ist, wird er das wissen. Aber jetzt hat er mit „Byen“ sein erstes Album seit acht Jahren vorgelegt und schlägt hochmotiviert den Weg zurück gen Disco-Dancefloor ein. Und der macht richtig Spaß.

Music Activists - Cover - WWalkman 14072018

V/A – Music Activists #1

Thaddeus: Label-Compilations spielen zumindest als kommerzielles Produkt so gut wie keine Rolle mehr. Danke, Digitalisierung. Immerhin wird für das musikalische Onbaording kein Polykarbonat mehr mit Tonnen von Klebstoff vermengt, kein schlechtes Artwork für den Jewelcase mehr angefertigt und die CD dann für 3,99 € verramscht. Und doch erfüllen diese Compilations immer noch Sinn und Zweck. Denn auch wenn man nicht alles mögen muss, was auf einem Label veröffentlicht wird: Hat man sich erstmal eine kleine Brücke gebaut, gibt es dort meist noch andere Dinge zu entdecken. Infiné ist so ein Label, bei dem ich mir immer vornehme, alles, wirklich alles zu hören. Weil ich das Gefühl habe, hier eine Haltung zu sehen, der ich mich verbunden fühle – selbst dann, wenn mir die Bassdrums zu schnell sind. „Music Activists #1“ gibt es auf Bandcamp für umme. Der Titel, der den acht Tracks voransteht, ist natürlich gut gewählt und unterfütternd betextet: „It's good to dance, but can we stay blind in front of the confusion around us? This world is changing and our artists are confronting this impalpable uneasiness that surrounds us.“ Der erste Teil stimmt, der zweite muss erst noch bewiesen werden. Aber vielleicht transportiert genau die krude Mischung, die hier mit Tracks von Secrets Of Elements, Bruce Brubaker, Labelle, Deena Abdelwahed, La Fraicheur, Rone, Mischa Blancos und Léonie Pernet präsentiert wird genau dieses Versprechen. Das Weltgeschehen ist für mich mittlerweile zu einer derart abstrakten Kakophonie angewachsen, dass diese Compilation hier als mahnende Gummizelle wirken könnte. Dieses Wochenende trifft Trump die britische Königin. Gott schütze sie.

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