Wochenend-WalkmanDiesmal mit Pendant aka Huerco S, Typhoon und Daphni

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute hören wir Huerco S., Typhoon und Daphni.

Pendant – Make Me Know You Sweet - Artwork

Pendant – Make Me Know You Sweet

Thaddeus: Wer das Schaffen von Huerco S. verfolgt, ist vielleicht schon über dessen Pseudonym „Pendant“ gestolpert. Wobei: Die Chancen scheinen eher gering, viel mehr als einen Track von 2016 – veröffentlicht auf Tape – lässt sich nicht recherchieren. Nun ist Brian Leeds ja sowieso jemand, der gerne Spuren verwischt – dieses Gefühl kann aber auch in der Musik begründet sein, die er produziert, bzw. in der Art und Weise, wie ich diese wahrnehme. Für Pendant will er nun aber mehr wahrgenommen werden. Klassisches Doppel-Album, wie aus dem Nichts, und dann auch noch auf einem – seinem – neuen Label „West Mineral Ltd.“. Das „Ltd“ ist hier metaphorisch gesprochen das entscheidende Detail: Es soll ein Label für Freunde sein. Seine eigene Blase, die sich tagtäglich in den eigenen Verwerfungen hochschaukelt. Leeds’ Album schaukelt sich hingegen eher in die andere Richtung. Vollkommene Entschleunigung, sanft und überlegt klopfender Ambient, wie ein Schneesturm aus rosa Rauschen. Keine Kanten, keine Ecken, nur elegante Rundungen – eine Carrera-Bahn in Zeitlupe, mit minimaler Spurbreite, frisch gesprenkelt mit dem Trademark-Salz des Winterdienstes aus einem Paralleluniversum, in dem die Sachlage noch unklarer ist als auf unserer Seite der unscharfen Realität.

Typhoon Offerings Cover

Typhoon – Offerings

Ji-Hun: Das Indie-Jahr 2018 fängt ausgesprochen gut und interessant an. Neben dem englischen Superhype Shame gibt es mit dem Album „Offerings“ von Typhoon innerhalb weniger Wochen bereits ein weiteres Highlight, an dem sich auch Spex-Redakteure mit Freude abarbeiten dürften. Anders als bei den ultrahippen Briten, setzt die elfköpfige Band aus Portland eher auf Tradition. Irgendwo zwischen kanadischen Constellation-Arrangements, Bright Eyes, Broken Social Scene, Beirut, Timber Timbre, frühen Arcade Fire und mit viel Mut zur Breitwand sind diese 14 Songs mit 70 Minuten Laufzeit ein ausuferndes, episches Statement. Vielschichtige Dynamiken (mit guten Streichern kriegt man mich ja ohnehin fast immer) treffen auf hervorragendes Songwriting – hier muss nichts neu erfunden werden. Hier werden gute Konzepte einfach gut umgesetzt. Im Jahr 2 der neuen Trump-Ära ist so ein Album nicht nur trostspendend, sondern schenkt auch ein bisschen Hoffnung. Könnte ein gutes Jahr für Indie werden. Das letzte war ja auch schon ziemlich gut.

Album auf Bandcamp

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Daphni – Joli Mai

Benedikt: Ich freue mich, dass Dan Snaith ein zweites Mal sein Caribou-Alias beiseite gelegt hat, um sich als Daphni auf Albumlänge der Clubmusik zu widmen. Zwar erschien „Joli Mai“ schon Ende letzten Jahres, trotzdem ist es für mich der Opener ins Dancefloor-Jahr 2018. Tatsächlich glaube ich, dass die Tanzfläche wieder relevanter wird – oder eher: relevanter werden muss. Irgendwo ist da noch dieser Glaube, dass der Club als Ort durchaus in der Lage sein kann, gesellschaftlich heilsam zu wirken. Dafür bedarf es aber zweierlei Dinge. Der Club muss sich wieder stärker Schutzraum begreifen, in dem Toleranz und Awareness mehr als bloß Zettelbotschaften seitlich der Garderobe sind. Ein Ort, an dem gegenseitiger Respekt nicht nur vorgelebt und gefördert, sondern eingefordert wird – auch wenn das mit Aufwand verbunden ist. Gleichzeitig sollte der Club aber nicht zum nächtlichen Treffpunkt einer vermeintlich weil oberflächlich homogenen Masse verkommen. Die Kriterien, die augenscheinlich bestimmen, wer Teil sein darf und wer nicht, haben sich an vielen Berlin Clubtüren in eine geradezu ekelhafte Richtung entwickelt. Nicht selten verraten schon die Respektlosigkeiten von Türstehen die oben angesprochene Idee dessen, was der Club eigentlich sein sollte. Es gibt immer Ausnahmen. An dieser Stelle jedenfalls beginnt die nächtliche Kultur der Ab- und Ausgrenzung, die umso absurder darin mündet, dass selbst auf der Tanzfläche eine Art Hierarchie besteht. Man kann sie nur bedingt sehen, aber man kann sie fühlen, manch einer ist mittendrin und fühlt sich trotzdem wie ein Gast. Was der Club eigentlich zum gesellschaftlichen Zusammenleben beitragen kann, wenn er völlig unterschiedliche Menschen gemeinsam tolle Momente erleben lässt, scheint vergessen. Daphni erinnert daran. Von der einen Seite rau und repetitiv, von der anderen Seite leichtfüßig zugänglich, ist „Joli Mai“ die ganz große Umarmung des Dancefloors. Und damit ein guter Start.

Album bei iTunes

Gute KartenSprachglobalisierung: Tee oder Cha?

Leseliste 21. Januar 2018 – andere Medien, andere ThemenGehirn schrumpft dank Berlin, japanischer Ambient, Badday und Theaterbrezel