Gibt’s nicht mehr – Technische Revolutionen, die es sich anders überlegt habenHeute: der Pager/Scall

Gibts nicht mehr Pager

photo credit: Hades2k via photopin cc

Es gab wohl kaum ein mobiles Kommunikationsgerät, das es derart kurz auf diesem Planeten ausgehalten hat wie der Pager.

Zwar gehen heute Analysten davon aus, dass spätestens 2015 auch das Featurephone durch das Smartphone vollständig verdrängt werden wird. Aber selbst dann hätte das Mobiltelefon einige Jahrzehnte auf dem Buckel gehabt und die Kommunikation per Sprache ist in iPhone und Co. ja noch immer integriert, wenn auch nicht mehr die wichtigste Funktion dieser Geräte. Der Pager, der ursprünglich in den 1950er Jahren für Notfallärzte in New York entwickelt wurde, hielt sich z.B. in Deutschland in seiner jugendkulturaffinen Version Scall gerade mal acht Jahre. Von 1994 bis 2002, wobei es sich in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes um ein totes Medium gehandelt haben dürfte.

Das Handy hat die umständliche Handhabe des Anpingens und das Warten auf das Zurückgerufenwerden einfach obsolet gemacht. 1996 kam der Skyper heraus, eine erwachsenere, businessgeprägtere Version des Pagers, der sogar in der Lage war, Kurznachrichten in Textform zu versenden. 80 Zeichen waren möglich. Ein damals unvorstellbarer Wahnsinn, der in einer Zeit vor E-Mail, SMS, Twitter, WhatsApp und Statusupdates die Rückkehr der permanenten Kommunikationstextproduktion schon leicht angedeutet haben dürfte. Zu meiner Zeit hatten nur die coolen Jungs ein Scall, das ja auch vom damals omnipräsenten Schweizer Plastikuhrenmagnaten Swatch mitentwickelt wurde. Irgendwann baute Swatch nebst Uhren lieber Autos und nannte sie Smart, diese fahrenden Knautschzonen haben sich auf jeden Fall länger gehalten und werden heute sogar als Zukunftsmodell einer urbanen Mobilität ernst genommen.

Aber zurück zum Scall: Roman, Kay und Till hießen die coolen Boys im Powell-Peralta-Pulli und wenn ihre hellblaue Box am Hipbag anfing Töne zu machen, gab das den Adressaten einen leicht geheimnisvollen Touch. Sie konnten ja nicht einfach drangehen und die Umwelt beschnacken, nein, man suchte sich die nächst befindliche Telefonzelle, die man mit einer Telefonkarte aktivierte und rief zurück.
Allerdings war es selten das heiße Mädchen aus der Parallelklasse oder der Drogenchecker von der Gesamtschule, was die verbliebene Gruppe an der Imbissbude spekulierte, sondern häufig nur Mama. Egal, hip war es ja irgendwie dennoch. Statt Telefonnummern konnte man auch enigmatische Zahlencodes senden, um sich noch mehr mit einem Hauch von Ominösität zu umgeben. Wie viel Syntax und Semantik jedoch dabei rumkam, bleibt zweifelhaft. Eine Technologie allerdings hat sich mit dem Pager parallel in unsere Medienkonditionierung eingeschlichen: die Roboterdame am anderen Ende der Leitung.

Damals verfügten die meisten Telefone noch über ein Impulswahlverfahren, was für Computer nicht verständlich war (mit Tonwahlverfahren, das man damals nur aus US-amerikanischen Serien kannte, wäre es viel einfacher gewesen und ist heute zum Glück auch hier zum Standard geworden: „Drücken Sie die 2.“). Also diktierte man sein numerisches Anliegen an das digitale Gegenüber: „Null – Neun – Nein! – Wiederholen Sie – Null – Null – Vier – Fünf – Nein! Wiederholen Sie!“ Eine so zähe wie einschüchternde Tour de Force und für Außenstehende ein amüsanteres Schauspiel als die ein paar Jahre später erschienenen Handys, mit denen man zum Telefonieren noch in den Keller gegangen ist. Die Robotertelefonistin hat sich bis heute gehalten, wenn auch ihre Popularitätswerte sich mit den Jahren nur wenig verbessern konnten. Was allerdings vom Pager bleiben wird, ist seine Referenz in der Popkultur. Wie jetzt? Doch, doch. Die HipHop-Helden A Tribe Called Quest um Q-Tip widmeten ihm mit „Skypager“ gar einen eigenen Song. Und so bleibt uns zumindest eine Sache, die diese kurze Phase der Beeper in unserer Erinnerung halten wird:

„If you get your then high, the mine is next
The S in Skypager really stands for sex
Beeper’s goin’ off like Don Trump gets checks
Keep my bases loaded like the New York Mets
At times i miss the pager so you don’t get vex
Havin’ bad days like a Voodoo Hex
Conceptually, a pager is so complex
‘Cuz i be standin’ by the phone ready to flex…“

In PyongyangEinmaliges Interviewformat über Nordkorea

Mix der Woche: Firecracker RecordingsFIRECMIXX009 von Specter