Das Haus am See„Queen Of Earth“ avanciert zum Geheimtipp der Berlinale

Queen of The Earth

Der dritte Feature-Film des US-Amerikaners Alex Ross Perry ist ein bitterböses Kammerspiel, vor allem aber eine Demonstration der Montagekunst.

Catherine und Virginia sind gute Freundinnen. Jedes Jahr verbringen sie ein paar Tage an einem Stausee, Virginias Eltern haben dort ein Haus. Im letzten Jahr ging es Virginia nicht besonders. Dass Catherine (Elizabeth Moss) damals ihren Freund mit ins nordostamerikanische Idyll mitbrachte, störte die Harmonie der geplanten BFF-Woche gewaltig. Dieses Jahr ist es umgekehrt. Catherine ist am Boden, ihre Beziehung gerade zerbrochen und noch schwerer wiegt der Verlust des eigenen Vaters. Zwei Protagonistinnen, zwei Wochen im gleichen Haus am gleichen See, zwischen denen ziemlich genau ein Jahr liegt, verwoben zu einem Film. Und was für ein Film!

„Queen Of Earth“ ist zunächst ein konzentriertes Kammerspiel, dass das Binnenverhältnis zweier Freundinnen mit höchster Konzentration einfängt, ein Verhältnis als ständige Kippfigur: Da ist Empathie, fast schon Liebe, aber da sind auch untergründige Sticheleien, offensive Gehässigkeiten, sind Vorwürfe, ist Mitleid vs. Missgunst. Die Diffizilität der Figurenpsychologie (und wie großartig sie hier umgesetzt wird) erinnert mitunter an das Kino Ingmar Bergmanns, dessen existentiellen Gestus Perry aber glücklicherweise niemals übernimmt. Die Wortgefechte zwischen Catherine und Virginia sind ebenso böse, wie sie lustig sind – und dabei so pointiert, dass „Queen Of Earth“ vielleicht auch als Ausweis einer Tendenz des Independent-Kinos gelten kann, in der das Script wieder an Gewicht gewinnt. Das einzig auffindbare Stereotyp ist Catherines Heroisierung des eigenen Vaters, der ihr als namhafter bildender Künstler nicht nur Vater, sondern augenscheinlich auch Türöffner in Sachen Karriere gewesen ist: Auch Catherine ist Künstlerin, sie verdingte sich als Assistentin des eigenen Vaters. Hier am See aber fertigt sie lediglich mäßig beeindruckende Portraits ihrer Freundin Virginia an.

Alex Ross Perry

Regisseur Alex Ross Perry. Bild: Sean Price Williams

Viel näher an den Bildwelten der Gegenwartskunst sind dagegen Perrys Aufnahmen des Stausees, die gerne den kompletten Bildraum einnehmen: Die sich im Wasser spiegelnden Uferlandschaften werden von den Oberflächenwellen fragmentiert und muten wie digitale Arrangements an. Perrys Landschaften sind niemals öde Allegorien, niemals Seelenlandschaften, sondern virtuelle Räume, denen der Film die gleiche Aufmerksamkeit schenkt wie den Gesichtern der Protagonistinnen. Ja, es ist auch ein Film der Großaufnahmen. Und einer der präzisen Montagekunst, denn die zwei Sommerwochen sind mitunter derart amalgamiert, dass ein zeitlicher Distraktionseffekt einsetzt: wenn Virginia und Catherines Konversationen im Schuss-Gegenschuss-Verfahren gezeigt werden, kann es durchaus passieren, dass Perry inmitten eines Dialogs einen Zeitsprung von einem Jahr vornimmt, dass also Catherine (in der vermeintlich gleichen Szene) auf eine Aussage Virginias reagiert, die diese ein Jahr zuvor getätigt hat. Hier liegt sozusagen das kinematografische Surplus des Films, der viel mehr kann als bloß Kammerspiel.

Und dann ist da noch der Score: Ein Piano spielt Dissonanzakkorde, die Subwoofer brummen bedrohlich — das motivische Inventar des Psychothrillers kündigt stets von Eskalation, vom Umschlagen in Gewalt. Und manchmal – ganz unmerklich – kippt die Musik in den Modus des beinahe Atonalen, Ligeti-like.

Queen Of Earth, USA 2015
Regie: Alex Ross Perry

Screenings während der Berlinale:
Sonntag 08.02., 22:15: Cubix 9 - Alexanderplatz
Montag 09.02., 21:30: Thalia Kino
Dienstag 10.02., 20:00: Colosseum 1 - Schönhauser Allee
Sonntag 15.02., 22:00: CineStar 8 - Potsdamer Platz

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