Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.
Eine Insel schnupft
Die Azoren, das Hawaii des Atlantiks. Einsame Eilande zwischen alter und neuer Welt. Hier wird so einiges an den Strand gespült, 2001 allerdings was Besonderes: Kokain in rauen Mengen. Ein Kuriersegler, eigentlich von Venezuela unterwegs nach Spanien, musste nach einem Ruderschaden die portugiesische Inselgruppe ansteuern, der Plan, das Koks in einer abgelegenen Bucht zu bunkern, misslang. Was dann passierte, erzählt dieser Bericht: Einwohner werden fündig, findig, zu Drogenverkäufern, Einwohner werden abhängig, eingeliefert, leiden bis heute unter den Nachwirkungen. Dazu die Geschichte eines Fluchtversuchs vor den Behörden. Auf einer Insel kann sich niemand verstecken? Denkste.
In diesen Straßen, wo sich Fischer in schäbigen Bars über Dominosteine beugen und Rotwein aus kleinen Gläsern trinken, wechselte ein Kilo Kokain ums andere seinen Besitzer. Analysen ergaben später, dass der Stoff einen Reinheitsgrad von 80 Prozent aufwies und damit weitaus stärker war als alles, was sonst normalerweise auf der Straße angeboten wird.
Bundestagsdebatten in der Wortanalyse
Siebzig Jahre alt ist der Bundestag, 1949 wurden die ersten Reden im Parlament gehalten. Seitdem hat sich massig Steno angesammelt: Über 200 Millionen Wörter umfassen die Protokolle der Redebeiträge. Welche Worte in welchen Jahren wie häufig benutzt wurden, kann man nun nachschauen. Das Team der Zeit hat die Protokolle nicht nur selbst analysiert, sondern stellt die Datenbanksuche für jeden zur Verfügung. Bis zu fünf Wörter (oder Wortkombinationen) lassen sich direkt vergleichen. Auch wenn der inhaltliche Kontext durch die alleinige Betrachtung der Häufigkeit außer Acht bleibt, lässt sich gut nachvollziehen, welche Debatten in welchen Jahren das Parlament dominiert haben. Interessante und bisweilen auch unerwartete Ergebnisse sind garantiert.
Betrachtet man die Begriffe unerhört und Ordnungsruf, müssen die Anfangsjahre im Parlament recht rüpelhaft gewesen sein. Von den knapp 800 Ordnungsrufen, die in den Protokollen verzeichnet sind, entfällt ein großer Teil auf die ersten Legislaturperioden.
Antisemitismus im Stadion
Der Hamburger Politik-, Geschichts- und Sportwissenschaftler Florian Schubert hat seine Dissertation zum Thema Antisemitismus im Fußball veröffentlicht und legt in einem Interview mit Zeit Online die hässlichen Fakten deutschen Stadionalltags auf den Tisch. Wie nirgendwo anders in der Republik wird Judenhass so offen betrieben und toleriert. Zwar organisieren sich immer mehr Vereine, Verbände und Fan-Gruppen gegen Rassismus, die gezielte Diffamierung gegnerischer Mannschaften, bestimmter Spieler oder Schiedsrichter mit dem Begriff „Jude“ ist jedoch nach wie vor Alltag. Schlimmer noch: Man gewinnt den Eindruck, dass das ein historisch gewachsenes Phänomen ist, das zur Tradition dazugehört und genau deshalb als nicht so schlimm und verachtenswert angesehen wird. Oder eben nur ein Abbild der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die – so die Argumentation – dann auch im Stadion stattfindet. Aber, so Schubert, die Mechanik funktioniert genau andersherum:
„Was passiert eigentlich, wenn im Stadion ein Sechsjähriger sieht, dass es normal ist, einen Schwarzen rassistisch zu beleidigen? Oder Jude als Schimpfwort in Ordnung geht? Normalität von Rassismus und Antisemitismus bleibt nicht im Stadion, sie wird zurück in die Gesellschaft getragen.“