Play it again, Sam!Segen und Fluch der Wiederholung

Loop

Zu viel, viel zu viel Gestern im Heute und wenig bis gar kein Morgen. Die postmoderne Tragödie labt sich nun schon im fünften Jahrzehnt an der traurigen Leier um Stillstand und Verzagen. Das Neue bedient sich beflissentlich am Alten, der Kreis scheint geschlossen. Zwei Bücher beleuchten nun, wie sich die erschlaffte Moderne in den Schwanz beißt. Tilman Baumgärtel beleuchtet die Geschichte des Loops in der Musik, Daniele Giglioli widmet sich der Wiederholung als gesellschaftspolitische Bremse.

Zugegeben: Das Kleinkind lernt an Wiederholungen, wächst am Kopieren der Erwachsenen. Was aber, wenn das Kindchen dann selber groß ist und die x-te Repetition des einst Vielgeliebten zum öden Wiederkäu verkommt? Tilman Baumgärtels Buch „Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops“ schafft hier Abhilfe. Vergangenen Sommer erschienen, behandelt die Schrift des Mainzer Professors für Medientheorie künstlerische Auseinandersetzungsstrategien mit der Schleifenform. Das Who-is-who musikalischer Innovation wird hier an Hand des jeweiligen technischen Entwicklungsstandes vorgestellt. Pierre Schaeffer, Karlheinz Stockhausen, La Monte Young, Terry Riley und Steve Reich übten sich an der freudvollen Wiederholung und sind, so Baumgärtel, die Urväter modernen Musikschaffens. Der Ausflug in die Frühphase des Loops als wirkmächtige Einflüsse auf zeitgenössische Sample-Techniken, nicht nur bei HipHop oder Techno, sondern auch in den Sparten Pop und Rock, ist umfangreich recherchiert und macht sehr neugierig, die jeweiligen Produkte erkundend nachzuhören. Leider gelingt es dem Autor nicht immer, den Ton zu halten. Zwischen geisteswissenschaftlicher Strenge und repetitiver Anekdotenreihung tänzelnd, inszeniert er, bewusst oder nicht, den Loop selbst zur Rhythmik seines Schreibens, was die grundsätzlich schöne und wichtige Idee seiner Arbeit wellenartig mit mächtigen Längen und Doppelungen überdeckt.

Schleifen

Tilman Baumgärtel: Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops. Kadmos Verlag, Berlin 2015; 352 S., 24,90 €

Giglioli Cover

Daniele Giglioli: Die Opferfalle. Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt. Matthes & Seitz, Berlin 2015; 127 S., 14,90 €

Während den einen das Abspielen der ewig gleich scheinenden Platte in rauschhafte Verzückung versetzt, ist die geschichtliche Endlosschleife für den anderen eine bittere Pille des Verharrens. Beide Veröffentlichungen könnten in Bauart und Denkansatz nicht unterschiedlicher sein. Die kritische Aufarbeitung zeitgenössischer Phänomene bringt jedoch an verschiedensten Orten Licht ins postmoderne Dunkel. Der Loop als gesellschaftliche Auseinandersetzung ist Thema in Daniele Gigliolis Essayband „Die Opferfalle. Wie die Vergangenheit die Zukunft fesselt“.

Aktuell auf dem Buchmarkt, eröffnet Giglioli, Dozent für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bergamo, eine sowohl spannende als auch erschreckende These. „Wir sind nicht was wir tun, sondern was wir erlitten haben, was wir verlieren können, was uns genommen wurde.“

Giglioli sieht die Opfer als Helden unserer Zeit, eine Position, die ihnen absolute Immunität gegenüber jeglicher Kritik verleiht, mit gleichzeitiger Garantie erhabener Unschuld. Für den Autor sind dies die Schalthebel der Macht. Im Gegensatz zu Kants aufklärerischen Forderung „Gehe aufrecht, befreie dich aus der Unmündigkeit“ schließt das Opfer jegliche Vision der Zukunft aus, die Wiederholung der Vergangenheit im Blick. Gigliolis Untersuchung der Opfermythologie greift geschichtlich weit, umfasst den kriegstreibenden Wahn des Dritten Reiches, die Krisen im Nahen Osten und die Folgen der Terroranschläge am 11. September 2001.

Das Opfer ist der Chef am Tisch, seine Handlung unbestrittenes Gesetz. Wer hier widerspricht, kann nur verlieren. Fein ummantelt mit Zitaten kongruenter Analytiker wie Christopher Lasch, Richard Sennett und Umberto Eco, begeht Giglioli bewusst nicht den Fehler, Lösungsvorschläge aus der von ihm angesprochenen Misere anzudenken. Seine Intention findet sich dezent versteckt als Widmung im Anhang. Immanuel Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung“ birgt für ihn noch immer, oder wieder, Anlass zum Denken, zum Umdenken. Eine winzige „Schwäche“ begleitet auch diesen Text. Einige der angesprochenen Sachverhalte sprechen aktuelle Kulturgeschehnisse in Italien an, die für den internationalen Leser nicht direkt nachvollziehbar sind und einer Recherche bedürfen. Dem Lesevergnügen an der sehr direkt am Punkt geschriebenen Kritik tut dies dennoch keinen Abbruch.

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