Fragmente einer GroßstadtIm Dschungel der Kreativen – Berufsbild Illustratorin

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Es ist ja so: Kommunikation läuft in der Regel nach dem Schema „Sender - Information - Empfänger - Reaktion“ ab. Manchmal verrät eine Reaktion auf eine Information weit mehr über ihren Empfänger, als die Information selbst es über ihren Sender tut.

Besonders amüsant ist das für mich, wenn jemand nach meinem Beruf fragt. Ich kann die Menschen demnach in drei Kategorien einteilen: „die begeisterten Optimisten“, „die Skeptiker“ und „die Gelangweilten“. Randgruppen wie zum Beispiel „die Naiven“, um nicht zu sagen „die Uninformierten“ (ihr Vorkommen steigt meist mit provinziellem Charakter des Wohnorts) lasse ich jetzt aus Fairness mal außen vor.

Fangen wir mit einem Beispiel der Kommunikation aus Kategorie eins an: „Und was machst du so beruflich?“ – „Ich bin freie Illustratorin und Grafikerin“ – „Ach echt? Cool!“ Weit aufgerissene strahlende Augen und viele Fragen: „Was machst du da genau?“ „Ach, dann arbeitest du für Magazine?“ „Machst du auch Webseiten?“ Oft kann man jetzt ein Abdriften in eine eigene Gedankenwelt des Gegenübers beobachten, der sich durch dessen stark erhöhten Gesprächsanteil ausdrückt: „Ach, das ist toll. Ich wollte früher auch immer was im kreativen Bereich machen. Ich habe dann angefangen Modedesign zu studieren, aber das war irgendwie gar nicht meine Welt … Naja, jetzt male ich noch manchmal zuhause für mich, aber da würdest du sicher drüber lachen. Ich bewundere Leute, die ihr Hobby zum Beruf machen!“ – Da bleibt nicht mehr viel zu sagen, außer: „Ja, es ist schon ganz gut so …“

Der Skeptiker mit seinen Fragen und Gedanken ist geprägt von Zweifel und Angst: „Wirklich? Und das in Berlin?! Mutig! Geht man nicht völlig unter in dem Dschungel? Hier tummeln sich doch alle Kreativen und nehmen sich gegenseitig die Jobs weg. Und du hast echt kein zweites Standbein?“ Nach so einem Kandidaten habe ich immer ein bisschen das Gefühl, ich müsse ihm ein fettes Paket an Mut, Lebenslust und Optimismus schnüren und in die Hand drücken. Oder ihn fragen, wie oft er schon vor den eigenen Träumen davongelaufen ist. Und ob ihn Kalkulierbarkeit eigentlich glücklich macht. Aber meistens lass ich das lieber.

Kandidat Nummer drei ist mein härtester Kritiker und manchmal der angenehmste Gesprächspartner, weil er keine Fragen stellt. Er ist gelangweilt von meinem 08/15- Berufsbild und verdreht die Augen, wie jemand, der schon zum fünften Mal in der Woche Pasta mit Krabben und Parmesan gegessen hat. Auch so ein First World Problem.

Fakt ist, ich spreche gern über meinen Beruf, weil ich ihn wirklich gerne mache und der Meinung bin, dass man etwas unbedingt ausprobieren sollte, wenn man spürt, dass es das Richtige ist. Aber das eigentlich Schöne an solchen Gesprächen ist, dass ich auch mein Gegenüber schneller und besser kennen lernen kann. Oder soll ich sagen, einordnen? Dann hätten wir nämlich was gemeinsam.

Kristina Wedel ist freie Illustratorin und lebt in Berlin-Neukölln. Wo andere ihre Smartphones mit nie wieder angesehenen Fotos füllen, hält sie ihren Stift – vorzugsweise einen einfachen, schwarzen Muji-Pen – bereit und zeichnet jene Eigenarten des urbanen Alltags, die sich nicht so leicht ablichten lassen. Für Das Filter erzählt sie jeden zweiten Mittwoch die Geschichten hinter ihren Bildern.

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