Fragmente einer GroßstadtLa Grande Finale

La Grande Final

Am Ende dieser Reihe stehen nunmehr 27 Fragmente, die sich in Summe noch immer eines vollständigen Gesamtbildes entziehen. Doch das war eh nie Ziel. Und was heißt überhaupt Ende? Aus gegebenem Anlass, dazu ein paar Worte:

Im besten Fall wird das Ende zum Grande Finale, das alles bisher Erlebte in pompöser Erinnerung noch einmal aufleben lässt. Laut, intensiv und wohlwollend. Man kennt es aus dem Sport und auch aus der Musik. Da geht es meist um Wettbewerb, die Besten gegen die Besten um den wirklich Besten bzw. die wirklich Beste zu finden. Der Begriff kommt positiv daher. Doch je länger ich drüber nachdenke, desto mehr erscheint er mir aufgesetzt, emotional-theatralisch, ja schreit geradezu nach übertriebenem Exzess im Abschluss.

Demgegenüber steht die verpönte, „polnische“ Variante, also der „polnische Abgang“: sich unbemerkt davonstehlen. Im Englischen empfehlen sich die Franzosen, in Polen wiederum ist der sang- und klanglose Abgang englischer Art. Die Nationalität scheint da letztlich weniger eine Rolle zu spielen, vielmehr unser Charakter. Sind wir laut oder leise, impulsiv oder zart, stark oder schwach. Unbemerkt zu gehen, ist jedenfalls die Variante mit dem kleinsten Risiko, der Weg des geringsten Widerstands, sehr zu empfehlen für Entscheidungsschwächlinge. Überredungskünste Dritter, „Bleib doch“, werden da von vornherein ausgeschlossen. Stattdessen geht man still und leise. Und irgendwie auch würdevoll. Und doch kann diese Stille im Nachhinein umso größeres Aufsehen erregen.

Zuweilen haben wir echte Angst vor dem Ende, in Unwissenheit des Anschließenden, des Danach. Haben wir uns erst an einen Zustand, an Menschen und Umgebungen gewöhnt, gerät das Unwissen zur Unvorstellbarkeit. Ich kenne das Gefühl mit Blick auf mein eigenes Schaffen auch, die Angst vor dem Abschluss einer Arbeit, mit dem sie unwiderruflich vollendet ist. Die Entwurfsphase hinter mir lassen, mich entscheiden, festlegen, Stempel drauf. Ad acta. Oder halt: im Netz hochladen.

Aber klar, Dinge zu Ende bringen hat auch etwas Befriedigendes und Befreiendes. Dinge abhakend hangeln wir uns durch den Alltag. Von einem zum nächsten Job, von einer stressigen Phase in die nächste, manchmal mit dem Gedanken „Ich mach drei Kreuze, wenn das vorüber ist…“. Zugegeben, das klingt etwas pessimistisch. Aber dieser Trieb, immer weiterzumachen, ist ja genau das, was uns am Leben und vor allem bei Laune hält. Man schaut zufrieden auf Getanes zurück, hält kurz inne, badet im kurzen Glücksgefühl und kann sich freuen – auf das was kommt, sofern jener kleine Glücksmoment unvergessen bleibt.

Der Moment auf der Zielgeraden, wenn man noch nicht ganz da ist, sich schon sicher wähnt, aber immer noch ein kleines Restrisiko besteht, das Ziel zu verfehlen, der ist ja angeblich der Glücklichste – gemessen an Endorphinausschüttung. Zu dem Zeitpunkt kann man auch das Ende noch scheinbar mitbestimmen. Wie bei einem Film, den man das erste Mal sieht. Oder wie bei der noch unbekannten Serie, die das Folge für Folge neu ermöglicht. So hangeln wir uns von Glücksmoment zu Glücksmoment, auf zum nächsten Endporphinschub. Es soll nie aufhören – und dann kommt es doch: Das grande Serien-Finale.

Ich mag es tendenziell eher polnisch.

Kristina Wedel ist freie Illustratorin und lebt in Berlin-Neukölln. Wo andere ihre Smartphones mit nie wieder angesehenen Fotos füllen, hält sie ihren Stift – vorzugsweise einen einfachen, schwarzen Muji-Pen – bereit und zeichnet jene Eigenarten des urbanen Alltags, die sich nicht so leicht ablichten lassen. Für Das Filter hat sie jeden zweiten Mittwoch die Geschichten hinter ihren Bildern erzählt.

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