Plattenkritik: KMRU – Drawing Water (A Sunken Mall)Die beste Ambient-Platte 2023

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Rauschen, Pluckern, Flirren: Der multidisziplinäre Künstler KMRU stellt mit „Drawing Water“ eine Klangwand zur Disposition, die so brüchig wie widerstandsfähig ist.

Wirklich neu ist die Musik nicht. Doch was macht das schon?! Immerhin sind die drei ursprünglichen Stücke und die – dann doch neue –Bearbeitung von Abul Mogard vor wenigen Tagen erstmals „richtig“ veröffentlicht worden: auf LP und Tape beim Berliner Label Vaagner, bzw. dessen Sub-Label A Sunken Mall. Joseph Kamaru – KMRU – stammt aus Nairobi, lebt aber schon lange in Berlin. Der Klangkünstler hat sich u.a. auf Field Recordings fokussiert, von denen man jedoch auf „Drawing Water“ wenig hört, zumindest nicht im prägnanten Vordergrund.

Stattdessen ist Kamarus Ansatz für dieses Album pure elektronische beauty mit jeder Menge Melancholie. Die drei Tracks – „Drawing Water“, „Matching Teal Surfaces“ und „Uneven“ – sind Ambient in der klassischsten Definition des Begriffs. Mich erinnert der Beginn des Titeltracks in seinem komprimierten Rauschen an Deru und dessen Album „1979“, was mich bereits in den ersten Sekunden zum absoluten Fanboy Kamarus Musik macht. Immer wieder stolperte ich in der Vergangenheit über den einen oder anderen Track von ihm, schaute mir Videos an, in denen seine Arbeit dokumentiert wurde, und freute mich darüber, dass das Ballertechno-Streaming-Format Hör tatsächlich auch mehr kuratiert als 4/4.

Auf „Drawing Water“ geht es also um Sound. Um minimal arrangierte Fingerübungen, in denen die Kreativität des Komponisten auf das Innenleben der Maschinen, vor allem aber deren Drang zum Rhythmischen trifft. Eine ganze Armada von Arpeggios jongliert in unterschiedlichsten Tempi und Ansätzen mit den Klängen und Ideen von Kamaru. Mal ganz subtil im tieffrequenten Bass, mal viel offenkundiger in den Melodien. Wer mich ein wenig kennt, weiß, wie sehr ich diesen Groove aus alten Maschinen liebe, dabei spielt das Genre eigentlich gar keine Rolle. Arpeggios machen Druck, liefern Substanz, Orientierung oder Unterbau für was auch immer sich „oben“ abspielen mag. „Drawing Water“ ist perfekt. Hat trotz aller Stille und Zurückhaltung immer einen richtungsgebenden Puls, versinkt also nie in der Belanglosigkeit, die Ambient manchmal eben mit sich bringt, jedoch nie mit sich bringen muss. Aber: schillernde Presets sind oft einfach zu verlockend.

Die drei Tracks kommen direkt aus dem Herzen, haben Dringlichkeit. Changieren in epischer Vorsicht zwischen verschleierter Emotion, latent gebremster Euphorie für Klarheit und einer offenkundigen Faszination für alles, was rauscht, ein wenig kaputt scheint. So entsteht Größe. Die Tracks sind Berge der Sicherheit.

Für die Neuauflage, bzw. Erstveröffentlichung, steuert Abul Mogard – der Italiener Guido Zen – eine Art Megamix der drei Tracks bei. Mit „Drawing Water On Matching Teal Surfaces“ nähert sich der Producer den brüchigen Entwürfen Kamarus respektvoll und dennoch offen. Das sind deepe 17 Minuten. Passen perfekt zu der Deepness der Originale. Eine der besten Platten 2023.

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