Plattenkritik: Lauer - BorndomDer Sommer ist gerettet

Lauer Borndom Cover quadrat

Auch wenn es der Name andeuten könnte – Langeweile gibt es bei dem zweiten Album von Lauer nicht zu hören. Vielmehr ist es einer der schönsten und poppigsten House-Entwürfe seit gefühlt ewiger Zeit. Das ist eine ziemlich große Geste, wenn vielleicht auch gar nicht so gewollt.

Phillip Lauer ist seit jeher der große Pop-Ästhet der hessischen House-Beletage und ein viel beschäftigter Mann. Vor einigen Jahren war er noch mit seiner Band Arto Mwambé oder alleine als Brontosaurus fleißig unterwegs. Das gleichnamige Label versorgte Ende der Nuller Jahre die Dancefloors mit euphorischen und bis dahin selten gehörten House-Entwürfen. Dann betreibt Phillip noch die Tuff City Kids gemeinsam mit Gerd Janson. Und nun legt er auf dem Münchener Label Permanent Vacation sein zweites Soloalbum als Lauer vor. „Borndom“ heißt der Longplayer, in dem Lauer seine Vision von Tanzmusik noch konkreter greift und noch perfektionistischer ausformuliert. Was der Neologismus Borndom sagen will – darüber kann nur gemutmaßt werden. Ist etwa die Rede von angeborener Langeweile? Kokettes Understatement? Schnelle White-Trash-Unterhaltung auf der Kirmes?

Bereits auf dem ersten Album „Phillips“, das auf Gerd Jansons Label Running Back erschien, funkelte es vor breiten Piano-Chords und tragenden Synthesizer-Linien. „Borndom“ wirkt im direkten Vergleich aber noch eindeutiger, noch poppiger und klarer. Lauer hat sich sein eigenes Universum geschaffen. Eines, das sich von Anti-Cheese-Diktaten befreit, keine Scheu vor der großen melodiösen Geste hat und eine Universalität schafft, die momentan wohl die wenigsten so gut beherrschen. Lauers Tracks sind nämlich auch immer Songs. Fein arrangierte Sequenzen und großartige Harmonien, die sich vor Synth-Größen verbeugen (von Jean-Michel Jarre bis Jan Hammer) und statt handelsüblicher Samples lieber putzige, feingeistige Melodien heranzieht. Statt Motown, Funk und New York Disco ist es hier der elektronische Pop/New Wave der 80er Jahre, die das Fundament darstellen. Shep Pettibone statt Frankie Knuckles. Mit „ESC“ gibt es gar einen lupenreinen EBM-Track mit sturer Achtel-Bassline. Das stößt authentischen Hardlinern natürlich auf. So viel kindliche Naivität und Begeisterung ist einfach nichts für Techno-Puristen. Wobei, Musik muss auch nicht jedem gefallen, dafür gibt es ja auch mehr als genug davon auf dieser Welt.

Wer im sonst recht bierernst dreinschauenden Techno/House-Business nach einem schimmernden, dopaminspendenden Licht sucht, der offenherzigen Umarmung nicht abgeneigt ist und sowohl Cabrio-Pimp wie auch schüchterner Geek in einem ist, der wird „Borndom“ lieben. Es ist das Sommer-Album der Saison, auch weil es jetzt schon zeitlos ist, dabei verdammt gut klingt und perfekt arrangiert ist. Danke Phillip für dieses wunderbare Schmuckstück und könntest du bitte das nächste Madonna-Album produzieren?

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