Plattenkritik: Sketch Show – Loophole (Daisyworld Discs, 2003)In Erinnerung an Yukihiro Takahashi

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Am 11. Januar 2023 starb Yukihiro Takahashi, Drummer, Sänger und Gründungsmitglied von Yellow Magic Orchestra. 20 Jahre zuvor hatte er sich mit YMO-Kumpel Haruomi Hosono für das Projekt Sketch Show zusammengetan. Die Electronica der beiden Musiker berührte Thaddeus Herrmann.

Nein, ich war nie ein Fan von Yellow Magic Orchestra. Meine musikalische Welt war zwar ab einem bestimmten Punkt vor allem von der Elektronik geprägt, das YMO-Universum ließ ich jedoch links liegen. Japan war weit weg und wurde erst viel später zum Sehnsuchtsort. Es gibt ja Bands, die man immer respektiert, aber praktisch nie hört. Und wenn das Stichwort YMO fiel, dachte ich an Ryuichi Sakamoto und war von Mr. Lawrence genervt.

2002 erschien „Audio Sponge“, die erste Platte von Sketch Show. „Loophole“ war dann nur ein Jahr später bereits die dritte gemeinsame Produktion. Eine Art Best-of mit vielen neuen Stücken, vielleicht zum ersten Mal wirklich kohärent genug, um es ein Album zu nennen. Wenn ich es richtig erinnere, war „Loophole“ die erste Platte, die auf meinem damaligen Redaktionstisch landete. Ein Label aus UK hatte die Musik lizenziert und rührte die Werbetrommel.

2003 war Electronica ja eigentlich schon tot. Aber wie so oft brauchten die Musiker:innen in Japan ein paar Jahre, um neuere Styles zu analysieren und den eigenen Kulturtechniken anzupassen. So muss das auch bei Sketch Show gewesen sein. Dass Haruomi Hosono in eben jenen Jahren kaum etwas anderes getan hatte, als diese Platten zu kaufen, erfuhr ich erst später.

„Loophole“ klingt noch heute über weite Strecken erfrischend weird und kantig. Die Beats sind selten mehr als CLicks'n'Cuts, das Sound-Design blubberig und manchmal auch ein bisschen egal. Und doch ist dieses Album ein Juwel der besonderen Art. Denn: Takahashi und Hosono können Songs schreiben. Das ist eine Tradition und ein Skill, der in der instrumentalen Electronica nie so richtig wichtig war. Und die Songs tragen den Track-basierten Ansatz des Projekts lassen die freestyligen Explorationen auf ein gemachtes Bett fallen. Das war bei YMO bestimmt auch immer so. Ich kann es nur nicht aus eigener Erfahrung berichten. Und: Die schon erwähnte Weirdness drückt auch den Songs immer wieder auf das Traditionsohr. Ob nun mit Sound oder Vocals. Geht es nach mir, ist „Chronograph“ der Dreh- und Angelpunkt der Platte. Aber was sollen die schwedischen Vocals, gesungen von der Japanerin Chiho Shibaoka? Wie passt das alles zusammen mit den anderen japanischen und englischen Snippets? Und warum endet der Refrain im leisesten „Hände in die Luft“-Euphorie-Moment aller Zeiten? Verträgt sich Dur überhaupt mit Clicks'n'Cuts? Ich habe so viele Fragen. Immer noch. Weiß aber auch, dass gute Songs gute Songs bleiben. Und bei Sketch Show ist das so.

Natürlich gibt es noch andere Gründe, warum mir diese Platte bis heute so wichtig ist. Kurz nach der Veröffentlichung fuhr ich mit meiner kleinen Band nach Japan und spielte drei Konzerte zusammen mit Sketch Show. Freunde wurden wir dabei nicht, mit Takahashi-san habe ich nicht ein Wort gewechselt, glaube ich, mit Hosono-san habe ich aber immerhin in Kyoto einen Tee getrunken. Obwohl er perfekt Englisch spricht, hatte er einen überaus nervösen Dolmetscher dabei. Naja. Stars halt.

Aber wie die funktionieren, finde ich immer wieder irre. Und frage mich deshalb auch, wie viel von Sketch Show tatsächlich Takahashi und Hosono selbst verantworten statt ihrer Crew aus jungen Leuten, die das Equipment schleppten und in der zweiten Reihe hinter den Protagonisten ganze Armadas von MacBooks aufbauten und angestrengt auf die Displays schauten. Wer weiß schon, wie es bei der Produktion von „Loophole“ zuging. Mir ist das auch ein bisschen egal, um ehrlich zu sein. Denn: Wer auch immer die Backing-Tracks gemacht, erdacht und auch durchgesetzt hat, also die musikalische Sprache des Projekts prägte: Für so große Momente wie „Flakes“ oder „Fly Me To The River“ braucht es dann eben doch große Menschen und Stimmen. Fragt mal Martin Gore. Oder nein. Besser nicht.

Leider ist von Sketch Show vergleichsweise wenig überliefert. In Japan sind Tonträger groß und Streaming ... naja ... nicht so geschätzt auf Künstler:innen-Seite. Die drei Alben gibt es, viele tolle Momente, gerade die Live-Aufnahmen, aber nur auf YouTube hier und da zu finden. Das ist schade, weil: „Loophole“ ist das eine, meine Erinnerungen an die Club-Gigs das andere. Die wahre Magie von Sketch Show entfachte sich zumindest für mich jedoch erst mit eben diesen Live-Videos aus späteren Jahren und wirklich großen Hallen, zum Teil dann auch wieder mit Sakamoto. Der spielte seinen Prophet 5 aber nur im Theremin-Winke-Style. Nicht weiter wichtig. Gerade die Performances von Takahashi – am Schlagzeug oder an den Synths – sind so sympathisch. Vielleicht ist es der Hut, den er trägt. Vielleicht sein Wesen. Er war ein Guter und wird es bleiben.

„Chronograph“ – live 2012

„Cue“ – der YMO-Klassiker, gespielt in den Nullerjahren.

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