Video: Technics baut wieder PlattenspielerDinge Design müssen – Teil 20

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Was der Vinyl-Boom so alles möglich macht: Sechs Jahre nachdem Technics die Produktion des legendären DJ-Plattenspielers SL-1200 eingestellt hat, präsentiert man stolz den Nachfolger. Der hat zwar noch kein finales Design, soll aber 2016 in den Handel kommen.

Wie sich die Zeiten doch ändern. Die Fetischisierung der Schallplatte läuft auf Hochtouren, die Presswerke können das analoge Medium gar nicht schnell genug herstellen, die Vinyl-Abteilungen wachsen stetig. Vor ein paar Jahren sah das noch ganz anders aus. Da war die Schallplatte höchstens noch ein Liebhaber-Objekt. Die Industrie beobachtete die Situation, analysierte und handelte entsprechend. Technics – Teil von Panasonic – stellte die Produktion des 1210ers ein, des one and only DJ-Plattenspielers. Der hatte sich aus mehreren Gründen zur weapon of choice für DJs entwickelt. Da war der extrem rund laufende Motor mit so gut wie keinen Gleichlaufschwankungen (Technics hatte den Direktantrieb 1970 selbst entwickelt) und außerdem die robuste Bauweise. Der 1210er galt als unkaputtbar und war deshalb für den Einsatz im Clubs prädestiniert. Und begründete die DJ-Kultur.

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Der Prototyp des ersten Direktantriebs-Motors von Technics, ca. 1970. Funktioniert noch immer.

Technics begründete die Einstellung des 1012ers im Oktober 2010 nicht nur mit drastisch sinkenden Verkaufszahlen, sondern vor allem mit Problemen, die benötigten Bauteile in ausreichenden Stückzahlen beschaffen zu können. Um einen 1210er zu produzieren, musste man sich auf eine sehr kleinteilige Zuliefererkette verlassen, viele der Komponenten waren jedoch einfach nicht mehr zu haben. Wer weiß schon, ob das stimmte oder nicht: Der Mutterkonzern Panasonic hatte in dieser Zeit sowieso mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, da sägen die Controller und Unternehmensberater eben die Sparte ab, die das Aus-dem-Dreck-Ziehen des Unternehmens behindert. Plattenspieler? C'mon! Und tschüss.

Der unausweichliche Aufschrei der Fanboys war dann auch eher kulturell zu erklären. Eine Design-Ikone verschwand vom Markt, ein Stück Technik- und Popkulturgeschichte wurde eingemottet. Zwar schossen die Preise für den Plattenspieler in die Höhe, da DJs auch zu dieser Zeit schon mehr und mehr mit CDs oder Laptop auflegten, wurden einfach die Preise aufgerufen, die andere Oldtimer-Sammler auch bezahlen. Und auch das Argument, es gäbe keine Alternative zum 1210er, gilt mittlerweile nicht mehr. Die Technics-Klone sehen aktuell nicht nur immer noch so aus wie das Original, sondern haben sich mittlerweile auch technisch an den japanischen Panzer angenähert. Und nun, 2015, besinnt sich Technics auf seine Wurzeln und baut wieder einen Plattenspieler mit Direktantrieb. Im nächsten Jahr soll der noch namenlose Turntable auf den Markt kommen. Nicht nur für DJs, versteht sich von selbst. Im Moment ist nicht einmal klar, ob es überhaupt ein Plattenspieler mit von DJs benötigten Features werden wird. Das Design soll sich jedoch am 1210er orientieren. Da scheint zumindest eine DJ-freundliche Variante denkbar. Alles andere wäre ja auch schlichtweg dumm.

Wie gut der Plattenspieler wirklich ist oder wird, das wissen wir erst, wenn Technics das Aluminium flach gefräst hat, den Pitch-Regler eingebaut und den Tonarm aufgesetzt hat. Und wir die Headshell montiert und die Slipmat auf dem Teller platziert haben, den Schalter um- und die erste Platte auflegen. So oder so: Das Herzstück ist ein neuer Motor. Der soll noch besser sein als der 1210er-Standard. Immerhin dreht er sich schon. Ein gutes Gefühl.

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