Cruise macht's wieder möglich: in alter Manier und kein bisschen grauFilmkritik: „Mission: Impossible - Rogue Nation“

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Alle Fotos: Paramount Pictures

Er kann es immer noch: durch die Lüfte schwingen, über Dächer springen, Verfolgungsjagden abliefern. Tom Cruise zeigt in Mission: Impossible - Rogue Nation, dass er auch fast zwanzig Jahre nach der ersten unmöglichen Mission keineswegs zu Hollywoods alternden Action-Helden gehört. Zumal er mit Rebecca Ferguson eine ebenbürtige Partnerin an seiner Seite weiß.

Es ist nun fast zwanzig Jahre her, dass Tom Cruise 1996 in Misson: Impossible zum ersten Mal als Ethan Hunt auf der Leinwand zu sehen war. Seitdem ist viel passiert: Hongkong-Regisseur John Woo inszenierte M:I-2 (2000) als ein einziges, furioses Action-Ballet; J.J. Abrams ging in M:I-3 mal wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nach, erfolgreichen Film-Serien einen zeitgenössischen Anstrich zu verleihen; und der eigentlich als Animationsfilm-Regisseur bekannte Brad Bird legte mit Mission: Impossible - Ghost Protocol (2011) ein mehr als solides Spielfilmdebüt hin. Auch wenn sich in dem neuesten Mission: Impossible-Film Elemente aus den letzten Teilen finden lassen, kehrt Regisseur Christopher McQuarrie (Jack Reacher) mit Mission: Impossible - Rogue Nation doch eindeutig zum Ursprung der Film-Reihe zurück.

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Eine aussterbende Spezies

Der Impossible Missions Force, kurz IMF, droht der Exodus. Ausgerechnet vom CIA wird der Organisation vorgeworfen, zu intransparent zu sein und nicht effektiv genug zu arbeiten. Ihren Staragenten Ethan Hunt (Tom Cruise) hält CIA-Chef Alan Hunley (Alec Baldwin) für einen zügellosen Paranoiker, der seinem eigenen Hirngespinst, einer terroristischen Gruppe aus internationalen Ex-Agenten namens „The Syndicate“, nun schon viel zu lange hinterherjagt. Doch spätestens als der Kopf des Syndikats Solomon Lane (Sean Harris) vor Hunts Augen eine seiner Kolleginnen erschießt und Hunt anschließend verschleppt, weiß dieser, dass es sich bei The Syndicate um eine reale Bedrohung handelt. Nach seiner erfolgreichen Flucht begibt er sich gemeinsam mit seinen alten Kollegen vom IMF, die zu diesem Zeitpunkt offiziell schon nicht mehr existiert, auf seine vielleicht letzte Mission.
Gleich die erste Szene des Films zeigt, was für ein Mensch Ethan Hunt, was für ein Schauspieler Tom Cruise ist. Bei beiden scheint es sich um eine aussterbende Spezies zu handeln. Während Hunts Kollegen Luther (Ving Rhames) und Benji (Simon Pegg) es mit ihren Laptops und Tablets nicht fertig bringen, das A-400 Militärflugzeug, das Waffenmaterial außer Landes schaffen soll, zu stoppen, schreitet er selbst energisch zur Tat. Zu Fuß hetzt er der Maschine nach, erklimmt den Flügel des startenden Flugzeugs und hängt dann an der geschlossenen Tür des Transportraums, hinter der sich das Gefahrgut befindet. Und so geht es den ganzen Film weiter: Cruise auf den Dächern Wiens, Cruise unter Wasser, Cruise in der Luft, Cruise auf rasanter Tour durch Marokko, Tom Cruise im Kampf gegen die Elemente und ganz in seinem eigenen Element – stets ohne Double und Green-Screen. Das gibt es heute kaum noch. Die Hands-On-Mentalität von Tom Cruise bei den Stunt-Aufnahmen machte schon immer einen großen Teil des Reizes der Mission: Impossible-Reihe aus, und auch in Rogue Nation beweist er wieder, warum einige amerikanische Filmkritiker ihn für eine perfekte Mischung aus Buster Keaton und Jackie Chan halten.

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Die Melancholie des Vergangenen

Christopher McQuarrie orientiert sich mit Mission Impossible - Rogue Nation besonders an dem von Brian De Palma inszenierten ersten Teil der Mission: Impossible-Reihe. Genau wie De Palmas grandioser und weiterhin unerreichter Auftakt-Film, der fast mehr an das Kino der 50er- und 60er-Jahre erinnert, als an andere Thriller der 90er, weist auch Mission Impossible - Rogue Nation nostalgische Züge und eine Schwäche für den frühen, klassischen Spionage-Film auf.
Irgendwie passt Ethan Hunt nicht mehr in die moderne Welt. Seine konspirativen Treffen hält er — Vinyl-Boom hin oder her — in einem Schallplatten-Laden ab, wo er nach alten Jazzplatten fragt, was heutzutage eigentlich viel zu außergewöhnlich ist, um noch als Geheimcode durchzugehen. Die Szene in der Wiener Oper, eine von mehreren Verbeugungen vor dem Meister der Suspense Alfred Hitchcock, überzeugt zwar gerade durch ihre starke Behäbigkeit und die zurückgenommene Inszenierung, wirkt aber trotzdem wie ein Relikt aus einer ganz anderen Zeit. Die von Robert Elswit fotografierten, wunderbaren 35mm-Bilder, rauschen, dass es eine wahre Freude ist. Dieser Nachweis der technischen Unterlegenheit gegenüber der neuen digitalen Welt hat jedoch auch eine melancholische, fast schon morbide Qualität. Wie lange werden wir solche Momente der Unreinheit noch im Kino erleben dürfen?

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Wie schon Brian De Palmas erster Mission-Film generiert auch Rogue Nation seine Dynamik aus dem Gegensatz von temporeichen Action-Szenen und plötzlichen Momenten der Entschleunigung, des Innehaltens. Wollte man dem Film etwas Böses, dann könnte man jetzt behaupten, der bereits 53-jährige Cruise brauche diese Augenblicke heutzutage, um nach den körperlich anstrengenden Stunts wieder zu Kräften zu kommen. Doch Spott hat Mission: Impossible - Rogue Nation nicht verdient. Der Film ist eine äußerst gelungene Hommage an das Filmemachen ohne digitale Effekte und natürlich an den eigenen Hauptdarsteller. Und ganz nebenbei besitzt er politische Aktualität in einer Zeit, in der man sich nicht mehr sicher sein kann, in wessen Sinne internationale Geheimdienste eigentlich operieren. Vor lauter Tom Cruise darf jedoch nicht die schwedische Schauspielerin Rebecca Ferguson (Hercules) vergessen werden. Sie spielt die britische Agentin Ilsa Faust mit großem Witz und Charme und zeigt dabei fast ebenso viel körperlichen Einsatz wie Cruise. Sollte Tom Cruise — auch wenn dies wohl eher unwahrscheinlich ist — sich nach dieser Episode dazu entscheiden, Ethan Hunt in den Ruhestand zu schicken, dann kann man den Produzenten, zu denen Tom Cruise selbst und J.J. Abrams gehören, nur dazu raten, mit Rebecca Ferguson als neuer Hauptdarstellerin weiterzumachen.

Mission: Impossible - Rogue Nation
USA 2015
Regie: Christopher McQuarrie
Drehbuch: Drew Pearce, Will Staples
Darsteller: Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Simon Pegg, Ving Rhames, Sean Harris, Alec Baldwin
Kamera: Robert Elswit
Musik: Joe Kraemer
Laufzeit: 131 min
ab dem 6.8.2015 im Kino

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