Auf dem Weg: Beste Freunde, Brückenstraße/Berlin, Januar 2011Eine Kamera, ein Bild und seine Geschichte

Auf dem Weg: Beste Freunde alt

Beste Freunde zum Abendessen einzuladen ist eigentlich immer eine gute Idee. Es sei denn, alle mögen die gleiche Frau ...

Heute wieder ein gelbliches Foto in dieser Kolumne. Ein privater Moment. Ich umringt von meinen ältesten Freunden. Von links: Franz, Ruben und rechts neben mir Frank. Über die Wintermonate 2010/2011 lebte ich in einer hellen Dachgeschosswohnung auf der rauen Brückenstraße. Sie verbindet die Stadtteile Kreuzberg und Mitte. Eine kurze Straße. Gleich am Anfang: ein kleines heruntergekommenes Gebäude, links ein Dönerladen und rechts daneben der legendäre Sage Club. Sonst gibt es dort noch den verruchten KitKatClub, einen Orient Style Friseur, ein abweisendes, unbelebtes Einkaufszentrum und schließlich mit Blick auf die Spree, die Chinesische Botschaft. Eine wahrhaft windige Ecke.

Nach einem anstrengenden Jahr mit vielen Reisen und ohne Heim, fühlte ich mich nach einer Zeit dort sehr wohl. Aus meinem Badezimmerfenster sah ich auf die friedlich qualmenden Schlote der BSR. Eines Abends lud ich meine Freunde zum Essen ein und alle sollten kommen. Franz Dinda war der erste. Wie im Leben. Mein alter Freund Franz, der mir immer und zu jeder Zeit beigestanden hat. Franz, den ich vor zwölf Jahren am Set eines großen Films in Luxemburg als jungen Burschen kennen gelernt habe. Damals steckte er noch mitten im Abitur und ließ gern mal auf sich warten. Franz habe ich immer für seine Energie und seinen Willen bewundert. Manchmal wäre ich auch gerne so fleißig und konsequent wie er. Auch wenn ich weiß, dass er ab und dann verzagt und traurig ist. Dabei ist er kreativ, macht viel, ist Schauspieler, singt, moderiert und schreibt Gedichte. Früher traf man ihn oft in Kims Karaoke Bar in Kreuzberg. Er sang wie Elvis und blieb nie lange allein. Franz und ich haben auch schon zusammen Weihnachten bei meinen Eltern gefeiert. Meine Mutter mochte ihn sofort.

Dann kam mein Freund Ruben Donsbach. Ruben aus Bremerhaven, der mir das erste Mal in einer dunklen Berliner Nacht begegnete. Er wurde mir damals schon als kluger Kopf angekündigt und tatsächlich habe ich mich mit ihm nie gelangweilt, geschweige denn je etwas Uninteressantes aus seinem Mund vernommen. Ruben, der die antiken Helden wie die von Marvel kennt und von Alexander Kluge schwärmt. Ein Mensch, der vom Geist getrieben ist, sei es in seiner Musik, seiner Prosa oder seinen Essays, sich manchmal aber auch darin verlieren kann.

Als letzter traf mein Freund Frank ein. Frank kenne ich seit 2008 und wir waren uns sofort sympathisch. Frank macht es sich nicht leicht. Er liest sich all die Bücher durch, die wir selber gerne lesen würden, die sich dann aber schnell als Arbeit herausstellen. Auch im Leben nimmt er die Dinge sehr ernst und grübelt viel nach über Ursache und Wirkung seiner Handlungen. Seine Heimat ist die Philosophie, sein Geld verdient er aber wie wir anderen auch in den Medien. Frank trägt – selbst wenn er mir beim Umzug hilft – einen schicken Dreiteiler von Herr von Eden. Er sieht eigentlich immer blendend aus.

Nun aber verband an jenem Abend meine lieben Freunde eine gemeinsame Schwäche. Wie so oft ging es auch hier um Frauen. Genauer gesagt, um eine Frau: die irrsinnig kluge, witzige und verführerische Anna Bertheau. Ich kannte sie damals schon gut. Und irgendwie kannte ich im Endeffekt Franz, Ruben und Frank über Ecken wohl auch durch Anna. Wie sich herausstellte, teilte jeder von uns eine mehr oder weniger intensive Verbindung mit ihr, und ab da war eigentlich schon klar, dass der Abend nicht gut verlaufen würde. Die sonst so famosen Männer ergänzten sich an jenem Abend überhaupt nicht. Jeder auf seinem Gebiet ein wahrer Spezialist, jeder auf seiner Spur. Am Ende konkurrierten sie untereinander. Die Gespräche und Themen wurden immer abstrakter, immer hochgestochener und immer absurder. Ich konnte irgendwann nicht mehr folgen und warf mir vor, dass ich diesen Ausgang des Abends eigentlich hätte vorhersehen können.

Zum Glück verlagerte sich die Runde später in die bekannte Bar Drei in Mitte.
Im dichten Qualm des überfüllten Lokals entspannte sich die Stimmung schnell. Nach der Aufregung habe ich viel zu viel Kölsch getrunken, aber gelernt, dass meine Freunde vielleicht auch die damals konkurrierenden Seiten meiner Persönlichkeit repräsentierten und sich wohl auch deshalb an ein und dem selben Tisch nicht vertragen konnten. Selbstverständlich ist mir jeder von ihnen noch sehr lieb und behalte sie noch heute und auch hoffentlich für mein restliches Leben als beste Freunde. Gemeinsam zu Abend gegessen haben wir seitdem aber nicht mehr.

Fabian Zapatka ist Fotograf. Er bereist teils Orte, von denen viele von uns nicht mal wissen, dass es sie gibt. Für Das Filter öffnet er jetzt nach und nach sein Archiv. Ein neues Bild und eine neue Geschichte gibt es jeden Mittwoch, nur hier bei uns.

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