Leseliste: 31. Juli 2016 – andere Medien, andere ThemenM.I.A.-Guide, deutsche Gelassenheit vs. Social-Media-Rausch und Jack Daniel‘s

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Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

Chill Leseliste

Deutsche Gelassenheit

Das bayerische Innenministerium würde Flüchtlinge gern zurück in die Krisengebiete schicken und damit kurzerhand das Völkerrecht brechen, die Rechten weisen gefühlt grinsend daraufhin, dass dieser „Terror“ nun die Quittung für Merkels Flüchtlingspolitik wäre, und gestern im Fernsehen sagte eine Müncherin, dass sie sich jetzt so gar nicht mehr sicher fühle in ihrer Einkaufsstraße. Durchdrehen auf allen Kanälen. Das ist die Innensicht. Glaubt man diesem Artikel aus dem Economist glänzt Deutschland abseits von AfD und Co trotzdem mit „heroischer“ Gelassenheit. Es werde kein Krieg gegen den Terror ausgerufen, nicht nach schärferen Waffengesetzen geschrien und überhaupt seien das eh alles Einzeltäter gewesen. Stimmt. Trotzdem: Interessant, dass gerade die jüngsten Wochen in Deutschland andernorts noch als Vorbild taugen. Sascha Lobo würde das so nicht unterschreiben (siehe unten).

„‚Our sympathy for the wounded and the bereaved, our disgust for the Merkelites and leftwing idiots who bear responsibility!‘ he tweeted. He earned immediate condemnation on social and broadcast media, followed by ridicule once it emerged that the shooter was German. Then the country went on being heroically calm.“

Pure reason

MIA Gif

Das M.I.Alphabet

Das neue Album von M.I.A. steht vor der Tür, ihrer Aussage nach das letzte. Abwarten, aber schade wäre es. M.I.A. ist eine Künstlerin in ständiger Kontroverse. Ob mit Musik („Borders“), mit Videos („Born Free“) oder mit Auftritten (Mittelfinger beim SuperBowl): sobald sie den Mund aufmacht steht sie in der – mit Sicherheit auch von ihr abgezielten – Kritik. Wer sich bislang nicht so richtig mit M.I.A. beschäftigt hat, kann die Diskussionen um ihre Aussagen und ihre Person mittlerweile nur noch mit Mühe nachvollziehen. DAZED schafft Abhilfe mit einem M.I.A.-Lexikon. Also, heute heißt es nachsitzen im Fach Popkultur! Das ist viel Stoff.

„C IS FOR CENTRAL SAINT MARTINS. M.I.A. studied at Central Saint Martins, graduating with a degree in video, fine art, and film in 2001. She infamously blagged her way in by saying that if they didn’t give her a place at the institution, she would turn to sex work instead – recognising the rebellion in her, the institution gave her a place.“

Your ultimate guide to M.I.A.

##Find Footage!
In der Gesamtschau muss man den Medien, den sozialen inklusive, einmal mehr Versagen vorwerfen in der Berichterstattung über die Gewalttat, die sich in München ereignet hat. Aus einem irren Amokläufer, schlimm genug, wurden drei flüchtige, mit Langwaffen bestückte Terroristen. Was ist los? Ein obskures Gemenge aus Etwas-Berichten-Wollen (obwohl es keine Neuigkeiten und schon gar nicht faktische gibt), Etwas-Sagen-Wollen (obwohl abwarten und Fresse halten echt besser wäre), virtueller Schaulust und Geltungsdrang („fast wäre ich dort auch einkaufen gegangen“, „ich habe Freunde in München“) entsteht. Obschon Spontan-Aktionen wie #offenetuer auf Twitter zeigen, dass auch das pragmatische Gegenteil möglich ist („Wir wissen nicht, was los ist, wir bieten euch Unterschlupf, bis wir es wissen“), bildet sich vornehmlich eine individuelle News-Vermutungs-Wurst, die Sascha Lobo vortrefflich als „find footage“ benennt.

„Ein fortwährend aktualisiertes Möglichkeitsbild entsteht, das zwingend mit Hypothesen und Falsifikationen arbeiten muss und genau deshalb keine Chance auf umfassende Richtigkeit haben kann - aber trotzdem von der Öffentlichkeit so behandelt wird.“

Kommunikation in unsicheren Zeiten: rauschhafte Nähe

##Black Daniel‘s
Denken wir an Jack-Daniel‘s-Werbung, denken wir an ältere Männer mit Truckermützen und karierten Hemden, die den ganzen Tag lang herzlich wenig tun. Weiße Männer. Doch nun, wo die Marke aus Tennessee ihren 150. Geburtstag feiert, wird zum ersten Mal kommuniziert, dass der Whiskey eigentlich die Erfindung eines Schwarzen und dazu noch eines Sklaven gewesen ist: Nicht von einem Prediger namens Dan Call, wie es bislang immer hieß, habe der junge Daniel in den 1860er-Jahren das Destillieren gelernt, sondern von dessen Sklaven Nearis Green. Leibeigene waren zu dieser Zeit viel in der Whiskeyherstellung „beschäftigt“ und sie brachten eigene Verfahren, wie die Filtration mit Kohle, in den Prozess ein. Ein erster Schritt, spät, aber immerhin packt das Unternehmen nun die echte Geschichte aus. Vielleicht sieht man bald ja auch ein paar ältere schwarze Herren in der Werbung, beim Kartenspielen zwischen den großen Fässern.

Traces of German, Scots-Irish and English distilling traditions are evident in the American style, but there’s much that can’t be traced to an earlier source — a gap that slave traditions might fill.

Jack Daniel’s Embraces a Hidden Ingredient: Help From a Slave

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Crack Ignaz & Wandl, Thomas Bachner und Michael Kiwanuka

Driving As A Service – Wenn Individualverkehr wie Facebook funktioniertUnderstanding Digital Capitalism II | Teil 6