Das BusinessKaffeeform: Tassen aus Kaffeesatz

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Das einmalige Durchspülen mit heißem Wasser zur Herstellung eines Getränks muss nicht das Ende des Kaffees sein: Ein kleines Berliner Unternehmen macht aus Kaffeesatz stabile Alltagsgegenstände. Tassen für neuen Kaffee sind dabei nur der Anfang.

Ein junger Mann rollt in seinem Erdgeschossbüro in der erdgeschossbüroreichen Choriner Straße auf seinem Penny Board, dem kleinen Bruder des Longboards mit ebenso großen Rollen. Das wäre nichts besonderes, die kleinen Kunststoff-Boards dienen sicher in so manchen hippen Berliner Büros als spaßiges Fortbewegungsmittel und gelegentlicher Unfallverursacher.

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Kaffeeform-Gründer Julian Lechner

Doch dieses Brett ist anders. Es ist aus Kaffeesatz gemacht und damit alles andere als typischer Skate-Werkstoff. „Die TÜV-Prüfung steht noch aus. Mich aber hält es jedenfalls gut, wenn ich drauf fahre“, sagt der junge Mann lächelnd. Er heißt Julian Lechner und ist der Gründer von Kaffeeform. Das junge Unternehmen, gerade mal drei Jahre alt, stellt Alltagsgegenstände aus dem her, was vom Kaffeetrinken übrig bleibt.

Die Idee dazu kam Lechner während seines Studiums des Produktdesigns in Bozen um 2009. Dort trinkt man – Italien – den ganzen Tag Kaffee, es fällt also eine Menge Kaffeesatz ab, der bestenfalls auf dem Kompost landet. Er habe sich in Cafés zeigen lassen, wie viel davon in einem ganz normalen Cafétag „produziert“ werde, erklärt Lechner, und los ging es ans Tüfteln: Wie lässt sich daraus etwas machen, das wiederverwertbar ist? Ein profaner Baukörper kam ihm zuerst in den Sinn, aber seine Designprofs rieten ihm: Mach etwas Greifbares draus. Etwas, das repräsentativ ist und den Kreislauf verständlich macht, den der Rohstoff vollzieht. So kam es zur Espressotasse.

Coworking-Kaffeesatz wird neuer Rohstoff


Hauptbestandteil der Kaffeeform-Tassen ist also der Kaffeesatz. Der wird von Partnern wie den Cafés in den Coworking-Spaces von WeWork bezogen und getrocknet. Und dann mit Biopolymeren, Stärke, Zellulose, Holz, Naturharz, Wachs und Ölen zu einem kleinen, dichten Granulat vermengt. In großen Stahlformen wird das Granulat unter Druck und Hitze verarbeitet und in Form – zum Beispiel Tassenform – gezwängt. Die Fertigung erfolgt in einer sozialen Werkstatt in der Nähe von Köln, derzeit zweimal im Jahr, das Lager befindet sich wiederum in Berlin.

„Es wäre schön, wenn der Kunde versteht und akzeptiert, dass das Material ungleichmäßig ist. Das ist unbehandelter Naturcharme.“

Was vielleicht nach einem typischen industriellen Prozess klingt, ist doch ein Novum der Werkstoffwelt, nach einem weiteren Beispiel solcher Weiterverarbeitung von Kaffeesatz sucht man vergeblich. Ein britisches Unternehmen namens Bio Bean macht Brennstoff aus altem Kaffee, aber eben keine Tasse. Verbundstoff, Formen, Fertigungsverfahren – alles made by Kaffeeform. „In diesem Prozess sehe ich den Kaffee gar nicht als Lebensmittel, sondern als Material, das sonst entsorgt wird. Eigentlich ziemlich nah dran an Holzspänen, die zu Pressspanplatten werden“, erklärt Lechner.

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Das Granulat.

3 Milliarden Kaffeebecher wirft Deutschland jährlich weg

2015, nach diversen Prototypen, stellte Lechner seine Espressotasse das erste Mal dem Fachpublikum vor, auf dem „Amsterdam Coffee Festival“, einem Place-to-be für Spezialkaffee-Fans. „Ich bin da mit dem letzten zusammengekratzten Geld für einen Stand und 250 Tassen hingefahren“, erinnert der Gründer sich. Das Feedback der Profis war sehr positiv und gab ihm gleich einen Impuls mit: Eine Cappuccinotasse braucht Kaffeeform auch, um verschiedene Kaffee-Formen abdecken und somit in die Kaffee-Gastronomie eintreten zu können. Mit dem Verkaufserlös der ersten Tassen wurde die Investition für die zweite realisierbar, und daraus wiederum Produkt drei – der Weducer. Das ist ein To-go-Cup mit Schraubverschluss, der aus 40 Prozent recyceltem Kaffeesatz besteht und selbst zu 100 Prozent recycelbar ist. Wobei Letzteres erstmal egal ist, geht es hier doch darum, den Becher wieder und wieder zu benutzen, um die irre Zahl von drei Milliarden Einwegbechern zu reduzieren, die per annum in Deutschland weggeworfen werden.

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Aber auch, um dem Lippenbekenntnis entgegen zu wirken, das die meisten Mehrwegbecher bislang leisten. Lechner: „Nachhaltig sind die Becher nur dann, wenn sie wirklich benutzt werden: Viele haben einen, aber nur ein Bruchteil davon wird verwendet.“ Für einen Schubser Richtung täglicher Verwendung sorgen immer mehr Cafés dank einer Preisreduktion für mitgebrachte Becher oder einen ersten Kaffee aufs Haus, wenn ein Mehrweg-Cup gekauft wird. Zudem führen immer mehr Kommunen Steuern für Becher ein oder bringen einen eigenen Mehrwegbecher heraus. Und im Zuge der geplanten Verbannung von Einweggeschirr nur noch eine Frage der Zeit ist, wird die Nachfrage nach Nachhaltigem steigen.

Unbehandelter Naturcharme

Klingt doch alles dufte. Kaffeesatz gleich Rohstoff ist genug vorhanden, die Formen sind laut Lechner – inklusive der fürs neueste Produkt, eine bauchige Milchkaffeetasse – abbezahlt, zwei Mitarbeiter unterstützen ihn bereits. Ein expansives Business also? Jein: Gewisse Größen wie eine Fünftausend-Tassen-Bestellung, die gerade abgewickelt wurde, könne man schon bedienen, erklärt Lechner. Auch als B2B-Produkt werden die Tassen bereits angefragt und eingesetzt. Doch noch befinde man sich ein einer Phase, in der es gilt, alle Produkte feinzuschleifen und zu perfektionieren. Auch vor dem Hintergrund, dass es irgendwann Nachahmer geben könnte – was gesellschaftlich natürlich zu befürworten wäre – will Kaffeeform ein qualitativ sehr hochwertige Produkt anbieten und seinen Pioniervorteil nutzen. Womit nicht gemeint ist, die farblichen und oberflächlichen Ungleichheiten zu nivellieren. „Es wäre schön, wenn der Kunde versteht und akzeptiert, dass das Material ungleichmäßig ist. Das ist unbehandelter Naturcharme.“

Weitere Ideen für Produkte aus Kaffeesatz hat Lechner natürlich schon. Zum Beispiel eine Biotonne aus Kaffeeform. Die wäre nicht nur leicht und robust wie die Tassen, sondern würde (zumindest zu Beginn) auch gut riechen. Denn Tassen, Cups und selbst das Rollbrett duften leicht nach Kaffee.

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Das aktuelle Sortiment: Cappuccino-Tasse, Weducer-Cup, Espresso-Tasse, Milchkaffee-Tasse

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