Das BusinessE-Learning: mit Klavierkursen zur Disruption

Das Business Skoove 2nd Alt

Skoove-Gründer: Dr. Florian Plenge und Stephan Schulz

Wer ein Instrument lernen will, muss nur den Web-Browser öffnen, ein Tasteninstrument finden und kann loslegen – zumindest, wenn es nach Skoove geht. Das Berliner Start-up schickt sich an, die musikalische Fortbildung im Internet mit interaktiven Klavierkursen zu revolutionieren. Wie das gehen soll? Jasmin Tomschi und Ji-Hun Kim haben dem Gründer Florian Plenge auf die Finger geschaut.

Webshops durchwühlen, Katzen-GIFs verschicken oder sich beim Binge-Watching auf Netflix verlieren – es ist höchste Zeit für ein Alternativprogramm im grenzenlosen Spielraum Internet: Die Möglichkeiten, seine Zeit dort sinnvoll zu investieren, sind massenhaft. Und nach etlichen Klicks finden immer mehr Internetnutzer Gefallen daran, online etwas Neues auszuprobieren, das nicht mit dem Schließen des Laptops aus dem Gedächtnis verschwindet. Es scheint der perfekte Zeitpunkt für ein junges Unternehmen aus Berlin zu sein, um den Fokus von virtueller Technologie auf etwas Handfestes zu verschieben: die Tasten eines Klaviers.

Doch zahlt es sich wirklich aus, im Internet ein Instrument zu lernen? „61 Prozent aller Menschen [in den USA, Großbritannien, Australien und Deutschland, Red.], die kein Instrument spielen, würden es gerne tun“, weiß Dr. Florian Plenge. Der CEO und Mitgründer von Skoove führt durch ein belebtes Großraumbüro, das sich sein zehnköpfiges Tech-Unternehmen in Kreuzberg mit einer Werbeagentur teilt. Während sich hier im Kiez stadtbekannte Musikclubs aneinanderreihen, lässt Skoove in einer Start-up-getreuen Kulisse – neben einem Motivationsspruch wie „Work is play“ hängt ein Basketballkorb über einem Space-Invader-Motiv – jene Impulse entstehen, die den Online-Markt für das interaktive Lernen von Instrumenten aufmischen sollen.

Jasmin, Florian und Ji-Hun

Funktioniert mit MIDI-Keyboad, aber auch mit richtigem Klavier: Florian Plenge erklärt Jasmin Tomschi und Ji-Hun Kim das Konzept.

YouTube ist so modern wie ein Videorekorder

Dass nur ein Bruchteil der Menschen ihren Wunsch vom Musikerdasein in die Realität umsetzt, liegt an zwei wesentlichen Hindernissen: Einerseits sind klassische Musiklehrer teuer und Übungsstunden mit ihnen oft nur schwer im geschäftigen Alltag unterzubringen. Andererseits schlagen sich diejenigen, die online nach einer ansprechenden Alternative suchen, in erster Linie mit einer Vielzahl wenig strukturierter Video-Tutorials herum. Plenge:

„Was YouTube heute für das Lernen von Musikinstrumenten ist, gleicht einem VHS-Videorekorder. Der Nutzer hat nur sehr wenige Interaktionsmodi und ist andauernd am Stopp- und Zurück-Drücken.“

Doch nicht nur aufgrund von Bedienungsproblemen bleibt nichts hängen: Wer ohne konkrete didaktische Anleitung und ohne Feedback durch unbekanntes Terrain hetzt, kann neu erlernten Stoff nicht nachhaltig verinnerlichen. Plenge:

„Die Leute versuchen es zwar mit Video-Tutorials, machen es dann aber nicht weiter – da ist die Drop-off-Rate enorm hoch.“

plenge

„Viertelstunden-Häppchen eignen sich als Lerneinheit im Internet gut“, findet Dr. Florian Plenge

Lust auf Relevanz

Erste Erfahrung mit der Gründung eines eigenen Unternehmens sammelte Plenge, der seinen Doktor in Physik auf dem Gebiet der Chaostheorie absolvierte, bereits 2003 – damals im Bereich MP3-Downloads für Independent-Labels. „Aber es war schwer, sich auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren und dann habe ich mich entschieden, bei Native Instruments anzufangen.“ Dort gründeten Plenge und sein zukünftiger Skoove-Partner Stephan Schulz zusammen die „DJ Division“. Nachdem sich Plenge als Product Owner von Traktor jahrelang damit beschäftigt hatte, wie man DJ-Paradigmen in einer Software vereint, ging er Ende 2015 mit Schulz – der zwischenzeitlich das drahtlose Multiroom-HiFi-System Raumfeld entwickelte – in die Beta-Phase der Internetplattform für interaktive Klavierkurse.

Aber warum genau Klavier? Weil es neben Gitarre das mit Abstand größte Segment im Bereich des Instrumente-Lernens ist, ganz einfach: „Wir haben Lust auf Relevanz und einen großen Markt“, verrät Plenge. Im Oktober 2014 startete das Kernteam, bestehend aus den beiden Gründern, einem Software-Entwickler sowie einem Musikpädagogen und Klavierlehrer, der für das Didaktik-Konzept und die vernünftige Aufbereitung der Lerninhalte verantwortlich zeichnet. Zuerst für einige Monate ins Förderprogramm des „Microsoft Ventures Accelerators“ aufgenommen und später mit Wagniskapital des High-Tech-Gründerfonds unterstützt, arbeitet Skoove seit Beginn nach der „Lean-Startup-Methode“ von Eric Ries:

„Wir formulieren eine Hypothese und testen unser Produkt dann sofort an Nutzern, nehmen die Learnings auf und iterieren Konzept und Entwurf.“

Hören, lernen und spielen im Abo

Musikschüler/Mitglied bei Skoove wird man mit einem monatlich kündbaren Abo, das einem neue Fähigkeiten und dazugehöriges Wissen für knapp zehn Euro beibringt. Frei belegbare Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene sind in Lektionen unterteilt, die aufeinander aufbauen und Inhalte in kleinen Schritten vermitteln. Unter anderem, „weil sich Viertelstunden-Häppchen als Lerneinheit im Internet gut eignen“, wie Plenge findet. Gepaukt wird interaktiv im Web, wo MIDI- und Audio-Signale mit einer neuen Technologie in den Browser implementiert werden. Zum Musizieren mit einem erstaunlich vernünftigen Klaviersound kann der Nutzer mit Kabel verbundene Keyboards verwenden. Seit einigen Wochen aber auch akustische Pianos, wobei ein mit dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie entwickelter Algorithmus gespielte Töne alternativ über das integrierte Mikrofon des Computers registriert.
Das Setup kostet ihn ungefähr fünf Minuten, dann lernt er nach dem Vorbild eines Klavierlehrers, dessen Handführung auf dem Display verfolgt werden kann, seine erste Melodie. „Dadurch bringen wir extrem einfach Technik bei, weil der Mensch automatisch immer das nachahmt, was er sieht“, erklärt Plenge. Zudem arrangiert Skooves Musikpädagoge Dominik Schirmer, der schon als Dozent am Liverpool Institute for Performing Arts unterrichtete, sämtliche Musikstücke so, wie sie für das individuelle Lernstadium richtig sind. Dank automatischer Anpassung an das Lerntempo des Schülers und Feedback in Echtzeit können fleißige Abonnenten auch ganze Titel schon nach wenigen Stunden selbstständig spielen.

Skoove Raum

Seventies-Flair: Das Büro teilt sich Skoove mit einer Werbeagentur

scoove hoch

Der Scoove-Lernmix: uplifting und melancholisch

Für Anfänger, Wiederbeginner – und Producer

Dabei ist der Anspruch von Skoove stets jener, es dem Anfänger möglichst einfach zu machen. Ihn nicht zu überwältigen, sondern mit einem reduzierten Feature-Set zu motivieren. „Für mich ist außerdem ganz wichtig, dass es keine Skalen oder langweilige Übungen gibt, sondern es immer darum geht, etwas zu lernen, das man anderen auch vorspielen will“, erklärt Plenge.
Seine Web-Applikation besteht aktuell zu 70 Prozent aus Popmusik, während die restlichen 30 Prozent klassische Stücke sind. „Das resultiert in einer guten Mischung aus Uplifting-Songs und melancholischen Liedern aus ganz verschiedenen Epochen.“ Während Skooves Zielgruppe sehr breit ausfällt, lassen sich dennoch drei Nutzergruppen erkennen, die maßgeblich von dem Produkt profitieren sollen: Erstens diejenigen, die noch nie ein Instrument gespielt haben. Zweitens solche, die in der Vergangenheit bereits Erfahrung mit einem Instrument sammeln konnten und über den Online-Service wieder Anschluss finden wollen. Und drittens diejenigen, die Musik produzieren und ihre Skills mit dem Background einer klassischen Ausbildung und Notentheorie aufwerten wollen.

Wird das Online-Instrumentlernen zum Standard?

So oder so unterliegt das Lernen im Allgemeinen, aber speziell im Internet, einer wesentlichen Herausforderung: eine Routine zu finden und sich daran zu halten. In Bezug auf die notwendige Motivation verzichtet Skoove im Moment noch auf einen Gamification-Charakter – zumindest solange, bis das Produkt nicht nur im Browser, sondern auch als mobile App zum Download bereitsteht.

„Zum Thema Motivation haben wir schon vor einiger Zeit ein ganzes Forschungsprojekt eingereicht, weil wir die Chance haben, über das Lernen von Musikinstrumenten ganz gut zu sehen, was die Leute anspornt. Über A/B-Tests bieten wir dann verschiedene Wege an und können messen, welcher für die Retention der bessere ist.“

Um das Potenzial eines anscheinend viel versprechenden Marktes noch mehr auszuschöpfen, wolle man das Produkt um Gitarre und die Möglichkeit erweitern, übers Tablet zu lernen, ferner Breite und Tiefe des Angebots auszubauen. Seinen Fokus wird Skoove auf Nutzer aus Europa und die USA legen, aber vielleicht auch bald auf China. Dort werden schließlich weltweit die meisten Klaviere verkauft. Dass das Produkt dabei relativ unkompliziert an neue Märkte angepasst werden kann – „wir müssen ja eigentlich nur übersetzen“ – wird sich lohnen: Laut Plenge wird es schon in einigen Jahren Standard sein, sich mit Hilfe von Angeboten wie dem von Skoove etwas Neues beizubringen. Aktuell wartet der Markt, den er revolutionieren will, noch auf die richtige Innovation. Und auch auf die nötige Publicity für Investoren und Kundschaft, die sich daraus ergibt. Ob sich die Skoove-Methode tatsächlich durchsetzen kann, wird sich erst zeigen. Doch im Vergleich zu anderen Online-Lernangeboten wirkt sie zukunftsweisend, und Plenge ist schon jetzt überzeugt davon, dass Abo-Modelle wie seines über kurz oder lang zu einem sehr ausdifferenzierten Markt führen werden. Einem, in dem es „10, 20 oder auch hunderte erfolgreiche Special-Interest-Apps nebeneinander geben wird. Ich glaube aber auch, dass es in ein paar Jahren eine Plattform geben wird, die Millionen Nutzer hat.“

Skoove

Richie Hawtin in the mix(er)Der Model 1 definiert den Clubmixer neu

Mix der Woche: Zoon van snooKOddtronic – zwischen zaghafter Electronica, Harfe und House