Filter Tapes 015„Bedroom Magic“ von Till von Sein

Filter Tapes 015 Till von Sein Cover

Aus seiner Vorliebe für R'n'B und Soul hat der DJ, Produzent und Booker Till von Sein nie einen großen Hehl gemacht. Auch auf seinem neuen Album „Precious“ widmet er sich konzentrierter den sanften 808-Grooves und rückt den Fokus weiter weg von der geraden House-Bassdrum. In seinem exklusiven Filter Tape mit dem Titel „Bedroom Magic“ beschäftigt er sich programmatisch mit einem besonders intim-schönen, wie auch sensiblem und verminten musikalischen Bereich: dem Soundtrack fürs Schlafzimmer. Im Interview sprachen wir über die Entstehungsgeschichte des Mixes, seine aktuelle Platte, Grundlagen für gut gebuchte DJs und ernstgemeinte Praxistests.

#Tracklist

  1. Patrice Rushen – Remind Me
  2. Isley Brothers – Between the Sheets
  3. Maxwell – Gravity
  4. Sade – Cherish the Day
  5. Erykah Badu – Kiss me on my Neck
  6. Marvin Gaye – Inner City Blues ( make me wanna holler)
  7. Alicia Keys – Un-thinkable
  8. Beyoncé – Yes
  9. Jodeci – Love u 4 Life
  10. Lilo Thomas – Wanna make Love
  11. Bobby Brown – Rock Wit’cha
  12. Keith Sweat – In the Mood
  13. R.Kelly – Sex in the Kitchen
  14. Janet Jackson – Lets wait awhile
  15. D’Angelo – Lady

Lass uns über dein Filter Tape reden.
Normalerweise – ich mache ja öfter Mixe – schießen die bei mir aus der Hüfte heraus, aber diesmal habe ich länger gebraucht. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich verkrampft dabei war. Aber ich musste schon versuchen, die goldene Mitte zwischen Abnerden und Zu-cheesy-werden zu finden. Das war gar nicht so leicht.

Das ist ja auch eine Idee der Filter Tapes. DJs ein bisschen herauszufordern, Mixe zu machen, die sie vielleicht noch nie gemacht haben oder schon immer mal machen wollten. Dein Mix nennt sich „Bedroom Magic“ und featuret viel Soul- und R’n’B-Musik. Dein neues Album „Precious“ lässt aber auch viel davon durchklingen. Es gibt weniger House-/Dancefloortracks als erwartet.
Stimmt. Das ist in etwa 50/50.

Ich weiß ja, dass du da eine Vorliebe für diese Musik hast. Aber wie ist es dazu gekommen, dass auf dem Album so viel davon vertreten ist?
Nach dem ersten Album habe ich angefangen, erste ruhigere Tracks zu veröffentlichen. So wirklich viel House habe ich ja nie zu Hause gehört. Primär mache ich daheim R’n’B-Tracks zum Runterkommen. Nach einem Bürotag setzte ich mich hin und mache Beats. Dann aber vier Stunden lang eine gerade Bassdrum zu hören, entspannt mich nicht so richtig. Es sind daher erstmal einige langsame 808-Beats mit ein paar Flächen entstanden. Das lullt mich immer schön ein, dann kann ich entspannt ins Bett gehen und gut ist. Andere Leute trinken ein Glas Wein oder rauchen einen Joint. Da ich beides nicht mache, ist Musik machen meine Form des Chillens nach der Arbeit. Irgendwann sprachen wir wieder darüber, ob ich nicht ein neues Album machen würde und zu dem Zeitpunkt gab es aber nur R’n’B-Songs. Nachdem aber die ersten Freunde das Material gehört haben, war das Feedback sehr positiv: „ Ja geil Digger, machst du jetzt ein R’n’B-Album oder was?!“ Zu dem Zeitpunkt war das alles noch sehr sketchy. Aber dann kam weiteres Material dazu und so ist das entstanden.

Heißt das, deine DJ-Sets sind auch ruhiger geworden?
Eher nicht. Ich bin auch einer der wenigen aus meiner House-Generation, die noch immer konsequent House spielen und kein Techno oder Trance oder was auch immer gerade angesagt sein mag. Aber wenn ich merke, dass die Situation passend ist, wage ich das auch mal. Letztens im Farbfernseher war so ein Moment. Aber dann gibt es einen Teil, der das komplett abfeiert und die anderen stehen da und fragen sich: Was passiert jetzt gerade? Das ist mir in der Panoramabar auch letztes Jahr passiert. Da habe ich einen R’n’B-Edit gespielt und einige gucken dich an, als wollten sie dir gleich an die Kehle. Zwischen 2011 und 2013 gab es eine Zeit, da waren Dancefloors ein bisschen offener. Da konnten man auch mal eklektischer sein. Aber über die letzten anderthalb Jahre ist es an vielen Orten wieder sehr engstirnig geworden. Es gibt ja viele Post-New-Wave-Kids, die jetzt anfangen, Deep House zu machen. Die sind anders sozialisiert, die kennen den anderen Background nicht. Der ganze Hype um Techno und auch Leute wie Dixon führt dazu, dass gerade alles wieder eindimensionaler wird. Wobei weder Techno noch Dixon daran Schuld haben, aber die Leute, die jetzt mit diesem Sound sozialisiert werden und denken, das sei der echte Scheiß. Vor paar Jahren gab es mit Leuten wie The Revenge oder Soul Clap ja noch angesagte DJs, die Musik offener verstanden und gespielt haben.

Till von Sein Portrait 2 Benedikt Filter Tape 015

Aber dein Label Suol hat sich die vergangenen Jahre ja aber auch in eine poppigere Richtung entwickelt. Fritz Kalkbrenner sowieso, aber auch Künstlerinnen wie Meggy stehen immer weniger für den klassischen Clubfloor.
Labels wie Suol, die mit der Zeit erfolgreich werden, haben ja irgendwann ein Problem. Das ist wie bei Poker Flat damals. Eine Zeit lang haben die einen Hit nach dem anderen veröffentlicht. Leute wie Martin Landsky usw. Das Problem ist, sobald du auch als Musiker erfolgreich bist und mehr gebucht wirst, machst du keine Musik mehr. Das ist eine Krux, mit der viele Labels zu kämpfen haben.

So siehst du das?
Das ist der Klassiker. Das hat aber auch viel damit zu tun, warum Leute Musik machen. Es gibt halt viele, die produzieren, um Bookings zu bekommen. Andere machen Tracks, die sie auf dem Floor hören wollen oder eben Leute wie mich, die das zum Einlullen und Runterkommen machen. Aber um kurz zum Label zurück zu kommen. Umso mehr ein Daniel Bortz gespielt hat, desto weniger Tracks hat er veröffentlicht. Das Gleiche gilt auch für Trickski, die nebenbei auch noch Daytimejobs haben. Für ein Label ist so eine Situation schwierig, weil eigentlich willst du ja Musik veröffentlichen. Und plötzlich hast du Slots, die du nicht mehr füllen kannst. Dazu kommt, dass einige plötzlich ihren Stil ändern und statt Deep House plötzlich Marcel Dettmann und Dixon cooler finden. Das kann einen Labelsound schon verwässern.

Gibt es bei deinen Produktionen einen Unterschied, ob du einen R’n’B- oder Dancefloor-Track machst?
Nein. Wobei ich auch wahrscheinlich einen Dancefloor-Track ganz anders mache, als viele andere. Ich gehe da nicht so mechanisch ran: Erst 32 Takte Beat, dann 16 Takte Break, dann wieder die Bassdrum. Ich benutze aber auch keine klassischen Songstrukturen: Strophe-Refrain-Strophe-Bridge. Bei der Zusammenarbeit mit den Sängern stellte sich aber auch heraus, dass die meisten das auch gar nicht so wollten. Sie mochten, dass die Tracks eher wie ein Jam klingen und nicht so durchstrukturiert sind.

Du arbeitest aber sonst auch noch als Booker?
Ja, volles Rohr. Der Job ist mir weiterhin sehr wichtig und das gebe ich nicht auf. Ich habe im Laufe der vergangenen Jahre viele Künstler und Labels mit erfolgreich aufgebaut. Von Kollektiv Turmstraße, Aka Aka bis hin zu Keinemusik, die alle damals klein angefangen haben und vor ein paar Jahren noch für eine Flasche Vodka im Picknick aufgelegt haben. Das ist toll zu sehen, wie so etwas wächst und man auch seinen Beitrag zu solchen Karrieren leisten kann. Auf der anderen erdet mich dieser Alltag auch. Gerade bei dem ganzen DJ-Glamour-Heckmeck, der einen gerne mal von einem richtigen Privatleben fern hält, wenn man seine ganze Zeit nur in Clubs verbringt.

Till von Sein Precious Cover

Till von Sein, Precious, ist auf Suol erschienen.

Was braucht ein DJ, um gut gebucht zu werden?
Eine gute Frage. Als DJ braucht man viel Zeit und Energie. Um in deiner Heimatstadt und in ein paar anderen Städten für 300 Euro aufzulegen ist nicht schwer. Aber dann in Tokyo und Ecuador zu spielen, dafür braucht man Zeit. Du hast als DJ zwei Möglichkeiten: Wenn du Glück hast, bist du Resident in einem der bekannten Clubs. So etwas wie Berghain, Fabric oder Trouw. Aber das ist wie mit Apple, Mercedes-Benz oder Nike. Da brauchst du mit Diadora oder Kia nicht anzukommen. Der andere Weg sind die Produktionen. Klar, ist das der einfachere Weg. Aber auch hier gibt es mittlerweile so viele Artists – wobei ich schon zur Minimal-Zeit dachte, das Limit wäre schon erreicht – sich da durchzusetzen und eine Marke zu werden, das ist der Wahnsinn geworden. Auf jeden Fall musst du coole Platten machen. Aber dann musst du auch ein cooler Typ sein. Wenn ein Club dich wegen deiner coolen Platte bucht, dann müssen die denken: Der ist nice und smart und reißt sich für die Crowd den Hintern auf. Wenn du vielleicht die coolste Platte des Planeten gemacht hast, du aber ein Arschloch bist, einen Scheiß auf die Leute gibst, dann ist deine Karriere trotz Überhit nach zwei Jahren vorbei. Das habe ich oft gesehen.

Lass uns nochmal zu deinem Filter Tape zurück kommen.
Ich denke noch immer, dass in Deutschland R’n’B und Soul ein schwieriges Pflaster ist. Es ist noch immer schwierig, Gefühle so auszudrücken. Man versteht nicht die Emotionen, um die es in der Musik eigentlich geht. Kurz gesagt: Deutsche haben keinen Soul, auch wenn das der vielleicht krasseste Diss aller Zeiten ist (lacht). Ich kann mich daran erinnern, dass zu meiner Zeit, so etwas eben Schlafzimmermusik für Leute war, die nicht den besten Ruf hatten. So ist der Name natürlich auch ein bisschen ironisch gemeint. Bei der Songauswahl habe ich einige Türöffner gewählt, die nicht so offensichtlich sind, wo auch ein Nicht-Fan denken könnte: Das ist cool.

Hierzulande können sich auf Erykah Badu und D’Angelo noch viele einigen …
Aber Bobby Brown und R.Kelly sind dann schon richtig scheiße.

Aber eigentlich ist das die gleiche Musik. Das ist das, was du sagen willst.
Das gehört für mich zusammen. Das muss man gleichzeitig denken.

Würdest du den Mix „Bedroom Magic“ auch bei einem Date spielen?
Das habe ich sogar ausprobiert. Quasi on the road getestet (lacht).

Hehe, das ist ja gut. Und hat’s funktioniert?
Klar. Das musste ich schon machen. Ich nehme das ja ernst.

Für dieses Filter Tape gestaltete Johanna Goldmann das Artwork. Die Aufgabe: Während der Zeit des Tape-Hörens ein Bild assoziieren, finden, ausdenken und umsetzen. Auch Mixtapes haben passende Bilder verdient. Vielen Dank, Johanna!

Till von Sein Portrait Benedikt Filter Tape 015

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