Plattenkritik: Romano - Jenseits von KöpenickFunktioniert nicht ohne Bomberjacke

Romano Cover Plattenkritik Jenseits von Koepenick

Kein deutscher Künstler hat in diesem Sommer einen größeren Hype erfahren, als der blondgezopfte Bomberjackenträger Romano. Nun steht sein Album „Jenseits von Köpenick“ seit gut einer Woche in den Regalen. Was bleibt vom Hype? Platz 36 in den Charts. Der Rap-Techno-Schlager mit Pseudo-Polit-Exkursen taugt eben doch nur für den schnellen Schuss Belustigung und funktioniert nicht ohne audio-visuelles Gesamtpaket.

Das erste Mal ist Romano mir auf Siriusmos letztem Album „Enthusiast“ untergekommen. Das war 2013, lange bevor Roman Geike aka MC Ramon aka Romano seine Metalkutte besang, aber damals natürlich schon vollkommen selbstsicher in Sachen Style: blond geflochtene Zöpfe, Bomberjacke, türkisblaues Hemd – so sieht er aus, der Cornerboy von Köpenick. Dass die Reise noch nach „Jenseits von Köpenick“ führen würde, war damals noch nicht zu ahnen. Das kündigte sich erst mit „Metalkutte“ und dem dazugehörigen Video an. Darin rappt der Bomberjackenträger (San Francisco 49ers) auf minimalen Beats mit Synthieeinwürfen inhaltlich versiert über die Aufnäher auf der Lederjacke, die jeder ordentliche Metal-Fan im Schrank hängen hat.

„Check mal meine Patches, heute ist Konzert. Guck mal wie sie starren, auf mein Meisterwerk.“

Peng – mit einem Track bei der JUICE und im Metal Hammer gleichzeitig gelandet. Der Funke des medialen Strohfeuers war gezündet, es folgten Features und Interviews in BZ, Spiegel und ZEIT, in den relevanten Musikmedien NOISEY, Musikexpress und Spex sowieso. Auftritte beim MELT!, SPLASH und im Berliner Club Kater Blau kamen im Sommer dazu. Deutsche Popkultur hatte endlich wieder ein Phänomen, neu, verwirrend, und einhundert Mal interessanter als Wanda und Bilderbuch zusammen.

Mit „Köpenick“ eröffnet Romano sein Album mit einem Gegenentwurf zu Sidos „Mein Block“, entfernt sich aber gleich wieder von jeglicher Rapper-Attitüde. Denn dass Roman Geike einst Schlager gemacht hat, ist bei ihm keine Peinlichkeit, sondern wird zum Markenzeichen. Schon der zweite Track des Albums, „Der schöne General“, macht keinen Hehl daraus.

„Ich hol dich ab in meiner Limousine / Und wir gehen schwimmen zwischen Delfinen / Du bist wie teurer Schmuck, hab mich in dich verguckt / Du darfst mir ewig Liebe schwör’n.“

Im Anschluss wird leichte, unpräzise Kapitalismuskritik serviert, „Brenn die Bank ab“ kommt mit kurzen Versen auf Elektro-Beats dem Deichkind-Sound sehr nah, wobei letztere in Sachen Lyrics doch deutlich pointierter daherkommen. Leider fängt Romanos abgehackter Flow schon in den kommenden Titeln an zu langweilen – irgendwann nervt es dann sogar. Über den bereits erwähnten Song „Metalkutte“ kommt man zu „Romano und Julia“. Die dort poppig melodisch besungene große Liebe stellt sich als bloße Tinder-Träumerei heraus. Ein bisschen flach, denkt man sich an dieser Stelle, und ahnt bereits: deeper wird’s nicht. Dafür reitet man dann zusammen „mit dem Malboro-Mann in den Sonnenuntergang“. Der allgegenwärtig nervende Trend vom gesünderen/ökologischeren/besseren Leben ist von Köpenick eben noch ganz weit entfernt. Zum Schluss wird dann noch das wichtigste Rapklischee vom „Straße-sein“ demontiert.

Wer das Album einmal gehört hat, muss das nicht noch ein zweites Mal tun. Romano hat im Vorhinein der LP vor allem durch die visuelle Seite seiner Kunst Aufsehen erregt: undefinierbarer Style, gut produzierte Videos. So viele Fragen: Wer ist dieser Typ? Warum macht er das? Ist das Realness, Kunstfigur oder doch nur reines Marketing?

Mit der schrittweisen Entschlüsselung des Künstlers durch Videos, Auftritte und Interviews ist auch der Zauber geschwunden. Und wenn es dann wirklich nur noch um die Musik geht, bleibt nicht mehr viel übrig. Platz 36. Da hilft auch der größte Medienhype nichts.

„Jenseits von Köpenick“ ist bei Virgin/Universal erschienen.

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