Plattenkritik: Sun People – Emotional Distortions (Candy Mountain)Wenn der Hybrid-Floor brennt

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Der Österreicher Simon Hafner schickt sechs Tracks in die Umlaufbahn, die zwischen Techno, Electro, Footwork und Post-Everything alles abreißen. Hat Hafner immer schon so gemacht, kann er jetzt noch besser.

Es gibt Sounds, die die Welt für mich bedeuten. Neulich erst versuchte ich, das am runden Tisch in Bezug auf Frank & Tony in Worte zu fassen. Die dort erwähnten Klänge von kurzgeschlossenen Schaltkreisen sind aber bei weitem nicht die einzigen Marker, die mein eigentlich dancefloormüdes Herz dann doch immer wieder hüpfen lassen. Simon Hafner ist einer der Produzent:innen, die mich im regelmäßigen Abstand wegen genau solcher Sounds umhauen.

Simons Musik verfolge ich schon seit ziemlich langer Zeit. Nicht kontinuierlich, aber immer wieder – on and off sozusagen, vor allem erinnere ich die Releases als Simon/off, das passt also. Der Grazer ist ja auch schon lange genug dabei.

Sein Projekt Sun People hatte ich tatsächlich nicht zu 100 % auf dem Schirm. Auch seinen Release auf dBridges Exit Records – „Transitions“ von 2021 – musste ich zunächst nachhören. Was für Slammer. Was für eine footworkige Geschwindigkeit im Drum-and-Bass-Schmeichelanzug.

Die Tracks auf „Emotional Distortions“ zucken ebenfalls schneller als ein Daumenkino auf Speed – und smoothen doch weich und tief. Die Sounds, die Simon Hafner hier droppt und mich so mitreißen, sind zwei Reminiszenzen: latent kaputte Rhythmen und verdubbte Chords. Beides spielt auf den (im Digitalen) sechs Tracks der EP nur eine Rolle unter vielen, funktioniert jedoch wie eine hammergeworfene Tentakelankersammlung eines noch zuckendes Tintenfisches. Orientierung in einem Hochgeschwindigkeitsdschungel, in dem selbst der schnellste Schinkansen nicht hinterherkommen würde. Jeder Bounce atmet Electro. Und Techno. Und 8-Bit-Lektorat unter dem Neonschirm auf regennassem Asphalt schräg gegenüber des Proberaums von George Clinton, wo Kraftwerk gerade unplugged arbeiten und Mark & Moritz Erste Hilfe leisten. Es ist schwül, und doch weht eine angenehme Briese. Es liegt Strom in der Luft. Eine Art von Strom, die den Dancefloor zu einem besonderen Ort macht.

Dass diese EP auf Candy Mountain, dem Label von Steffi und Virginia erscheint, ist nur folgerichtig. Beide wissen sehr genau, dass es Vergangenheit und Gegenwart braucht, um der Zukunft wieder Pracht zu geben. Denn „Emotional Distortions“ ist genau das: ein Blick in die Zukunft. Mal wieder, ja, vielleicht. Die schiere Kraft jedoch wird bleiben.

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