Wochenend-WalkmanDiesmal mit DJ Quik & Problem, Running Back Mastermix und H. Takahashi

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.

DJ Quik Problem Rosecrans Cover

DJ Quik & Problem – Rosecrans

Ji-Hun: Dieses Album ist eines jener Kategorie „Wie konnte man das nur verpassen?“. Nun sind ein halbes Jahr eigentlich keine Ewigkeit, aber bereits im letzten Jahr erschien die Rosecrans EP der beiden Comptoner Künstler DJ Quik und Problem und wurde daraufhin erst auf Albumlänge angepasst. Vollkommen zurecht. DJ Quik ist mit Jahrgang 1970 ein alter Hase der Westküste, den wirklich großen Durchbruch hat er nie erlangt. Und auch der Rapper Problem ist trotz des großen Compton-Post-NWA-Hype um Kendrick Lamar bei nicht so vielen auf dem Radar gelandet. Das Album ist gewissermaßen auch ein Treffen der Generationen. Problem ist Jahrgang 1985 und ich bin verleitet zu sagen: „Rosecrans“ ist eines der besten HipHop-Alben seit vielen Jahren. Ein Instant Classic. Und vielleicht ist es auch gut so, dass sie nicht in der 500 Mio. Vevo-Klickliga angekommen sind. Denn dieses Werk ist autark, irrsinnig kräftig, musikalisch und macht so viel richtig. Großes geschichtsbeflissenes Sampling, eleganter G-Funk (was macht Warren G eigentlich?), präzis-prägnante Produktionen und stets unter jener schwierig-schmierigen Schwelle, wenn Rapper heuer plötzlich Influencer sein wollen. Für die Jahresbestenliste wird dieser Longplayer jetzt schon einen Ehrenplatz bei mir einnehmen. Eine Platte, die mir die Hoffnung in Rap wieder zurückgibt und für mich daher auch wichtiger ist als Kendricks „DAMN.“. Dafür lass ich mich auch von allen Pseudo-Besserwissern freiwillig mental steinigen.

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Tony Humphries DJ Mix Running Back Walkman 20171028
Gerd Janson Portrait

Tony Humphries – Running Back Mastermix

Benedikt: Lieber Gerd Janson,
Alles Gute zum 15. Geburtstag deines Labels Running Back. Als du dir 2002 eine Studi-Pause gegönnt und nichts besseres zu tun hattest, tatest du dich mit Thorsten Scheuer zusammen und ihr habt Running Back ins Leben gerufen. Ich war damals schon fast 12, entsprechend wenig hat mich das tangiert. Ich weiß auch gar nicht, wie viele das anfangs überhaupt interessiert hat. Heute stellt sich diese Frage nicht mehr. Mittlerweile dürftest du so ziemlich allen, die regelmäßig ihre Runden auf den House- und Technofloors dieser Welt drehen, unvergessliche Momente beschert haben – ob nun als DJ oder dank der Musik, die via Running Back auf den Plattentellern und USB-Sticks dieser Welt gelandet sind.
Ich habe – und das ist mein voller Ernst – noch nie jemanden sagen hören, dass ihm dein Stil an den Decks oder das Label mit seinem unvergleichlich vielseitigen Katalog missfällt. Dafür kenne ich aber einige, und das ist ebenso mein Ernst, die dich vergöttern. Spielst du in der Panorama Bar, hat deren Wochenende nur einen Termin, der ist dafür obligatorisch. Wie ist das möglich, dieser totale Zuspruch?
Du bist der gefühlt einzige Künstler im Dunstkreis der Vierviertel, der auf seinen Pressefotos lacht, mehr noch: strahlt. Und ich sehe da durchaus einen Zusammenhang. Diese Freude und sympathische Herzlichkeit, an der man auch beim Blick in deine Booth nicht vorbeikommt, steckt irgendwo in jedem Running-Back-Release. Dieses Grinsen hält den Katalog der so verschiedenen Veröffentlichungen von Künstlern wie Todd Terje, Tiger & Woods, Redshape, Kink, Radioslave, Lauer, Leon Vynehall, Mr. G und weiteren Garanten für brennende Dancefloors zusammen. Einige von ihnen hat Tony Humphries hier im zweifellos tollen DJ-Mix vereint. Danke Gerd.

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H Takahashi Raum

H. Takahashi – Raum

Thaddeus: Es sei Stille. Einfach nur Stille. Unten auf der Straße hupen Business-Mama im SUV und LKW-Fahrer nicht mehr um die Wette, die Touris aus dem Hostel lassen keine Bierflaschen mehr fallen, alle Sirenen sind kaputt, die Tram quietscht nicht mehr in der Kurve, der Vibrationsmotor des Telefons vibriert nicht mehr, die Kneipen räumen ihre Tische rein, die Haustür fällt sanft und geräuschlos ins Schloss, die Bassdrum ist verboten, Bluetooth-Lautsprecher in den Rucksäcken von Schülern auch, Kinder weinen nicht mehr, die Elektroroller werden noch leiser, Fahrradketten schleifen nicht mehr, der Himmel ist frei von Flugzeugen und Helikoptern, in der S-Bahn gibt es keine Ansagen, die Türen schließen ohne Dreiklang. Es sei Stille. Und dann kommt H. Takahashi. Ich weiß nicht mehr, wer mir diese wundervolle Platte geschickt hat. Vielleicht habe ich sie auch auf Bandcamp gekauft. Trotzdem danke. Vier unglaubliche Mikrokompositionen – Umwelt, Luft, Fragment, Körper – surren und flirren und plinkern und bouncen und brummen und drehen sich immer und immer wieder um sich selbst, bis nicht mehr klar ist, wer hier gerade was eingelullt hat. Es sei Stille. Kann das bitte immer so bleiben?

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Leseliste 29. Oktober 2017 – andere Medien, andere ThemenHighscore-Überwachung, Fluch der Medizin, Restaurantkritikkritik und Kulturelle Aneignung