Look at these GunsFilmkritik: „The Gunman“

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Alle Fotos: Studiocanal

Der mittlerweile 54-jährige Sean Penn versucht sich in The Gunman als muskelbepackter Action-Held.

“Just when I thought I was out, they pull me back in.“ Ebenso wie Michael Corleone (Al Pacino) in The Godfather 3 ergeht es in Pierre Morels (Taken, From Paris with Love) neuem Film The Gunman auch Jim Terrier (Sean Penn). Aber beginnen wir erst eimal von vorne. In einer Kaschemme im Kongo vertreiben sich ein Trupp von Sicherheitskräften und einige Mitarbeiter eines NGOs die Zeit. Man unterhält sich und trinkt dabei Bier. Sofort wird deutlich, worum es hier geht: Zwei Männer lieben dieselbe Frau — die Exposition eines klassischen Filmplots. In diesem Fall sind die Rivalen der Sicherheitsmann Jim Terrier und sein Vorgesetzter Felix (Javier Bardem). Das Objekt der Begierde ist die attraktive Ärztin Annie (Jasemine Trinca). Bereits an dieser Stelle muss man als Zuschauer das erste Mal ein wenig auflachen, denn nicht nur entspinnt sich die Geschichte ein wenig zu vorhersehbar: Jim ist Felix bei Annie um einige Schritte voraus, die beiden sind seit kurzer Zeit ein Paar, und Felix wird jetzt versuchen, seine hierarchische Machtposition zu nutzen, um den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Es ist außerdem einfach zu lustig anzusehen, mit welch breitem Pinsel Regisseur Morel hier gleich von Beginn an seine Charaktere zeichnet. Denn, wer als hellhäutiger Mann schon ein wenig zu lange in einem afrikanischen Land rumhängt, der wird sicher auch seit einiger Zeit nicht mehr beim Friseur gewesen sein, keine Lust mehr haben, sich täglich zu rasieren, stark schwitzen und gegen die Hitze sein Hemd weit aufknöpfen, und so tauchen in dieser Szene auch ausschließlich mehr oder weniger langhaarige, unrasierte, schwitzende Männer mit geöffneten Hemden auf.

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Aber nun gut, wollen wir nicht zu kleinlich sein. Die Sicherheitsleute sind neben ihrer Funktion als Wachschutz noch in einer zweiten Mission unterwegs, sie sollen den kongolesischen Bergbauminister durch einen Mordanschlag zur Strecke bringen. Felix bestimmt Jim zum Todesschützen, Jim erschießt den Minister und muss den Kongo, ohne sich von Annie verabschieden zu können, verlassen. Zeitsprung. Jim arbeitet wieder im Kongo. Diesmal jedoch in einer ganz anderen Funktion. Er hilft der einheimischen Bevölkerung beim Brunnenbau. Plötzlich trifft ein Killerkommando ein und versucht ihn umzubringen. Er entledigt sich der Angreifer und muss nun herausfinden, wer ihm nach all den Jahren an den Kragen will. Sein Weg führt ihn über London nach Barcelona, wo Felix, der jetzt mit Annie verheiratet ist, ihm Auskunft über die Hintergründe des Anschlags auf sein Leben geben soll. Den Rest kann man sich ja denken.

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The Gunman ist eine recht krude Mischung aus den klassischen Paranoia-Thrillern der siebziger Jahre und der transglobalen Jason-Bourne-Reihe. In vielerlei Hinsicht ist der Film sicherlich ziemlich chauvinistischer, klischeebeladener Schrott. Er besitzt jedoch so viele gewollte oder auch ungewollte Bruchstellen, dass er am Ende dann doch interessant erscheint. Das lässt sich besonders an der Rolle von Sean Penn festmachen. Piere Morrel schaffte es mit Taken, den vorher eher auf die Rolle des zurückhaltenden Intellektuellen festgelegten Liam Neeson zum Action-Star zu machen. Etwas Ähnliches hat er mit The Gunman wohl auch für Sean Penn im Kopf. Der mittlerweile 54-Jährige scheint sich für die Figur des Jims extra körperlich in Topform gebracht zu haben. Dies kosten der Regisseur und sein Star nun 115 Minuten lang aus. Sean Penn mit nacktem Oberkörper am Strand, Sean Penn bauchnabelfrei in Jeans und kugelsicherer Weste, Sean Penn nach dem Akt nackt in warmes Licht und eine Bettdecke gehüllt. Die Sexualisierung von Penn und der Körperfetischismus, den The Gunman betreibt, erinnern häufig an das, was Michael Bay mit seinen weiblichen Protagonistinnen macht. “Only fair“, könnte man meinen, doch das Ganze wirkt in The Gunman häufig einfach nur schreiend komisch. Das Over-Acting von Javier Bardem erreicht darüber hinaus teilweise Waltz’sche Dimensionen, wobei es jedoch bei weitem nicht so sehr nervt, und verstärkt die campe Qualität des Films noch zusätzlich. Einige sehr gelungene Action-Sequenzen müssen natürlich auch noch Erwähnung finden. Am Ende muss dann wohl jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden, ob The Gunman nun ein Film ist, der sich selbst nicht zu ernst nimmt oder der einfach nur total bescheuert ist.

The Gunman
Frankreich, USA , Spanien 2015
Regie: Pierre Morel
Drehbuch: Pete Travis
Darsteller: Sean Penn, Javier Bardem, Ray Winston, Jasmine Trinca, Idris Elba
Kamera: Flavio Labiano
Musik: Marko Beltrami
Laufzeit: 115 min
seit dem 30.04.2015 im Kino

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