Leseliste 29. Januar 2017 – andere Medien, andere ThemenTrump Resistance, Hollywoods schwarze Liste, 1984 und ein Yolocaust-Rant

LL-29012017-lead-full

Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

Leseliste Resistance Manual Januar 2017

Anleitung zum Trump-Widerstand

Der neue Präsident der USA tut gerade alles dafür, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ins dementsprechende Gegenteil zu verwandeln. Die vor wenigen Wochen noch vage Angst einer rassistischen Abschottungs- und America-First-Politik ist nicht nur längst konkret, sondern hat sich mit dem Einreiseverbot für Menschen aus muslimischen Ländern bereits in schlimmster Form bestätigt. Zeit für Widerstand. Was dafür zu tun ist, verrät die Website Resistance Manual. Dabei handelt es sich um ein Wiki, – d. h. jeder kann mitmachen – in dem Trumps politisches Handeln detailliert und nach Themen geordnet aufgeführt und eingeordnet wird, Linklisten führen zu tiefergehenden Informationen. Schwach und Angriffspunkte seiner Politik werden erläutert und Handlungsoptionen für den eigenen Widerstand (im Rahmen der demokratischen Ordnung) abgeleitet. Ein wichtiges Projekt von Black-Lives-Matter-Aktivist DeRay Mkesson und der Initiative StayWoke.org. Hoffentlich bleibt es online.

„If your nationality is one of those affected by the ban, DO NOT, UNDER ANY CIRCUMSTANCES, SIGN AN I-407 as this will invalidate your status in the United States. Seek guidance from an immigration lawyer before any travel plans.“

https://www.resistancemanual.org/

The Black List

Hollywood? Alles Luschen! Was zählt, ist nur das Geld, der Erfolg am Box Office. Risiken will in der Filmmetropole niemand mehr eingehen. Aber wie werden Filme dann eben doch gedreht, die aus dem üblichen Schema F rausfallen und etwas wagen? Mitverantwortlich dafür ist zum Beispiel Franklin Leonard. 2005 arbeitete er in der Produktionsfirma von Leonardo DiCaprio und war eigentlich nur auf der Suche nach interessanten Drehbüchern. Nach etwas Recherche konnte er eine Liste zusammenstellen von Skripts, die in den Studios zwar hoch im Kurs standen, aber dennoch durch das Raster gefallen waren. Diese Liste schickte er per Mail von einem anonymen E-Mail-Konto rum: Die schwarze Liste war geboren. Seitdem gilt diese Black List zwar nicht als Erfolgsgarant, Titel und Ideen, die in ihr verzeichnet sind, werden aber mindestens ein zweites Mal gelesen, der Erfolg abgewägt. Viele erfolgreiche und gute Filme wurden erst nach der Erwähnung auf der Liste produziert: „The Imitation Game“, „Spotlight“, „The Revenant“, „Whiplash“, „The King’s Speech“, „Slumdog Millionaire“ oder „Juno“. Seit dem Start des Projekts wurde etwa ein Drittel der Titel auf der Liste auch tatsächlich gedreht. Die Mechanik dabei ist ganz einfach: Ob der großen Aufmerksamkeit, die die Liste erhält, müssen die Entscheidungsträger in den Studios raus aus ihrer Konfortzone. Ein Anfang ist gemacht, auch wenn Leonard noch lange nicht zufrieden ist.

„The survey forces Hollywood to look in the mirror and say, Here’s what you said you liked!.”

The Hollywood List Everyone Wants To Be On

1984-Leseliste-29012017

Gegen den Neusprech

Statt eines Fakten-Checks nach einer guten Woche Trump als US-Präsident, lieber ein Blick auf die Auswirkungen, konkret: die Hoffnung machenden Auswirkungen. Fakten – glaubt man der neuen Besatzung im Weißen Haus – gelten ja ohnehin nicht mehr. Und genau das, so scheint es zumindest, ist der Grund, warum „1984“ von George Orwell in der vergangenen auf Platz 1 der Amazon-Bestseller-Liste in den USA geschossen ist. Trump als gleichzeitig medienversierte und hassende Pippi Langstrumpf, macht nicht nur sich selbst die Welt so, wie sie ihm gefällt, sondern der ganzen Nation gleich mit. Um diesen „Doppeldenk“ im „Quaksprech“ zu durchschauen, lohnt ein Blick auf die Strategie der Partei in Ozeanien in Orwells Buch. Doch nicht nur deshalb. Die Parallelen sind auch auf anderen Ebenen so offensichtlich wie erschütternd, analysiert Michiko Kakutani in der NY Times. Seit dieser Woche ebenfalls wieder in den Top 100 bei Amazon: Hannah Arendts „The Origins of Totalitarianism“. Es gibt Hoffnung.

„'1984' has found a nervous readership in today’s “post-truth” era.“

Why ‘1984’ Is a 2017 Must-Read

Yolocaust

Der Künstler Shahak Shapira kommt auf die Idee, die Alltagspraxis am Berliner Holocaust-Denkmal – Selfies machen, Posen, Witzeln – mit Bildern von Leichenbergen zu koppeln (Mouseover) und das ganze Social Web findet es großartig, zumal der irrlichternde Höcke gerade seine Bierpalast-Rede zum Besten gegeben hat. Es passt. Doch dass ein solcher digitaler Kunstgriff das Absurde, was auf den Steinquadern zweifelsohne vor sich geht, indes nur verdoppelt, weil der Kunstgriff selbst absurd ist: erstmal fand sich keine Spur derartiger Rezension. Dann doch. Mirna Funk hat den einzigen uns bekannten vernünftigen Text darüber geschrieben und nimmt das Projekt #Yolocaust hart, aber fair auseinander. Und schlägt gleich noch ein paar Dinge für eine bessere Erinnerungskultur vor, über die sich sicher auch streiten lässt. Glänzend.

Der Künstler hat das Projekt übrigens nach einer Woche wieder offline genommen, nach 2,5 Millionen Seitenbesuchen.

Deshalb ist die Frage ja, wie erreichen wir jene, die bis jetzt mit Abwehr reagiert haben? Ein Mahnmal-Selfie-Verbot zu erlassen, wird jedenfalls nur dazu führen, dass jene, die sowieso schon gernervt waren, jetzt noch genervter sind, weil man nicht mal mehr Selfies machen darf.

Leichenberge, bäm!

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Tornado Wallace, Doon Kanda und Max Richter

Sega veröffentlicht wieder Soundtracks von Spiele-Klassikern„OutRun“ nicht das einzige Highlight