Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Die Big-Data-Bombe
Der Forscher Michal Kosinski kommt aus Warschau und hat in Cambridge am Zentrum für Psychometrie studiert. Dort entwickelte er eine Methode, um mit Hilfe eines Fragebogens auf Facebook sogenannte „Persönlichkeitsprofile“ zu erstellen. Eine Handvoll Fragen können schon reichen, um ein umfassendes Bild einer Person zu bekommen. Damit wurde eine Lawine in Gang gesetzt, die am Ende sogar Donald Trump zum Wahlsieg verhalf. Wie genau, steht in dem lesenswerten Artikel „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“ von Mikael Krogerus und Hannes Grassegger für das Schweizer Das Magazin. Ein Beweis dafür, wie brisant und sensibel der Handel und die Analyse mit Big Data sein kann.
„Es ist also keineswegs so, wie oft behauptet wird, dass die Statistiker diese Wahl verloren haben, weil sie mit ihren Polls so danebenlagen. Das Gegenteil ist richtig: Die Statistiker haben die Wahl gewonnen. Aber nur jene mit der neuen Methode. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Trump oft über die Wissenschaft schimpfte, aber wohl dank ihr die Wahl gewonnen hat.“
Smartphones für den Regenwald
Trotz aller Versuche der Aufforstung, zum Beispiel in Europa und China, bleibt die Rodung von Wäldern eine der größten Umweltsünden unserer Zeit. Die Regenwälder in Brasilien und Indonesien sind die Lungen der Erde, aber sie schwinden. Durch Feuer, Abholzung und hier und da auch durch Urbanisierung. Al Jazeera widmet sich in einer großen Multimedia-Reportage denen, die retten, was zu retten ist. Die wichtigsten Helfer: lokale Communitys, Smartphones, Dronen.
„According to Topher White’s estimates, a single device can detect the sound of a chainsaw within an area of about three square kilometres. This means that using just a few devices, positioned in strategic areas (for example the forest’s access points), wide stretches of forest can be protected.“
„#liveauthentic“
Werbung, Produktplatzierungen, Bots, gekaufte Likes und Follower: Dass Instagram die aktuell am besten funktionierende Marketing-Hölle ist, wissen selbst die, die sich immer noch über appetitlich fotografierte Bilder freuen können. Aber wie funktioniert das eigentlich? Wie wird man auf Instagram erfolgreich, ein „Influencer“? Max Chafkin macht für Bloomberg das Experiment. Als offen kommunizierte Recherche begibt er sich unter die Fittiche einer Agentur, bekommt einen neuen Haarschnitt, schicke Outfits und Styling-Tipps. Dann beginnt er zu posten. Es dauert nicht lange, bis die ersten Endorsements eintrudeln, aber so richtig durch die Decke geht sein Konto nicht. Bis er Geld in die Hand nimmt und sich die Fake-Aufmerksamkeit erkauft, die für die Werbetreibenden so wichtig ist, obwohl allen klar ist, dass das Prinzip Instagram eine einzige große Lüge ist. Immerhin hat er jetzt einen neuen Haarschnitt.
„You don’t have a cute dog, do you?”
##Lieferitis
Heute ist wieder Sonntag, und wer mal als Pizzakurier gearbeitet oder einfach nur keine Lust gehabt hat, an einem Spätherbstsonntag vor die Tür zu gehen, weiß: Bringdienst-Hochzeit. Anbieter wie Deliveroo und Foodora kämpfen um die Pole Position im Premium-Segment, das besseres Essen zu liefern verspricht. Wie sieht es aber für die Fahrer aus, sind die Arbeitsbedingungen fair? Ein Bento-Redakteur hat sich beworben – nach paar Minuten hatte er den Job – und hat mit (ehemaligen) Mitarbeitern gesprochen: Auftragsvergabe per Algorithmus (schnellere Fahrer erhalten die Zuschläge), Mindestlohn statt des in der Werbung versprochenen Betrags und Aussieben sind an der Tagesordnung. Kranken- und Fahrradversicherung müssen die Radler meist selbst zahlen. Und die angekündigten Tarifgespräche mit der Gewerkschaft bleiben in der Startup-„Kultur“ ein lauwarmes Versprechen. Wer noch tiefer ins Thema einsteigen will: Hier und hier gibt es mehr dazu.
„Wir konnten leider nicht alle behalten und nicht jeder hat hier reingepasst. Aber ein bisschen Sediment ist immer.“