Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.
##Facebook ist Schuld an Trump
Als Barack Obama 2008 US-Präsident wurde, lobten ihn viele dafür, dass er Soziale Medien wie Twitter und Facebook so gut für seine Kampagnen nutzte, um auch jüngere Wähler zu erreichen. Nach der US-Wahl diese Woche ist klar, auch dieser Wahlkampf wurde im Internet gewonnen. Allerdings haben sich die Vorzeichen geändert, Soziale Medien, vor allem Newsfeeds sind alles andere als neutral, ein Zeitalter der Post-Faktizität wurde geschaffen und gerade Facebook trägt daran Mitschuld. Clinton-Sympathisanten haben ein ganz „anderes“ Internet auf Facebook gesehen als ein Trump-Anhänger. Man wird zwar noch eine Weile brauchen, um die neue globalpolitische Situation zu verarbeiten. Aber es wird wichtig sein, die Diskussion über die politische Verantwortung von Facebook aufrecht zu erhalten. Zu dem Thema gibt es daher diesmal zwei Beiträge. Ein Kommentar von Damon Beres für Mashable und eine Analyse von Max Read für das New York Magazine.
„Every employee at Facebook should be ashamed of what their product became this year: a tangled mess of bizarre falsehoods and outdated information used as ammo to help people scream at one another. It has failed our bitterly divided country through its News Feed, which has weighed legitimate, reported information from good news organizations against propagandistic junk written by trolls and found there is no difference.“
Facebook Failed America this year – now it should kill the News Feed | Mashable
##The fly-over-people people
Die einen – Trump-Wähler – sehen nicht nur, siehe Text links, ein anderes Internet/Facebook als die anderen – Clinton-Wähler –, sie leben auch in einer anderen Kohlenstoffwelt. Die einen leben in einer Welt, die keine Grenzen mehr kennt, die völlig durchlässig ist, in der man auf jedem Kontinent Freunde hat, fließend Fremdsprachen spricht, Netflixserien im Original guckt, New York Times liest statt Tagesschau zu gucken und den ganzen Kapitalismus schon scheiße findet, irgendwie, aber es sich doch recht bequem darin gemacht hat. Die anderen kriegen das alles nur vom Spielfeldrand mit, verstehen diese Welt nicht, weil sie sie nicht leben, und sehen die globale Klasse als „fly over people“ in Wyoming und Co. nur in Form von Abgasstreifen am Himmel über sich hinwegziehen. Dieser Beitrag lenkt den Blick nicht auf die so genannten Globalisierungsverlierer, sondern die Gewinner, die eine weltweite, postnationale Hegemonie längst installiert haben, ohne es zu wissen oder wissen zu wollen. Du und ich, wir gehören auch dazu. Und kennen wir einen, der Trump gewählt hätte? Nein. Eben. Wir kennen uns nicht mehr.
„Und weil man gegen die globale Klasse nicht moralisch und argumentativ gewinnen kann, bleibt der alternativen Rechten nur noch, jede Moral und jedes Argument zu verweigern. Trump und Brexit und die Rehabilitation von 'Völkisch' sind argumentative und moralische Pflastersteine in unsere Vitrinen.“
Die Globale Klasse – Eine andere Welt ist möglich. Aber als Drohung
Podcast zum Thema: Arroganz der globalen Klasse (Kapitel 8 von „Lage der Nation“, Ausgabe Nummer 29)
##Cratedigging in Nairobi
Seit 1989 verkauft James Rugami Schallplatten. Auf dem Kenyatta Market in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Früher einmal, da war das ostafrikanische Land ein wahrer Hotspot für Musik. Labels, auch internationale, Clubs, ein Vinyl-Presswerk. Heute ist es zunehmend kompliziert, in Nairobi Musik zu kaufen. Rugami hat den Glauben an die Schallplatte nie aufgegeben, seit einigen Jahren geht das Geschäft wieder bergauf. Auch und gerade Kenianer kaufen bei ihm Platten, viel afrikanische Musik, aber längst nicht ausschließlich. Rugami verkauft alles. Was nicht heißt, dass er Musik verramscht, im Gegenteil. Sein Angebot spiegelt das generelle Interesse der Kenianer an jeglicher Art von Musik wider, ein Interesse, das sich erst langsam wieder auf die heimische Musik konzentriert. Nachschub zu organisieren ist mitunter schwierig. Gepresst wird nicht mehr, der 2nd-Hand-Markt ist abgegrast. Touristen waren jahrelang seine besten Kunden. Ein wundervolles Porträt über James, seinen kleinen Laden und die Musikszene Afrikas von Megan Iacobini de Fazio.
„Sadly, as you can see, this is the only African 12” we have.“
FC St. Pauli: Ein Fanverein von Welt
Der 1. FC St. Pauli ist etwas ganz besonderes. Das dürfte allen klar, sein, ob sie den Fußballclub aus Hamburg nun mögen oder nicht. Der einzige, tatsächlich in der linken Szene verwurzelten Fußballverein Deutschlands, sagt interessierten Großsponsoren ab und erteilte der Bild völlig zurecht eine eine Absage, als die Zeitung mit einem „Wir helfen“-Aufnäher die ganzen Fußball-Vereine zu einer Kampagne zur Flüchtlingshilfe animierten. #bildnotwelcome ging darauf tagelang durch die sozialen Netze. Wie der Verein zu dem geworden ist, beschreibt die band eins und hat dafür mit Joachim Pawlik, dem Vizepräsidenten gesprochen:
„‚Die Fans forderten nicht nur ein Mitspracherecht, sie brachten auch einen unglaublichen Gestaltungswillen mit, haben viele Vorschläge gemacht und sich durch sämtliche Unterlagen gewühlt.‘ Es ging um eigene Fanräume, um die Verteilung von Sitz- und Stehplätzen, um die Frage, ob das Stadion Logen bekommen sollte.“