Go for the first lovePlatten kaufen mit The Orb

The Orb Start Hoch

The Orb: Alex Paterson links und Thomas Fehlmann rechts.

Seit fast drei Jahrzehnten gibt es schon The Orb. In dieser Zeit wurden einige Meilensteine der elektronischen Musikgeschichte verlegt. Der Track „Blue Room“ von 1992 ist mit 40 Minuten Spielzeit die längste Nummer, die es je in die britischen Single-Charts geschafft hat. Das Album „U.F.Orb“ aus dem selben Jahr die vielleicht erste rein elektronische Platte, die die Nummer 1 der UK-Charts erreichte. Doch statt in Folge des Erfolgs Wembley-Arenen mit Popshows zu bespielen, waren The Orb auch immer undergroundige Verweigerung. In einer legendären „Top of the Pops“-Sendung spielten die Musiker auf der Bühne in Raumanzügen Schach, statt krampfhaft ein Synthesizer-Playback zu bemühen. Für einige war das eine Sternstunde der Avantgarde, für andere der oft besungene Untergang der Musikkultur.

Mit „COW / Chill Out, World!“ bringen Alex Paterson und Thomas Fehlmann, die seit rund 20 Jahren bei The Orb gemeinsam Musik machen, das mittlerweile 26. Album der Bandhistorie heraus. Und (Revolution!): Es ist das erste lupenreine Ambient-Album der Bandgeschichte geworden. Ein schlichtweg wunderschönes sogar. Das Filter traf die beiden Grandseigneurs zum gemeinsamen Platten kaufen im Berliner Space Hall. Denn trotz der jahrzehntelangen Musikkarriere ist das Vinyl shoppen noch immer etwas Emotionales und Besonderes für Paterson und Fehlmann. Für die beiden ist und bleibt es einfach die beste Form, Musik zu entdecken und zu hören. Wir sprachen über die frischen Neuerrungenschaften, das neue Album, Klappstühle auf Festivals, das Glück, das vom Himmel fällt und natürlich J Dilla.

The Orb Alex Platten kaufen quer
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The Orb Platten kaufen mit beiden

Hallo Thomas, hallo Alex. Wart ihr erfolgreich? Was habt ihr Schönes gekauft?

The Orb Plattenkäufe 1

Buzzcocks – Another Music in A Different Kitchen
Alex: Einer meiner Allzeit-Favoriten. Als Teenager war ich ein großer Buzzcocks-Fan. Martin Rushent, der Produzent, hat später auch Joy Division produziert. Die Buzzcocks werden völlig unterschätzt! Sie haben mit „Ever Fallen In Love“ den archetypischen Pop-Punksong entwickelt!

Thomas: Die Buzzcocks waren kürzlich in Berlin und haben im Original-Lineup gespielt …

Alex: … „Moving Away From The Pulsebeat“, das letzte Stück auf dem Album, ist eine dieser Nummern, wo du denkst: Oh, die Platte ist zu Ende. Du stehst auf, um sie zu wenden, und dann geht es plötzlich weiter. Wirklich witzig.

4“ Be 2“ – One Of The Lads
Alex: Mit dem Bassisten ging ich zusammen zur Schule, er war mein bester Freund damals. Es war seine erste Platte. Produziert wurde die Platte von Johnny Lydon, also Johnny Rotten von den Sex Pistols. Der Sänger war sein Bruder Jimmy. Der Drummer und der Gitarrist waren eigentlich mit mir in einer Band. Die wurden uns einfach geklaut. Später wurden dann The Bollock Brothers draus. Es hat im ganzen Körper gekribbelt, als ich die Platte vorhin gefunden habe. Solche Momente sind immer noch emotional.

Pampa Records – Record Store Day 2016 Limited 10“

Alex: Ich freue mich drauf, das zu hören. Die anderen Sachen von Pampa habe ich alle schon.

Thomas: Da ist ein Wolfgang-Voigt-Remix drauf.

Alex: Umso besser.

The Orb Plattenkäufe 2

Jonwayne – Rap Album One / Knxwledge – Hud Dreems
Thomas: Wir mögen die Szene in L.A. und das Label Stones Throw. Aus der Stadt kommen viele neue Ideen für klischeefreien HipHop. Auf Brainfeeder, dem Label von Flying Lotus – ebenfalls aus L.A., veröffentlicht zum Beispiel Teebs, den wir beide sehr mögen. Er hat einen Remix für uns gemacht, der sehr gut geworden ist. Finden wir jedenfalls …

Alex: … und darauf kommt es an. Dass wir es mögen!



Jan Huydts Trio – Conception
Thomas: Jazzrock finden alle meiner Freunde scheiße. Für die ist das verbotene Musik. Daher ist so eine Platte zu hören fast wie heimlich Pornos gucken. Eine obskure Seventies-Platte: Ich mag vielleicht nicht jede Sekunde darauf. Aber es hat diesen Spirit, die Musiker sind mit Leib und Seele dabei. Auch wenn man früher dafür gesteinigt worden wäre. Ich hab eine Schwäche dafür (lacht).

The Orb Space Hall Lautsprecher

Mögt ihr es noch, Platten zu kaufen? Ist es noch das Gleiche wie mit 18?
Alex: Ja, vielleicht sogar mehr denn je. 



Alex, du hast ja sehr viele Platten, um die 30.000?
Alex: Wahrscheinlich sogar mehr.

Thomas: Plattenläden sind für mich gemütliche Orte. Du kannst mit dem Typen hinterm Tresen quatschen – über irgendwas kann man immer reden. Es fühlt sich für mich an wie ein Gruß aus der Vergangenheit. Plattenläden sind schon immer ein netter Austauschort gewesen. Du kannst dir Musik anhören, von der du noch nie gehört hast und eine echte Anhörstation ist einfach besser als ein einminütiges Sample auf Amazon.



Alex: Dieser Plattenladen hier sollte unbedingt einen Coffeeshop reinstellen.

Wie bei Rough Trade in London?


Alex: Ja, wie Rough Trade East. Und wie der in New York.

Thomas: Da sind wir oft, der ist super.



Wie denkt ihr über den Vinyl-Hype?


Alex: Wie ich darüber denke? Das kann ich dir genau sagen: Meh, meh, meh, meheehee … (macht meckrig-jammernde Schafgeräusche) Warum kann nicht jeden verfickten Tag Record Store Day sein? Wake up and smell the roses. „Oh, heute ist Record Store Day? Ich gehe jetzt los und kaufe eine Platte.“ Was zur Hölle soll das?

Thomas: Der Nachteil ist auch, dass wir ein halbes Jahr warten müssen, bis unser Album gepresst wird, weil die ganzen Dire-Straits-Rereleases die Presswerke blockieren.



Dabei seid ihr ja keine Unbekannten und euer Label auch nicht. 


Thomas: Kompakt ist ein vergleichsweise großer Player, aber nicht, wenn es um Fleetwood Mac geht (lacht).

„Ich bin glücklich mit Vinyl. Ich werde ewig süchtig danach sein.“
(Thomas Fehlmann)

Viele DJs legen heute digital auf, Vinyl hat als DJ-Medium an Relevanz verloren.
Thomas: Bei uns nicht (lacht). Wir legen immer noch damit auf. 


Alex: Ich mache eine Radiosendung aus einem Plattenladen. Da stehen zwei Plattenspieler, und jeder, der eine Show spielen will, muss damit auflegen. Das macht den Leuten auch Spaß. Also natürlich nur, wenn sie eine gute Plattensammlung zu Hause haben (lacht). Außerdem: Einen Großteil meiner Lieblingsmusik gibt es gar nicht auf CD oder irgendeinem anderen digitalen Format.

Thomas: Es gibt kein besser und schlechter. Ich bin glücklich, das alles mit Vinyl machen zu können, ich werde ewig süchtig danach sein. 



Alex: Mit Vinyl zu mixen ist einfach ein großer Spaß. Fucking great fun!

Sprechen wir über euer neues Album.
Alex: Also, wir haben das Album … (in dem Augenblick fällt ihm ein Blatt vom Baum direkt in die Hand) Hurra! Auf diesen Moment habe ich mein Leben lang gewartet! In England sagen wir: Fang ein fallendes Blatt und du hast einen Monat Glück. (Blickt zum Himmel) Danke!

In Österreich bedeutet es Glück, wenn man von einem Vogel angeschissen wird. 


Alex: Seltsames Glück (lacht). Wie dem auch sei: Der Arbeitsprozess bei „Cow / Chill Out, World!“ war viel schneller als beim Vorgänger. 



Thomas: Alex meinte: „Lass uns ein Ambient-Album machen.“ Das haben wir schon so oft versucht, aber stießen während der Produktion immer wieder auf Beats, die wir gut fanden. Und dann war es am Ende wieder kein Ambient-Album. Dieses Mal haben wir gesagt: Wenn wir eine gute Idee haben, machen wir Stopp und gehen zum nächsten Stück über. Keine Überarbeitungen. Go for the first love.

Ist es das ambientigste Album der Bandgeschichte?


Alex: Ja, vermutlich. 



Der Titel erinnert an die Großraves der alten Zeiten, wo es auch immer einen Ambient- und Chillout-Floor gab. Diese Floors existieren nicht mehr.
Thomas: Wo sind die eigentlich hin?

Alex: Das machen jetzt die Coffeeshops (lacht). Aber diesen Sommer war ich beim Fuji Rock Festival in Japan, um ein Ambient-Set zu spielen. Das hat mich echt umgehauen: Da lagen 20.000 Leute auf dem Boden, manche hatten kleine Stühle dabei, auf der Bühne standen überall Kerzen. Es hätte schöner und chilliger nicht sein können. 



Chill Out, World, ist das auch ein politisches Statement?
Alex: Klar. Wir sollten uns keinen Kopf über Hautfarben machen. Wir hängen doch alle zusammen auf diesem Planeten. Es gibt doch auch nur diese eine verdammte Welt.

Thomas: Eine subtile Art einer politischen Botschaft. Wir wollen niemanden mit Botschaften niederschreien.

„Punk war links, sozialistisch, es ging um das Einreißen von Barrieren, ums Arme-Leute-Reinlassen. Die House-Bewegung der letzten 25 Jahre hat sich eher der Einnahme viel zu vieler Drogen gewidmet.“
(Alex Paterson)

Kommen für euch zu wenig politische Statements aus der elektronischen Szene? 


Alex: Nun ja, es ist einfach kein Punk, nicht? Punk war links, sozialistisch, es ging um das Einreißen von Barrieren, ums Arme-Leute-Reinlassen. Die House-Bewegung der letzten 25 Jahre hat sich eher der Einnahme viel zu vieler Drogen gewidmet. Hedonismus, den Kopf in den Wolken. Was auch sein Gutes hat, aber nach 25 Jahren wirkt es, als würde man sich damit verstecken wollen. Es müssen eine Menge Dinge verändert werden in dieser Welt.

Thomas: 25 Jahre bedeuten aber auch ein intellektuelles Wachstum: Die Musik ist ja nicht nur ein Hobby für die guten Zeiten, sondern ist heute Teil unseres Alltags. Nicht jeder Tag ist sonnig, nicht alles in der Welt ermutigend. Darauf reagiert die Musik auch. 



Ambient ist unterdessen ja auch in den Kunstkontext gewandert, zum Beispiel als Musik für Installationen. Habt ihr einen Zugang dazu?


Thomas: Wir spielen gerne live im ursprünglichen Sinne: Nicht nur Tracks vom Album runterspielen, sondern etwas neu erfinden. Wir wollen uns selbst mit neuen Ideen unterhalten und überraschen. Für Installationen macht man in der Regel finalisierte Produkte. Aber mit unserem Katalog auszuwählen und aus alten Stücke neue zu machen, das ist unsere eigentliche Leidenschaft.



Alex: Wir haben mit The Orb etwas kreiert, mit dem wir machen können, wozu auch immer wir Lust haben. Und einige Menschen scheinen uns diesbezüglich ja zu folgen. An Kritik haben wir uns nie gestört. Als alter Punk interessieren mich Worte eh nicht. Noch ein englisches Sprichwort: Sticks and stones may break my bones, but words will never hurt me. Wenn dich jemand Fotze nennt: Es ist nur ein Wort.

The Orb Start Portrait alt image

„Lee Scratch Perry ist ein Nonstop-Ghettoblaster, den du nicht ausmachen kannst. Der läuft weiter und weiter, selbst wenn du die Batterien rausnimmst.“
(Alex Paterson)

The Orb stand auch immer für Kooperationen: Lee Scratch Perry, David Gilmour. Inwiefern haben diese Leute euch beeinflusst?
Alex: Pink Floyd haben mich früher sehr beeinflusst. Heute höre ich das nicht mehr so viel. Aber David Gilmour habe ich bei unserer Zusammenarbeit für „Metallic Spheres“ 2010 nicht einmal gesehen. Er hat seine Gitarrenparts rübergeschickt und das war’s. Lee Scratch Perry war da eine andere Nummer. Er ist ein Nonstop-Ghettoblaster, den man nicht ausmachen kann. Der läuft weiter und weiter, selbst wenn du die Batterien rausnimmst. Brillant, diese Energie!

Thomas: Wir hatten nur eine Woche mit ihm, aber das war eine super Zeit. Er hat uns sehr angespornt.

Alex: Wir wollten eigentlich nur vier Tracks zusammen machen, die hatten wir aber schon in der ersten Nacht fertig.

Thomas: Am Ende hatten wir dann 15. Mit Robert Fripp war es auch eine sehr verbundene, sehr elaborierte Zusammenarbeit. Das FFWD-Album ist auch sehr Ambient. 


Alex: Nach „Cow / Chill Out, World!“ wohl am dichtesten dran an Ambient, ja. 



Mit wem würdet ihr gerne noch mal zusammenarbeiten?
Thomas: Madlib.

Alex: Brian Eno.

Thomas: Und J Dilla. Auch wenn das leider nicht mehr geht. Den finden wir beide super.

Alex: Er hat diese unglaublich clevere, konstruktive Art zu sampeln. Eine sehr künstlerische Herangehensweise – nicht diese „Oh, ich habe ein paar Techno-Platten, ich mache daraus eine andere Techno-Platte“-Herangehensweise.

Thomas: Sehr erfinderisch.

The Orb Tarnnetz

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