Wochenend-WalkmanDiesmal mit Kendrick Lamar, Stereociti und Boris Brejcha

WW05032016 Ghettoblaster anigif

Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.

Kendrick Lamar Untitled Unmastered Cover WW 05032016

##Kendrick Lamar – untitled unmastered.
Ji-Hun: Ich weiß nicht, wann das letzte Mal ein Rapper derart gehypt wurde wie Kendrick Lamar – rekordverdächtig viele Grammy-Nominierungen, Kritikerliebling mit „To Pimp A Butterfly“, beste Musikvideos, immer, und spätestens mit seinen Live-Performances auf Großevents und TV-Shows hat auch der größte Ignorant feststellen müssen: Bei ihm ist alles etwas anders. Das ist nicht richtig Pop. Hat mit Lil Wayne, Pitbull und Konsorten nicht so viel am Hut. Es ist politisch – ja, man muss es sagen – authentisch und dabei auch noch musikalisch hochspannend und interessant. Aber vor allem: Es ist groß. Ich wage es zu sagen: Kendrick ist die eigentliche Stimme der Afroamerikaner zur Zeit im HipHop. Er repräsentiert die Aura und die Werte, die Kanye West gerne für sich in Anspruch nehmen würde. Nun hat Kendrick aus Compton ohne Ankündigung ein neues Album herausgebracht. „untitled unmastered.“. Kein Artwork, keine Songtitel, keine Promo. Selten wurde eine Studioresterampe so nüchtern verkauft wie hier. Dennoch sind die Stücke alle toll. Die zeitweilige tapige Roughness tut dem Gesamtsound sogar ziemlich gut. Eigentlich wollte ich mir dieses Wochenende das neue Kanye-West-Album vornehmen, das muss aber vorerst warten. Sorry, Mr. West.

Album bei iTunes

Stereociti-Lost Land-WWalkman05032016

##Stereociti – Lost Land
Thaddeus: Ich mag Stereociti, das Projekt von Ken Sumitani aus Japan. Er gehört zu der Sorte von Produzenten, die ihr Mäntelchen nicht in den Wind hängen und unter dieser ja eigentlich sehr löblichen Haltung bestimmt ab und an leiden. Fünf Jahre hat er sich Zeit gelassen für sein zweites Album, in der Zwischenzeit nur sehr vereinzelt Tracks in die Welt entlassen. Vielleicht hat er einen Job, der ihm viel abverlangt. Vielleicht gehört er aber zu denjenigen, die nicht auf Biegen und Brechen produzieren und veröffentlichen. „Lost Land“ erinnert mich daran, warum ich Techno und House so mag. Sumitani hat tatsächlich eine eigene Handschrift, beherrscht den großen genauso wie den kleinen Moment, sein Sound wirkt vertraut und ist doch einzigartig. Warum das so ist? Tatsächlich schwer zu sagen. Dabei sind es weniger die immer wieder durchschimmernden Momente des Dub, die mich für die Platte so begeistern. Es ist vielmehr die Art und Weise wie Sumitani die verschiedenen musikalischen Ausprägungen immer wieder überraschend miteinander verwebt und die Lösung des Problems inmitten dieses so entstehenden Knotens findet. Wirklich brillant.

Boris Brejcha 22 Walkman

##Boris Brechja – 22
Benedikt: Allein das Cover lässt die Platte und seinen Schöpfer schon sympathisch erscheinen, versucht es doch nicht im geringsten visuelle Pseudo-Deepness zu verkaufen oder arty daherzukommen. „Langeweile-Techno“ würde Thaddi zu diesem Album sagen. Und läge damit gar nicht mal daneben, nur würde ich das völlig wertfrei sehen – der Kontext ist entscheidend. Boris Brejcha produziert ziemlich kompromisslos für die Techno-Tanzflächen: maximal repetitiv, hier und da von fast kitschiger Melodie durchzogen, in der Regel aber minimal und straight forward, mit der Tendenz zu düsteren Flächen und schneidenden Synthies. Mit 22 Tracks und einer Spielzeit von knapp drei Stunden liefert der Frankenthaler den Techhouse DJs dieser Welt gleich eine ganze Setlänge neuen Materials. Nach sieben Jahren und vier Alben beim Label Harthouse kommt sein fünfter Langspieler auf seinem eigenen Label „Fckng Serious“. Manchem mag dieser Sound zu simpel und kalkuliert erscheinen, nach hinten raus wird das Album mit seinen Electro-Anleihen auch für meinen Geschmack ein wenig zu grell. Trotzdem: Boris Brejcha wirkt mehr wie der nette Techno-Atze von Nebenan, als der große Künstler, der zu jeder Spur eine eigene Story zu erzählen weiß. Er will Menschen tanzen sehen. Und das macht ihn nicht kleiner. Ganz im Gegenteil, fokussiert er damit doch konsequent die ursprüngliche Idee von Techno. Das wurde auch mal wieder Zeit, danke dafür.

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