Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Real Estate – In Mind
Ji-Hun: Vergangene Woche hatte ich bereits angedroht, dass diesen Samstag wieder ein Indie-Album bei mir in der Rotation landen würde. In meinem persönlichen Indie-März also heute das gerade erschienene neue Album von Real Estate. Knapp drei Jahre sind seit dem letzten Album „Atlas“ vergangen und die Bandmitglieder verausgabten sich in der Zwischenzeit an ihren eigenen Projekten. Ob Ducktails oder Sänger Martin Courtney solo. Ein bisschen war es so, als würde die Band eine Art Wu-Tang-mäßiges Imperium aufbauen, auf breiter Fläche diesen unwiderstehlichen Signaturesound der Kombo aus New Jersey in der ganzen Welt bekannt machen. Ist natürlich alles nur bedingt richtig. Was aber stimmt ist, dass sich Real Estate mit ihren neuen Album „In Mind“ auf Domino treu geblieben sind. Fast noch präziser, die Telecaster noch klarer, die Produktion mehr HiFi, aber zugleich auch ausgereifter. Real Estate erlangen eine ähnlich perfektionistische Abgebrühtheit (nicht falsch verstehen) wie die Dire Straits. Da ist kein Picking zu viel, kein Effekt unnötig, less bekanntlich more. Große Erzählungen mit den schönsten und transparentesten Gitarren-Arrangements, die man in diesem Frühjahr hören kann.
##Credit 00 – Game Over
Benedikt: Ein Album, das die Sounds von Videospielen ins Zentrum stellt? Mit einem Cover und einer Tracklist, die daran nicht die geringsten Zweifel lassen? Die anfängliche Skepsis konnte mir auch der Opener nicht nehmen, der mit rauschig-polyphonem Pling-Plong genau das verkörpert, was ich an elektronischer Musik, deren Elemente dem Gaming-Kontext entrissen wurden, immer gehasst habe. Marios Münzensammeln klingt nur cool, wenn der Nintendo-Controller dabei in der Hand liegt, außerhalb dieses Szenarios aber eher flach. Doch ich sollte mich täuschen. Alexander Dorn, dessen Alias Credit 00 allein schon Spielotheken-Charme versprüht, stellt die akustische Videospielwelt zwar ins Zentrum seines Debütalbums, das letzte Woche via Uncanny Valley erschien, umkreist sie aber nur und hält fast durchgehend den Sicherheitsabstand ein, den guter Geschmack in diesem Fall erfordert. Zeitgemäß zaghafter House, Disco-Anleihen, Breakbeat, die Rims und Claps oldschoolig flach. Hier und da ein Zischen, Klackern, ein schneidender Sound aus der Videospielkonsole und ab und zu fliegt ein Space Invader vorbei. Next Level statt Game Over.
Adult. – Detroit House Guests
Thaddeus: Die schlecht gelaunteste Platte diese Woche kommt von Adult. Wirkliche happy people waren Nicola Kuperus und Adam Lee Miller nie, ihr Label „Ersatz Audio“ aber war kurz nach der Gründung Mitte der 1990er-Jahre ein Garant für Detroiter Leftfield-Experimente zwischen verdammt futuristischer Klangkunst und einem tiefen Verständnis für Electro. Killer-Platten. Nicht alle von ihnen, aber immerhin möglich gemacht mit ihrer Kreditkarte. Gab es eine neue EA im Laden, wurde es kurz still am Tresen. Die Nadel fand die Rille und die Ohren wurden kollektiv gespitzt. Lange her. „Detroit House Guests“ ist musikalisch zunächst erschütternd einfacher Blubber-Synthpop, zwölf Tracks mit immer der gleichen Bassline. Das wäre für sich genommen gar nicht schlecht, wenn die Platte nicht ein Konzeptalbum wäre, für das das Duo sogar Fördergelder abgestaubt hat und so in den vergangenen Jahren immer wieder Künstler einladen konnte, um ein paar Wochen im Adult-Studio abzuhängen. Absurd, dass diese Platte genau zu dem Zeitpunkt erscheint, an dem Trump mit seinem Haushaltsplan auch der Kultur den Garaus machen will. Es ist also auch ein Feature-Album. Mit dem immer noch infantil quäkenden Douglas McCarthy von Nitzer Ebb, dem Swans-Mann Michael Gira und ein paar anderen. Immerhin auch mit Dorit Chrysler. Es klingt wie ein großes Missverständnis. Kuperus klingt wie Cosey Fanni Tutti, nein: will klingen wie Cosey Fanni Tutti und covert den ohnehin unwichtigen Chris&Cosey-Tracks „Synaesthesia“ von deren zweilfehaftem Album „Pagan Tango“ gleich mehrmals. Mehrmals schlecht. Detroit House Guests“ passt in seiner Unentschiedenheit nicht einmal in die derzeit so populäre Wiederaufarbeitung der Schnittstelle zwischen EBM, Wave und Techno. So enttäuschend wie überflüssig.