Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Wild Pink – Wild Pink
Ji-Hun: Ein bisschen bin ich selber von mir überrascht, dass sich Indie bei mir wieder so gut anlässt. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern vor gar nicht vielen Jahren, da schmeckte fast jeder Indie-Release nach mumifiziertem, madigem Himbeer-Joghurt. Zur Zeit geht es mir eher mit HipHop-Platten so. Da wollen mir die ganzen Future-Young-Thug-Hypes irgendwie nicht so recht einfahren. Nun hatte ich aber letzte Woche schon mit Grandaddy ein Indie-Album im Walkman. Und ohne spoilern zu wollen – nächste Woche wird es wieder eine Indie-Platte werden. Ist dann wohl so. Diese Woche ergo die mir bis dato unbekannte Band Wild Pink aus Brooklyn und Queens. Das nach der Band benannte Debüt ist auf Tiny Engines erschienen und klingt so Mitt-90er wie es eben geht. John Ross (Gitarre, Vocal), T.C. Brownell (Bass) und Dan Keegan (Schlagzeug) haben sich vor der Produktion bei einigen der besten des Genres inspirieren lassen. Built To Spill und Modest Mouse sagen bei fast jedem Song „Hi“. Dazu die leicht verklärte, kalifornische Unverbindlichkeit von Weezer/Grandaddy und ein feines Gespür für physisch-dynamische Riffs. Gut, wirklich gut. So unprogressiv wie von Omma der ihr Erbseneintopf, aber genau so glücklich machend.
##Mr. YT – Brand New Day
Benedikt: Yuji Takenouchis neueste Platte ist eine Quasi-Reissue, sie vereinigt die Tracks der drei EPs „Southern Paradise“, „Brand New Day“ und „Parfum E.P.“, die schon 97/98 erschienen sind, auf einer Platte. In neuer, versetzter Anordnung verschmelzen die Tracks zu neuem Ganzen, und fast scheint es, als würden sie erst jetzt den Platz einnehmen, der eigentlich schon immer für sie vorgesehen war. Ambient und Deep House, dank zeitloser Eleganz mit der Fähigkeit Wohnzimmerrunden und Clubs-Crowds gleichermaßen zu beglücken. Was der japanische Sounddesigner, seinerzeit für die grandiose Akustik in Videospielklassikern wie Metal Gear Solid 2 verantwortlich, aus den Tiefen alter Roland-Hardware hervorholt, hat den Drive von Basic Channel und Detroit, doch bleibt dabei sanftmütig und butterweich. Zwischendurch öffnet Yuji Takenouchis mal das Fenster und lässt ein bisschen balearischen Wind durchziehen oder stößt die Tür zum verrauchten New Yorker Funkkeller auf. Das dieses, gestern auf dem R&S-Sublabel Apollo erschiene Album über Plattenladentheken gehen wird wie frische Schrippen, steht außer Frage. Mr. YT sei jedenfalls gegönnt, dass seine fast zwanzig Jahre alten Tracks so klingen, als seien sie gerade erst vom Produzententisch gefallen. Und doch bestätigt es die hier bereits angedeutete Tatsache, dass die dieser Tage veröffentlichte, vermeintlich stilvolle House Music, immer und zu oft ausschließlich nur ein Blick in den Rückspiegel ist. Progressivität Fehlanzeige. Aber wenn im Rückspiegel gerade wunderschön die Sonne untergeht, dann ist der Regen vor uns eben auch egal.
Lusine – Sensorimotor
Thaddeus: Jeff McIlwain ist eine sichere Bank der Elektronika. Elf Alben und 456.483 EPs hat er mittlerweile auf dem produzierenden Rücken, letzte Woche erschien die 12. LP. Wunder sollte man hier nicht erwarten, eine Revolution ebenso wenig. Das ist aber auch gar nicht schlimm, denn erstens ist der Sound von McIlwain ohnehin ziemlich unique, auch nach den ganzen Jahren, in denen er ihn Schritt für Schritt verfeinert hat, und zweitens garantiert sein Festhalten an der Grundidee von Lusine eine verlässliche Zeitlosigkeit, die in Zeiten, in denen sich die Welt minütlich radikal selbst remixt, mehr als angenehm ist. Lusine war Pop, Lusine ist Pop, Lusine wird immer Pop sein. Mit allem was dazu gehört. Zum Beispiel der Tatsache, dass vieles von dem, was McIlwain sich über die Jahre erarbeitet hat, mittlerweile zum Billboard-kompatiblen Kanon der weirdness gehört. „Sensorimotor“ ist in seiner Summer aller Teile die eigentlich Neo-Klassik. Beherzt und mit noch mehr Beats als früher. Die Vocal-Features kommen von Benoît Pioulard, seiner Frau Sarah und Vilja Larjosto. Und dann – mittendrin – dann doch noch die Überraschung in einem Album, das sonst vollkommen frei von Überraschungen dennoch schon jetzt ein guter Freund ist: „Chatter“, ein kurzes Interlude, in dem McIlwain den Pop Pop sein lässt und in unterdrücktem Rauschen sein gesamtes Werk auf knapp zwei Minuten unendlich schön komprimiert. Es sind diese Momente, die die Musik von Lusine auch 2017 noch so unentbehrlich machen.