Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „Everybody In The Place“ von The Prodigy

1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Undergroundphänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war.

Nein, diese Kolumne soll keine musikalische Coming-of-Age-Reihe werden. Aber so ganz vermeiden lässt sich das Persönliche freilich nicht, spricht man von der Musik, die einen als Teenager beschäftigt hat. Und weil wir uns mit dieser Kolumne auch chronologisch an 1992 abarbeiten werden, Monat für Monat, komme ich nicht umhin, mit einem Track anzufangen, der mir ganz besonders am Raveherzen liegt: „Everybody In the Place“ von The Prodigy. Das Stück erschien eigentlich schon Ende Dezember 1991 und landete im Januar in den UK-Charts, kletterte immerhin bis auf Platz 2 und musste sich nur dem re-releasten „Bohemian Rhapsody“ von Queen geschlagen geben. Fair enough.

Für mich war der völlig unvermittelte Erstkontakt mit diesem Video auf MTV, da lief es einfach irgendwann, wie eine Urszene. Was ist das? Was sehe ich da, was höre ich da? Warum gefällt mir das so unfassbar gut? Für jemanden, in dessen Umfeld eher Nirvana, R.E.M. und auch Queen gehört wurde, war es wie ein Coming-out. Das ist also meine Musik. Das törnt mich an, das ist genau meins. Es gelang mir, das Video bei MTV abzupassen, es auf VHS aufzunehmen und dann ungefähr zwölf Dutzend mal zu gucken. Bei heutiger Betrachtung finde ich es immer noch großartig. Es ist nach wie vor eines der besten Tanzvideos, das ich kenne. Die einzigartigen, ästhetischen Tanzschritte von Keyboarder Leeroy Thornhill. An seinen Schritten arbeiten sich ganze Melbourne-Shuffle-Crews ab. Der metallisch hämmernde Beat, eine 909-Eigenproduktion, mal kein Sample und insofern, auch wenn's so klingt, kein Breakbeat im eigentlichen Sinne und deswegen eigentlich Techno, zu dem die Musik von The Prodigy später immer mehr hinwanderte. Der röhrende explodierender-Hochspannungs-Stromkasten-Electro. Aber auch: der insgesamt recht poppige und ergo chartkompatible Zuschnitt des Tracks, Strophen und Refrain und sogar eine Bridge lassen sich erahnen.

Die Original-Version.

Die Album-Version.

G-Force, Track AA1 der EP.

Die Video-Version ist übrigens der „Fairground Remix“, deutlich nervöser und zackiger als das groovige Original. Auf dem später im Jahr 1992 erschienenen, legendären Album „Experience“ gab es dann eine dritte, noch speedigere Variante. Sowieso wurden für das Album fast alle schon erschienenen Tracks, darunter das Single-Debüt „Charlie“, noch mal überarbeitet oder erschienen als Single-Auskopplung später in neuer Version. Dass sich „The Prodigy“ seinerzeit keine Produktionsarbeit gemacht hätten, kann man nicht als Vorwurf erheben. Auf der EP von „Everybody In The Place“ befindet sich auch der Track „G Force Part 1“, der eines der schönsten Piano-Motive der Ravegeschichte hat. Heute ist die Musik von The Prodigy komplett drüber (oder drunter), 1992 sind sie die Größten ihres Genres.

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