Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „Something Good“ von Utah Saints
23.3.2017 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Undergroundphänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute auf dem Plattenteller bzw. im VHS-Schlitz: „Something Good“ von den Utah Saints.
Dieser Act der Ravegeschichte hat den Rave besonders weit in Richtung Pop getrieben: Utah Saints, Jez Willis und Tim Garbutt aus Leeds. Die beiden nannten sich zuerst MDMA (Mega Dance Music Alliance). In ihrem großen Hit, „Something Good“, immerhin Platz 4 der UK-Charts 1992, kommt alles vor, was Rave klassischer Weise braucht: Ein Dance-Beat, Pianos, Live-Jubelsounds, Samples, Screams – und doch ist es Pop. Kurz, knackig, keine zu langen, zu repetitiven Passagen, ständig kommt etwas Melodiöses hinzu, zum Beispiel bemerkenswerte, fast klassisch anmutende Klavierläufe. Und sie traten ausschließlich live auf. Das Duo hat sich auf seinen Konzerten (!) von „echten“ Musikern unterstützen lassen; Bill Drummond von The KLF nannte sie „The First True Stadium House Band“. Das hat er vermutlich nicht despektierlich gemeint, The KLF war nämlich die zweite. Beim Live-Auftritt bei „Top Of The Pops“ beweisen sie sogar Playback-Posing-Qualitäten.
Markantestes Element von „Something Good“ sind zweifelsohne die Vocals: Samples aus dem legendären „Cloudbusting“ von Kate Bush, also die Stimme von Kate Bush. „Ooh, I just know that something good is gonna happen.“ Wirklich spannend und meines Wissens nach ohne Beispiel – ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren – ist, dass nicht nur ein Audio-Sample von Bush genutzt wurde, sondern das Video zu „Something Good“, neben seinerzeit unabkömmlichen Fluchtpunktperspektiven in übersteuerten Farben, auch Elemente des Videos zu „Cloudbusting“ von 1985 enthält. Audio, Video: ein synästhetisches Sample! Kate Bush hatte den Ravepoppern gegen Zahlung einer Lizenzgebühr nämlich erlaubt, Szenen mit ihr aus ihrem Clip zu verwenden.
Was heißt Clip: „Cloudbusting“ ist ein Kurzfilm. Gedreht hat ihn Julian Doyle, der auch an Brazil mitgewirkt hat. Ein Kurzfilm in Kopplung mit einem Musikvideo – eine rare Gattung. Zweiter Protagonist ist Donald Sutherland, er spielt den österreichischen Psychoanalytiker Wilhelm Reich, Kate Bush dessen Sohn Peter. Reich war ein Freud-Schüler, der mit einem „Cloudbuster“ den Wolken kosmische „Orgonenergie“ abzog und sie zum Abregnen brachte. Reich ging damit auch auf UFO-Jagd. Ziemlich protoravig.
Zurück zu Utah Saints. Der zweite größere Hit hieß „What Can You Do For Me“, auch hier bediente man sich einer bekannten Frauenstimme. Kleines Ratespiel gefällig? Nah, ist zu einfach. Zu „Something Good“ ist noch zu sagen, dass die BBC den Track als Titelmelodie für die Olympia-Übertragungen nahm, fünf Goldmedaillen gab es für das Vereinigte Königreich in Barcelona, und dass es 2008 ein Re-Release gab. Mit neuem Video und neuen Vocals. Welches natürlich nicht ansatzweise so good ist wie das Original. Aber hat das jemals ein Dance-Re-Release hinbekommen?